Leitsatz (amtlich)

›a) Führt eine Bank einen gefälschten Überweisungsauftrag aufgrund kollusiven Zusammenwirkens des Gutschriftsempfängers mit dem zuständigen Bankangestellten aus, so kann dem belasteten Kontoinhaber, obwohl die Bank das Fälschungsrisiko trägt, gegen den Gutschriftsempfänger ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB auf Beseitigung der die tatsächliche Verfügbarkeit des rechtlich ungeschmälert fortbestehenden Guthabens im Giroverkehr beeinträchtigenden unrichtigen Kontobelastung zustehen. Dieser Schadensersatzanspruch kann durch Zahlung des Überweisungsbetrages an die Bank mit der Zweckbestimmung, ihn dem belasteten Konto gutzuschreiben, erfüllt werden.

b) Hingegen kann der belastete Kontoinhaber gegen den Gutschriftsempfänger keinen Bereicherungsausgleich, weder als Leistungskondiktion noch als Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung "in sonstiger Weise", geltend machen.‹

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von 186.000 DM nebst Zinsen in Anspruch. Dieser Betrag ist im Rahmen einer Banküberweisung am 23. August 1989 dem Girokonto des Klägers bei der D.-Bank, Zweigstelle Großmarkt K., belastet und dem Privatkonto des Beklagten bei derselben Bankzweigstelle gutgeschrieben worden.

Der Beklagte war Mitgeschäftsführer und Gesellschafter der - später in Konkurs gefallenen - Y.M.-GmbH in K.. Diese hatte an den Kläger durch undatierten, von den Parteien unterzeichneten schriftlichen Vertrag eine Geschäftsfiliale auf dem Großmarkt in D. zu einem Kaufpreis von 270.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer veräußert; zur Übernahme der Kaufsache durch den Kläger ist es nicht gekommen. Der Beklagte hat am 12. Oktober 1989 von seinem Privatkonto bei der D.-Bank, Zweigstelle Großmarkt K., 270.000 DM auf das Geschäftskonto der Y.M.-GmbH bei derselben Bank überwiesen. Nach seinem Vortrag hat es sich dabei um den vom Kläger geschuldeten Kaufpreis für die Geschäftsfiliale in D. gehandelt, dessen Begleichung die zugunsten des Beklagten erfolgte Banküberweisung vom 23. August 1989, die der Kläger veranlaßt habe, zu dienen bestimmt gewesen sei. Da der hierbei dem Beklagten gutgeschriebene Überweisungsbetrag nicht ausgereicht habe, sei der Rest der Kaufpreissumme in Höhe von 84.000 DM vom Beklagten vereinbarungsgemäß vorfinanziert worden.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe den der Banküberweisung vom 23. August 1989 zugrundeliegenden Auftrag nicht erteilt; die Überweisung sei ohne sein Wissen erfolgt, die Unterschrift auf dem Überweisungsträger sei gefälscht. Die Durchführung dieser Überweisung gehe auf ein unlauteres und strafbares Zusammenwirken des Beklagten mit einem Angestellten der D.-Bank zurück, dem im Rahmen eines anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erhebliche Veruntreuungen vorgeworfen würden.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 186.000 DM nebst Zinsen an den Kläger verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage und einen im zweiten Rechtszug gestellten Hilfsantrag des Klägers, den Beklagten zur Zahlung der Klagesumme an die D.-Bank zu verurteilen, abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren nach Maßgabe seiner im Berufungsrechtszug gestellten Anträge weiter. Der zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladene Beklagte hat sich vor dem Bundesgerichtshof nicht vertreten lassen.

 

Entscheidungsgründe

I. Über die Revision ist gemäß §§ 557, 331 ZPO durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund sachlicher Prüfung zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff.).

II. Das Berufungsgericht hat den Tatsachenvortrag des Klägers als wahr unterstellt, daß die Banküberweisung vom 23. April 1989 ohne sein Wissen und Wollen erfolgt und dem Beklagten hierbei zur Last zu legen sei, mit einem Angestellten der D.-Bank zum Nachteil des Klägers zusammengewirkt zu haben. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Kläger stehe auch auf der Grundlage eines solchen Sachverhalts gegen den Beklagten weder ein bereicherungsrechtlicher Anspruch noch ein solcher aus unerlaubter Handlung zu.

