Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch der Bank bei auftragswidriger Bürgschaft auf erstes Anfordern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Kontoinhaber kann von der kontoführenden Bank anstelle der Rückbuchung eines ihm zu Unrecht belasteten Betrages auch sogleich dessen Auszahlung verlangen, sofern ihm ein solcher Zahlungsanspruch ohne die rechtsgrundlose Abbuchung zugestanden hätte.

2. Hat sich die Bank auftragswidrig anstelle einer gewöhnlichen selbstschuldnerischen Bürgschaft „auf erstes Anfordern” verbürgt, steht ihr ein Aufwendungsersatz- und/oder Rückgriffsanspruch gegen ihren Auftraggeber erst zu, wenn und soweit die Berechtigung des Anspruchs, für den die Bürgschaft in Anspruch genommen worden ist, feststeht; bis dahin darf sie das Konto des Auftraggebers nicht mit dem von ihr auf erstes Anfordern geleisteten Bürgschaftsbetrag belasten.

3. Ein prozessuales Vorgehen der Bank, welches verhindern würde, dass der Auftraggeber den Streit über den materiellen Bürgschaftsfall „im Geld” führen kann, ist dann grundsätzlich als unstatthaft anzusehen (hier: Hilfswiderklage).

 

Normenkette

BGB §§ 667, 670, 675, 765, 774; ZPO § 530

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 32 O 131/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 32. Zivilkammer des LG Köln vom 26.1.2001 – 32 O 131/00 – wird zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufung haben die Beklagte 77 % und der Kläger 23 % zu tragen. Die durch die Streithilfe entstandenen Kosten tragen die Streithelfer selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Das LG hat die beklagte Bank mit Recht als verpflichtet angesehen, die Belastung des Klägers mit dem von ihr auf erstes Anfordern der Streithelfer als Bürgin geleisteten Betrag rückgängig zu machen. Die Beklagte hat sich zwar den Streithelfern gegenüber wirksam „auf erstes Anfordern” verbürgt. Da sie damit jedoch eigenmächtig von dem lediglich auf Herausgabe einer gewöhnlichen selbstschuldnerischen Bürgschaft gerichteten Auftrag des Klägers abgewichen ist, kann der Kläger sich gegenüber dem Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten mit allen Einwendungen verteidigen, die ihm gegen die Hauptforderung der Streithelfer aus dem zum 30.4.2000 beendeten Mietverhältnis zustehen. Das stellt die Beklagte im Anschluss an das Urteil des BGH vom 10.2.2000 – IX ZR 397/98 – (BHG v. 10.2.2000 – IX ZR 397/98, BGHZ 143, 381 = MDR 2000, 654 = NJW 2000, 1563) auch nicht in Frage. Entgegen der Rechtsansicht der Berufung folgt aus den dortigen Ausführungen des BGH zum Rückgriffsanspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner (unter III.2.d) der Entscheidungsgründe; Horn/Wackerbarth, WuB I F 1a. – 15.00, sehen mit Recht in diesen Ausführungen die eigentliche Bedeutung des Urteils), dass die Beklagte den Kläger im Rückgriff erst belasten darf, wenn und soweit „sich der Anspruch aus der Bürgschaft im Endergebnis ebenfalls als begründet erweist”. Solange nicht feststeht, dass die Beklagte vom Kläger Erstattung ihrer Auslagen verlangen darf, ist sie auch nicht berechtigt, sein Konto mit dem Betrag des vermeintlichen Erstattungsanspruchs zu belasten und ihn so an der Verfügung hierüber zu hindern. Angesichts der Weigerung der Beklagten, die Belastungsbuchung rückgängig zu machen, hat das LG dem Zahlungsantrag des Klägers mit Recht stattgegeben.

1. Die vom LG ausgesprochene Zahlungsverurteilung der Beklagten ist sowohl in der Hauptsache als auch im Zinsausspruch bedenkenfrei. Anstelle der bloßen Rückbuchung eines dem Kontoinhaber zu Unrecht belasteten Betrages kann der Kunde gem. §§ 667, 675 Abs. 1 BGB oder gem. §§ 700 Abs. 1, 607 Abs. 1 BGB auch sogleich Auszahlung des rückzubuchenden Betrages verlangen, sofern ihm ein solcher Zahlungsanspruch ohne die rechtsgrundlose Abbuchung zugestanden hätte (BGH v. 17.12.1992 – IX ZR 226/91, MDR 1993, 578 = NJW 1993, 735 [737]; Urt. v. 17.10.2000 – XI ZR 42/00, MDR 2001, 165 = BGHReport 2001, 20 = NJW 2001, 286). Der Zahlungsanspruch schließt insoweit den Berichtigungsanspruch mit ein. Eine unrechtmäßig erfolgte Belastungsbuchung bewirkt zwar keine materiell-rechtliche Veränderung des Forderungsbestandes im Rahmen des bankvertraglichen Verhältnisses zwischen dem Kunden und der Bank. Dieser Einwand der Berufung ist jedoch ohne Belang. Zum einen ist ein weitergehender, über die Auszahlung des Belastungsbetrages nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe (§ 288 Abs. 1 n.F. BGB) hinausgehender Schaden nicht Gegenstand der Klage. Zum anderen liegt darin, dass der Kontoinhaber durch die zu Unrecht erfolgte Belastung des Kontos tatsächlich an einer Verfügung über seine entsprechende Guthabensforderung gehindert ist, ein auf der Belastungsbuchung beruhender vermögensrechtlicher Nachteil, der als wirtschaftlicher Schaden zu qualifizieren ist (BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, MDR 1994, 1004 = NJW 1994, 2357 [2359]). Dass der gegen einen Dritten gerichtete Schadensersatzanspruch wegen einer unrichtigen Belastungsbuchung (z.B. BGH, Urt. v. 19.6.2001 – VI ZR 232/00, BGHReport 2001, 698 = MDR 2001,1178 = NJW 2001, 2629 –...

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