Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerrufsbelehrung, finanzierte Geschäfte, Endurteil, Darlehensvertrag, verbundenes Geschäft, Widerrufsrecht, Existenzgründung, Fernabsatzgeschäft, Immobilie, BGB-InfoV, Berufung der Kläger, Rückgewähranspruch, Anwaltsschreiben, Vorfälligkeitsentschädigung, Oberlandesgericht, Zivilkammer, sachliche Einschränkung, Gestaltungshinweis, Ladengeschäft, Verwirrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung ist primär an den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen (hier: § 355 II, 358 V BGB aF) und nicht etwa an der Musterbelehrung gem. BGB-InfoV zu messen. Die Frage nach der Gesetzlichkeitsvermutung der Musterbelehrung stellt sich vielmehr nur und erst, wenn der Verbraucher zuvor einen inhaltlichen Fehler der jeweils konkret verwendeten Widerrufsbelehrung nachgewiesen hat.

2. Eine vorsorgliche, inhaltlich zutreffende Belehrung über Voraussetzungen und Folgen eines verbundenen Geschäfts stellt keinen Verstoß gegen das sog. Deutlichkeitsgebot dar, auch wenn im konkreten Falle kein verbundenes Geschäft vorliegt.

3. Zumindest im Falle eines Darlehens "für private Zwecke und für Existenzgründung" stellt auch eine inhaltlich zutreffende "Sammelbelehrung" für alle denkbaren verbundenen Geschäfte keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot dar.

4. Dasselbe gilt für einen in der Belehrung verbliebenen ersichtlich an das Bankpersonal gerichteten Ausfüllhinweis (hier: Fußn. 1 " nicht für Fernabsatzgeschäfte") jedenfalls dann, wenn dem Verbraucher eine auf einem gesonderten Blatt verfasste und zur Unterschrift vorgesehene Widerrufsbelehrung erteilt wird, die mit dem Namen des Verbrauchers und der Darlehensnummer versehen ist und die sich ausdrücklich auf den von ihm abgeschlossenen Darlehensvertrag bezieht.

 

Normenkette

BGB §§ 2, 358 Abs. 2; EGBGB Art. 2, 6, 247; ZPO §§ 530, 540, 522 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München (Urteil vom 09.12.2014)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I, 28. Zivilkammer, vom 09.12.2014 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Tatsächliche Feststellungen:

Die Kläger machen gegen die beklagte ... Rückgewähransprüche nach erklärtem Darlehenswiderruf geltend.

Am 12.03.2009 schlossen die Kläger mit der Beklagten den als Anlage K 1 vorgelegten Vertrag über ein "Darlehen mit anfänglichem Festzins mit dinglicher Sicherheit für private Zwecke und für Existenzgründung" in Höhe von 153.000.- EUR. Das Darlehen diente den Klägern zur Finanzierung einer privat genutzten Immobilie. Dem Darlehensvertrag war folgende Widerrufsbelehrung beigefügt:

Bild

Mit Anwaltsschreiben vom 27.11.2013 (Anlage K 2) erklärten die Kläger gegenüber der Beklagten der Widerruf des Darlehensvertrags. Die Kläger haben das Darlehen inzwischen zurückgeführt und eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 20.749,61 EUR bezahlt.

Die Kläger meinen, der Widerruf sei wirksam, weil ihr gesetzliches Widerrufsrecht zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erloschen gewesen sei, da die Beklagte sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt habe. Die Beklagte habe das Muster der BGB-lnfo-VO in der damals gültigen Fassung nicht ordnungsgemäß übernommen und könne sich deshalb nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Die Widerrufsbelehrung entspreche auch nicht den gesetzlichen Vorschriften, weil die Hinweise für "Finanzierte Geschälte" mehr als 50 % des gesamten Textes der Widerrufsbelehrung darstellten und schon deshalb in hohem Maße geeignet seien, von dem eigentlichen Belehrungsinhalt abzulenken. Außerdem könne ein durchschnittlicher Leser nicht erkennen, dass die Voraussetzungen für ein finanziertes Geschäft in seinem Fall nicht gegeben seien. Er könne die Widerrufsbelehrung daher so verstehen, dass ein Widerruf des Verbraucherkreditvertrags auch die Unwirksamkeit des Grundstücksgeschäftes zur Folge hätte. Die Hinweise seien außerdem widersprüchlich, weil sie sich auf alle verschiedenen Varianten eines finanzierten Geschäfts bezögen. Den Klägern sei auch -wie jedem durchschnittlichen Verbraucher - unbekannt, was unter einem Fernabsatzgeschäft zu verstehen sei. Sie hätten daher nicht gewusst, ob in ihrem Fall ein Fernabsatzgeschäft gegeben sei oder nicht. Die Abstimmung über den Darlehensvertrag sei nämlich teilweise unter Einsatz von Fernkommunikationsmittels erfolgt, so dass durchaus ein entsprechendes Geschäft gegeben hätte sein können. Im Ergebnis hätten die Kläger deshalb nicht gewusst, ob sich die Widerrufsbelehrung an sie gerichtet habe oder für ihren Fall ausweislich der Fußnote 1 gar kein Widerrufsrecht habe bestehen sollen. Den Kläge...

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