Eine Leistungskondiktion des Klägers scheitere bereits daran, daß er das Vermögen des Beklagten nicht bewußt und gewollt vermehrt, somit keine Leistung an den Beklagten erbracht habe. Vielmehr könne entsprechend den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zur fehlerhaften Anweisung im Dreiecksverhältnis bei Fälschung des Überweisungsauftrags nur die D.-Bank ihre gegenüber dem Beklagten erbrachte Leistung kondizieren.

Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch stehe dem Kläger auch nicht aus § 816 Abs. 2 BGB zu, da auf der Grundlage seines Tatsachenvortrags nicht von einer Genehmigung der Überweisung ausgegangen werden könne; eine solche sei hier insbesondere nicht in der Klageerhebung gegen den Beklagten als Überweisungsempfänger zu sehen.

Der Kläger könne vom Beklagten die Rückzahlung des streitigen Betrages auch nicht wegen Bereicherung in sonstiger Weise ("Eingriffskondiktion") fordern, da der Beklagte vorrangig der Leistungskondiktion der D.-Bank ausgesetzt sei.

Die Klage sei schließlich auch nicht im Hinblick auf eine deliktische Forderung des Klägers begründet. Auch wenn man davon ausgehe, daß die Voraussetzungen eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung gemäß § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266, 27 StGB dem Grunde nach erfüllt seien, fehle es jedenfalls an einem zu ersetzenden Schaden des Klägers. Denn auf der Grundlage seines Sachvortrags sei die D.-Bank unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung des Girovertrages verpflichtet, die den Kläger belastende Kontobuchung rückgängig zu machen. Dieser Anspruch sei auch ohne weiteres durchsetzbar. Dann aber könne weder ein konkreter Schaden noch auch nur eine relevante Vermögensgefährdung auf Seiten des Klägers, dessen Bankguthaben durch die fehlerhafte Überweisung rechtlich nicht beeinträchtigt worden sei, festgestellt werden.

Auch dem im zweiten Rechtszug gestellten Hilfsantrag des Klägers müsse der Erfolg versagt bleiben. Der Kläger mache hier nicht einen möglichen Bereicherungsanspruch der D.-Bank gegenüber dem Beklagten geltend. Er könne aber vom Beklagten auch nicht verlangen, durch Zahlung der streitigen 186.000 DM an die D.-Bank von einer Verbindlichkeit befreit zu werden, da der fehlgeschlagene Überweisungsvorgang vom 23. August 1989 sein Kontoguthaben nicht reduziert und der durch die Belastungsbuchung ausgewiesene Negativsaldo keine Verbindlichkeit gegenüber der D.-Bank begründet habe.

III. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht in allem stand.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht dem Kläger einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Beklagten versagt hat. Da das Berufungsgericht zu den näheren Umständen, unter denen die streitige Banküberweisung durchgeführt worden ist, keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, vielmehr den Sachvortrag des Klägers unterstellt hat, die Überweisung sei ohne sein Wissen und Wollen durch eigenmächtiges Verhalten eines Angestellten der D.-Bank im Zusammenwirken mit dem Beklagten erfolgt, ist auch im Revisionsrechtszug von einem derartigen Sachverhalt auszugehen. Auf dieser Grundlage ist ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Klägers nicht gerechtfertigt.

a) Eine Leistungskondiktion im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative BGB scheidet bereits deswegen aus, weil der Kläger an den Beklagten keine Leistung in diesem Sinne erbracht hat, die eine bewußte und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens voraussetzen würde (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGHZ 40, 272, 277; 61, 289, 291; 69, 186, 188 f.; 105, 365, 369; 111, 382, 386).

