Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 24.04.2013)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG München I vom 24.4.2013 wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung, im Rahmen der Aufführung seines Bühnenprogramms "..." zu unterlassen, den Kläger in Bezug auf die Zeugung seines Kindes mit K. als 1,50 m geballte Erotik, mit 40 Kilo zuviel auf der künstlichen Hüfte, ein künstliches Gebiss tragend und dieses beim Küssen schon mal in die Tasche steckend, zu beschreiben und dann die Zuschauer aufzufordern, sich das Bild der Zeugung des Kindes vorzustellen und dabei "iiiiiiii" als Ausdruck des Ekels (für den Zeugungsakt und bezogen auf die Person des Klägers) allein und/oder nach Aufforderung des weiblichen Publikums zusammen mit diesem auszurufen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 55 % und der Beklagte 45 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist ein bekannter Schauspieler. Der Beklagte ist ein bekannter Comedian und tritt unter dem Künstlernamen "..." auf. Die Parteien streiten um Unterlassungs- und Geldentschädigungsansprüche im Zusammenhang mit dem vom Beklagten dargebotenen Bühnenprogramm "...".

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird mit der Maßgabe gem. Ziff. II.1. hinsichtlich der über den Kläger getätigten Äußerungen Bezug genommen.

Das LG hat die erstinstanzlich auf Unterlassung und Geldentschädigung gerichtete Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Abwehranspruch entsprechend § 1004 BGB stehe dem Kläger nicht zu. Zwar berührten die Äußerungen des Beklagten im Rahmen seines Bühnenprogramms den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht. Mit der Darstellung und Bewertung des Privat-, insbesondere Liebeslebens des Klägers sei unzweifelhaft sein Persönlichkeitsrecht betroffen. Gleichwohl stellten sich die streitgegenständlichen Äußerungen nicht als rechtswidrig dar, denn den im Wesentlichen der Privatsphäre des Klägers zuzuordnenden Belangen stünden überwiegende Interessen des Beklagten in Ausübung der Kunstfreiheit gegenüber. Auch die Privatsphäre berührende künstlerische Darbietungen seien zulässig, wenn sie von der Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG gedeckt seien. Ein Konflikt zwischen der Kunstfreiheitsgarantie und dem verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich des Dargestellten sei nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung zu lösen. Die Reichweite der Kunstfreiheit einerseits und des Persönlichkeitsrechts andererseits sei aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls. Die Kunstfreiheitsgarantie könne mit dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich in Konflikt geraten, weil - wie vorliegend - ein Kunstwerk auch auf der sozialen Ebene Wirkungen entfalten könne. Wenn von dem Zugriff des Künstlers auf Persönlichkeits- und Lebensdaten von Menschen seiner Umwelt der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Dargestellten betroffen sei, habe eine Güterabwägung der grundgesetzlich garantierten Rechtsbereiche zu erfolgen. Eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit der schwerwiegenden Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts reichten angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus, die Freiheit der Kunst zurücktreten zu lassen. Lasse sich hingegen eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so könne sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden. Bei der streitgegenständlichen Darstellung handele es sich um die Ausübung von Kunst im Sinne einer freien schöpferischen Gestaltung. Die Art der Darstellung sei dem Bereich der Satire bzw. der Karikatur zuzuordnen. Die nicht zu beanstandende Kernaussage unter dem Motto "Die Alten machen's in Deutschland ... selbst die Kinder" beschreibe das aktuelle gesellschaftliche Phänomen intimer Beziehungen zwischen älteren in der Öffentlichkeit stehenden erfolgreichen Männern und deutlich jüngeren attraktiven Frauen sowie insbesondere die späte Vaterschaft von Männern fortgeschrittenen Alters; diese lehne der Beklagte als unverständlich ab. Die Beziehung des Klägers zu Frau ... werde vor diesem Hintergrund als eines von mehreren Beispi...

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