aa) Soweit einer Giroüberweisung im Bankverkehr ein wirksamer Auftrag des anweisenden Kontoinhabers an die Bank zugunsten des Gutschriftempfängers zugrunde liegt, vollzieht sich eine bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehung grundsätzlich in zwei Richtungen: Im Deckungsverhältnis erbringt die Bank durch Ausführung des Überweisungsauftrages eine Leistung an den anweisenden Kontoinhaber, der seinerseits den Gutschriftsbetrag im Valutaverhältnis an den Überweisungsempfänger leistet (vgl. BGHZ 61, 289, 291; 87, 246, 250; 89, 376, 382). Ein erforderlicher Bereicherungsausgleich hat sich dann regelmäßig innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses zu vollziehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGHZ 87, 246, 249; 89, 376, 378; 111, 382, 385), nicht hingegen zwischen der Bank und dem Gutschriftsempfänger; zwischen letzteren besteht keine bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehung, da die durch die Bank getroffene Zweckbestimmung dahin geht, an den anweisenden Kontoinhaber aus dem Girovertrag zu leisten, nicht aber eine Leistung im Rechtssinne an den Empfänger des Überweisungsbetrages zu erbringen (vgl. dazu Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 387 ff., 394 ff.; Weitnauer in: Ungerechtfertigte Bereicherung, Symposium für Detlef König, 1984, S. 25 ff., 43).

bb) Anders ist die Lage jedoch zu beurteilen, wenn der Überweisung kein wirksamer Auftrag des belasteten Kontoinhabers zugrunde gelegen hat und der Gutschriftsempfänger hiervon Kenntnis hatte. In einem solchen Fall fehlt es an einer bereicherungsrechtlichen Leistung des belasteten Kontoinhabers (BGHZ 111, 382, 386); die überweisende Bank ihrerseits hat lediglich erfolglos versucht, eine Leistung an den belasteten Kontoinhaber zu erbringen. Hier mangelt es gänzlich an einer bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen Kontoinhaber und Gutschriftsempfänger bzw. Bank; eine Leistungskondiktion kommt daher weder im Deckungs- noch im Valutaverhältnis in Betracht.

Vielmehr kann bei einem derartigen Sachverhalt die Bank einen Bereicherungsausgleich ausnahmsweise unmittelbar gegenüber dem Überweisungsempfänger geltend machen (vgl. hierzu zum Beispiel BGHZ 66, 372, 374 f.; 87, 393, 398; BGH, Urteil vom 20. Juni 1990 - XII ZR 93/89 - WM 1990, 1280, 1281 m.w.N.).

b) Zu Recht hält das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs des Klägers auf der Grundlage des § 816 Abs. 2 BGB nicht für gegeben, da es - soweit überhaupt von einer genehmigungsfähigen Leistung der D.-Bank im Sinne dieser Bestimmung gesprochen werden könnte - jedenfalls an einer insoweit erforderlichen Genehmigung des Klägers fehlt. Das wird von der Revision auch nicht angegriffen.

c) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend auch einen Kondiktionsanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative BGB (Bereicherung "in sonstiger Weise", "Nichtleistungs-" oder "Eingriffskondiktion") verneint.

aa) Dies läßt sich allerdings nicht bereits - wie im Berufungsurteil geschehen - mit dem Hinweis darauf begründen, der D.-Bank stehe gegen den Beklagten eine vorrangige Forderung aus Leistungskondiktion zu. Denn der Bereicherungsanspruch der Bank, den diese - entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen - bei einer auf einen gefälschten Auftrag hin erfolgten Überweisung ausnahmsweise unmittelbar gegenüber dem Gutschriftsempfänger geltend machen kann, stellt seinerseits keine Leistungskondiktion dar, sondern ergibt sich aus einer Bereicherung des Beklagten "in sonstiger Weise". Denn ebensowenig, wie im Falle eines wirksam erteilten Auftrags des belasteten Kontoinhabers die Bank in Ausführung der Überweisung an deren Empfänger eine Leistung im Sinne des Bereicherungsrechts erbringt, kann von einer derartigen Leistung dann gesprochen werden, wenn sich der Auftrag, aufgrund dessen die Bank die Überweisung vornimmt, hernach als gefälscht herausstellt. Der unmittelbare Bereicherungsanspruch der vermeintlich angewiesenen Bank kann daher nur eine "Nichtleistungskondiktion" nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative BGB sein (vgl. dazu Canaris, Bankvertragsrecht, 1988, Rdn. 433; Coppensteiner/Cramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl. 1988, S. 34; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., Rdn. 85 des Anhangs nach § 365 HGB m.w.N.; Medicus, Bürgerliches Recht, 16. Aufl. 1993, Rdn. 677; Weitnauer, Festschrift v. Caemmerer, 1978, S. 255 ff., 285; Martinek, EWiR § 812 BGB 3/90, 887, 888; Menk, WuB I D 1. Bankrecht - 5.90; kritisch Lieb in Münch-Komm. zum BGB, Rdn. 58 zu § 812 BGB; für Annahme einer kondizierbaren Leistung der Bank v. Caemmerer, JZ 1962, 385, 389; die Frage wurde ausdrücklich offen gelassen in BGHZ 66, 362, 366; 66, 372, 376; 67, 75, 80; 87, 393, 398).

Dementsprechend kann einem so begründeten Bereicherungsanspruch der Bank - entgegen der Auffassung der Revision - auch dann nicht § 814 BGB entgegenstehen, wenn sich die Bank das Verhalten ihres ungetreuen Angestellten, der von der Fälschung des Überweisungsauftrags Kenntnis hatte, als ihres Wissensvertreters zurechnen lassen muß; denn § 814 BGB findet nur bei einem Bereicherungsanspruch aufgrund einer zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit erbrachten Leistung Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1986 - II ZR 75/85, WM 1986, 1324, 1325). Andererseits kann ein derartiger, nicht auf einer Leistungskondiktion beruhender Bereicherungsanspruch der Bank auch nicht im Hinblick auf den Vorrang einer Leistungsbeziehung eine "Nichtleistungskondiktion" des belasteten Kontoinhabers gegen den Gutschriftsempfänger ausschließen.

bb) Ein Bereicherungsanspruch des belasteten Kontoinhabers gegen den Empfänger der Gutschrift unter dem Gesichtspunkt der Bereicherung "in sonstiger Weise" scheitert jedoch daran, daß der Beklagte die in der Gutschrift liegende Bereicherung nicht "auf Kosten" des Klägers erlangt hat, da die Bereicherung des Beklagten nicht in der gebotenen Weise mit einer Entreicherung des Klägers korrespondiert. Der dem Beklagten durch die Gutschrift auf seinem Konto zur Verfügung gestellte Überweisungsbetrag findet sein Gegenstück nicht in einem entsprechenden Vermögensverlust auf Seiten des Klägers. Dessen vor der Durchführung der Überweisung vorhandenes Kontoguthaben wurde rechtlich nicht vermindert.

Denn im Überweisungsverkehr trifft grundsätzlich die Bank und nicht den Kunden das Risiko der Fälschung des Überweisungsauftrags (vgl. BGH, Urteile vom 3. März 1966 - II ZR 18/64 - WM 1966, 396, 397; vom 18. Oktober 1967 - I b ZR 169/65 - WM 1967, 1142; vom 20. Juni 1990 - XII ZR 93/89 - aaO.; vom 3. November 1992 - XI ZR 56/92 - ZIP 1993, 29, 31); den getroffenen Feststellungen ist nichts dafür zu entnehmen, daß im vorliegenden Fall ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte. Bleibt aber der belastete Kontoinhaber der Bank gegenüber Gläubiger einer ungeschmälerten Guthabensforderung aus dem Girovertrag und ist die Bank lediglich verpflichtet, die unrichtige Belastungsbuchung zu korrigieren, so ist der Überweisungsempfänger durch die Gutschrift nicht auf Kosten des belasteten Kontoinhabers bereichert, sondern allein auf Kosten der Bank. Dann aber steht dem belasteten Kontoinhaber auch kein Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger zu (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1990 - XII ZR 93/89 - aaO.).

Zwar treffen den vermeintlichen Auftraggeber der Überweisung, dessen Konto mit dem Überweisungsbetrag zu Unrecht belastet worden ist, durchaus relevante Beeinträchtigungen, etwa in der tatsächlichen Verfügbarkeit über sein Guthaben, im Rahmen der Notwendigkeit, bei der Bank die Wiedergutschrift zu erwirken etc.; diese Nachteile korrespondieren aber nicht im kondiktionsrechtlichen Sinne mit einer Bereicherung des Gutschriftempfängers, die dieser auf der Grundlage des § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative BGB herauszugeben hätte.

2. Das Berufungsgericht hat die Klage auch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung für nicht begründet erachtet, da es jedenfalls an einem Schaden des Klägers fehle. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Im Berufungsurteil wird offen gelassen, ob dem Beklagten im Zusammenhang mit dem Überweisungsvorgang eine unerlaubte Handlung oder gar eine Straftat zum Nachteil des Klägers zur Last zu legen ist und ihn daher dem Grunde nach eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Kläger nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266, 27 StGB trifft. Da das Berufungsgericht den einen derartigen Anspruch schlüssig darlegenden Tatsachenvortrag des Klägers unterstellt hat, ist hiervon auch im Revisionsverfahren auszugehen. Dann aber kann ein Ersatzanspruch des Klägers nicht schlechthin mit der Begründung verneint werden, es fehle an einem Schaden.

a) Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zu folgen, daß auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers (wobei im Berufungsurteil nach der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug nachgebrachter Vortrag verfahrensfehlerfrei nicht mehr berücksichtigt worden ist) kein Schaden des Klägers dahin festgestellt werden kann, sein Vermögen sei infolge der Durchführung der streitigen Banküberweisung um 186.000 DM vermindert worden. Dementsprechend ist der mit der Klage zunächst allein geltend gemachte und im Berufungsrechtszug im Hauptantrag des Klägers aufrechterhaltene Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzbetrages in dieser Höhe an den Kläger selbst nicht begründet.

aa) Die auf dem Girokonto des Klägers aufgrund eines dem Kontoinhaber nicht zurechenbaren, vielmehr gefälschten Überweisungsauftrags vorgenommene Belastungsbuchung hat keine materiell-rechtliche Veränderung des Forderungsbestandes im Rahmen des bankvertraglichen Verhältnisses zwischen D.-Bank und Kläger bewirkt. Da die Bank - wie bereits ausgeführt - das Fälschungsrisiko im Überweisungsverkehr trägt, ist das Guthaben aus dem Giroverhältnis der Sache nach in unveränderter Höhe bestehen geblieben; andererseits ist, auch wenn infolge der Belastungsbuchung formal nunmehr ein negativer Kontostand ausgewiesen ist, hierdurch nicht etwa konstitutiv eine Verpflichtung des Klägers gegenüber der Bank begründet worden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1967 - I b ZR 168/65 - WM 1968, 214, 215; Canaris, aaO., S. 366 f.). Vielmehr hat der Kläger gegen die Bank einen Anspruch auf Wiedergutschrift, der seinem Inhalt nach jedoch lediglich auf Berichtigung des derzeit fehlerhaft ausgewiesenen Kontostandes gerichtet ist. Da der Kläger somit den Überweisungsbetrag von 186.000 DM als Bestandteil seines Vermögens nicht verloren hat, hat er auch keinen hierauf gerichteten Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten.

bb) Insoweit geht auch die Rüge der Revision fehl, einem Ersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Schadensausgleich könne nicht entgegengehalten werden, daß die Bank ihrerseits zur Schadensbeseitigung verpflichtet sei. Zwar darf ein Schädiger in der Tat einen Geschädigten in der Regel nicht auf einen der Beseitigung des Vermögensverlustes dienenden Anspruch gegen einen anderen am Schadensereignis Mitverantwortlichen verweisen (vgl. BGHZ 120, 261, 268; Senatsurteil vom 22. Februar 1972 - VI ZR 215/70 - WM 1972, 560, 561; BGH, Urteil vom 27. Februar 1975 - II ZR 112/72 -, WM 1975, 467, 470). Hierum geht es jedoch, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, im vorliegenden Zusammenhang nicht. Vielmehr hat der Kläger, weil sich sein Bankguthaben rechtlich im Rahmen des Girovertrages mit der D.-Bank der Höhe nach auch nach Durchführung des gefälschten Überweisungsauftrages nicht anders darstellt als zuvor, keinen die Substanz und den der Höhe nach ungeschmälerten Bestand seiner Guthabensforderung betreffenden Schaden.

b) Indessen ist der Kläger, solange die Belastungsbuchung nicht rückgängig gemacht und dementsprechend auf seinem Girokonto im Bankverkehr (fälschlich) kein Guthaben, sondern ein Debetsaldo ausgewiesen ist, Beeinträchtigungen von vermögensrechtlicher Relevanz ausgesetzt, die sich - auch wenn ihm die Guthabensforderung als solche der D.-Bank gegenüber rechtlich weiterhin in voller Höhe zusteht - als ersatzfähiger Schaden im Sinne des § 249 BGB darstellen.

aa) Zwar drückt sich ein Vermögensschaden im Rahmen der im Schadensersatzrecht grundsätzlich vorzunehmenden Differenzrechnung (vgl. dazu BGHZ 99, 182, 196 m.w.N.) als Minderung von Aktiv- oder Vermehrung von Passivposten aus, dabei sind jedoch im Hinblick auf einen auch normativen Schadensbegriff (vgl. dazu BGHZ 50, 304, 306) die in die Differenzbilanz einzusetzenden Rechnungsposten wertend zu bestimmen (vgl. BGHZ 98, 212, 217). Im Hinblick darauf kann eine auf den Ausgleich von Vermögensschäden ausgerichtete Differenzrechnung nicht außer Acht lassen, daß Wesen und Bedeutung des Vermögens sich nicht in dessen Bestand erschöpfen, sondern daß sie auch die im Vermögen verkörperten Möglichkeiten für den Vermögensträger umfassen, mit ihm im Sinne der im Vermögensgegenstand angelegten Funktionsbestimmung zu verfahren und darüber zu verfügen (vgl. BGHZ 98, 212, 218).

bb) Demgemäß dürfen bei der Schadensermittlung auch diejenigen vermögensrechtlichen Beeinträchtigungen nicht vernachlässigt werden, denen sich ein Kontoinhaber in der Lage des Klägers im Rahmen des Bankverkehrs, wie er im heutigen Wirtschaftsleben standardisiert als Massengeschäft abläuft, tatsächlich ausgesetzt sieht.

Das Girokonto verleiht dem Inhaber entsprechend der Ausgestaltung des Girovertrags ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich der Verfügbarkeit über das im jeweiligen Kontoguthaben verkörperte "Buchgeld" und damit des Vermögenswertes, der rechtlich in der betreffenden Guthabensforderung gegen die Bank besteht. Im Rahmen dieses Guthabens oder der ihm zur Kontoüberziehung vertraglich üblicherweise eingeräumten Kreditlinie kann der Kontoinhaber jederzeit kurzfristig mittels Banküberweisung, Begebung von Schecks, Erteilung von Lastschrift- und Einziehungsermächtigungen, Barabhebungen (gegebenenfalls auch unter Nutzung der Bankautomaten) etc. Verfügungen treffen.

Diese für die wirtschaftliche Disposition und den Einsatz seines im Kontoguthaben bestehenden Vermögenswertes wesentliche freie Verfügbarkeit ist aber in der täglichen Praxis des als Massengeschäft betriebenen Giroverkehrs nicht nur davon abhängig, daß dem Kontoinhaber eine entsprechende Guthabensforderung (oder eine Kreditlinie) gegen die Bank rechtlich zusteht, sondern auch davon, daß in der Kontoführung für diesen Kontoinhaber der zutreffende Kontostand auch tatsächlich ausgewiesen ist. Insoweit kommt der im jeweiligen Kontoauszug niedergelegten "Buchposition" eine für die Verfügbarkeit über den Vermögenswert faktisch entscheidende Bedeutung zu. Der Kontoinhaber, dessen Konto zu Unrecht wegen einer aufgrund gefälschten Auftrags erfolgten Überweisung belastet worden ist und daher im Buchungssystem der Bank und dem erteilten Kontoauszug nunmehr statt eines Guthabens einen Debetsaldo aufweist, kann - obwohl sich rechtlich gesehen an seiner Guthabensforderung nichts geändert hat - dennoch in der Lebenswirklichkeit die aufgrund der Regelungen des Giroverkehrs möglichen Verfügungen nicht frei treffen.

Denn die Abwicklung des alltäglichen (zudem weitgehend automatisierten) Zahlungsverkehrs der Bank ist am jeweiligen im Buchungssystem dokumentierten Kontostand ausgerichtet; dementsprechend ist der Kläger, wenn und solange er als Kontoinhaber zu Unrecht durch die Überweisungsbuchung belastet ist, tatsächlich nicht in der Lage, über sein Konto mittels Scheck, Überweisung, Abhebung etc. in der Weise zu verfügen, wie es seiner rechtlich bestehenden Guthabensforderung entsprechen würde. Hierin liegt ein vermögensrechtlicher Nachteil, der als wirtschaftlicher Schaden zu qualifizieren ist und unmittelbar auf der Belastungsbuchung beruht.

cc) Dieser Schaden besteht unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sich im weiteren Verlauf der Dinge zusätzliche Schadenspositionen dadurch ergeben, daß etwa die Bank einen begebenen Scheck tatsächlich nicht einlöst, einen Wechsel zu Protest gehen läßt oder eine Überweisung nicht ausführt, so daß sich der Kontoinhaber seinerseits Regreßansprüchen seiner Gläubiger etc. ausgesetzt sieht. Daß konkret derartige nachteilige Entwicklungen hier drohten oder bereits eingetreten wären, ist nicht festgestellt und dem Vortrag des Klägers auch nicht zu entnehmen. Bei derartigen Manifestationen einer durch die Belastungsbuchung hervorgerufenen weitergehenden Vermögensgefährdung des Klägers würde es sich jedoch nur um Folgeschäden der dargestellten Beeinträchtigung des Klägers in der wirtschaftlichen Verfügbarkeit seines Guthabens handeln, die ihrerseits bereits einen ausgleichspflichtigen Schaden darstellt.

c) Ist demnach - wovon in der Revisionsinstanz auszugehen ist - der Beklagte für die aufgrund des gefälschten Überweisungsauftrags zu Unrecht vorgenommene Belastung des Girokontos des Klägers deliktsrechtlich verantwortlich, so ist der hieraus resultierende Schadensersatzanspruch des Klägers im Sinne des § 249 Satz 1 BGB auf Beseitigung der unrichtigen Kontobelastung durch Herbeiführung einer entsprechenden Gutschrift der D.-Bank gerichtet. Diesem so bestimmten Schadensersatzanspruch kann der Beklagte nicht entgegenhalten, daß der Kläger aus dem Girovertrag auch von der Bank unmittelbar eine Korrektur der unrichtigen Kontobelastung verlangen kann. Denn insoweit verbleibt es bei dem bereits dargelegten Grundsatz, daß sich der Schädiger nicht darauf berufen kann, dem Geschädigten stehe auch gegen einen Dritten ein Anspruch zu, der zum Ausgleich seiner Vermögensbeeinträchtigung führen kann.

Einen Schadensersatzanspruch mit diesem möglichen Inhalt hat der Kläger vorliegend im Rahmen seines im Berufungsrechtszug gestellten Hilfsantrags geltend gemacht, der dahin ausgelegt werden kann, daß durch die vom Kläger begehrte Zahlung des Überweisungsbetrags an die D.-Bank (mit der Zweckbestimmung, den Betrag dem belasteten Konto des Klägers gutzuschreiben) der in der "Buchbelastung" liegende Schaden des Klägers beseitigt werden soll.

d) Bei dieser Sachlage durfte das Berufungsgericht den Hilfsantrag des Klägers nicht ohne Klärung der Frage abweisen, ob die Voraussetzungen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs des Klägers dem Grunde nach erfüllt sind.

III. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben, soweit die Klage auch mit dem im Berufungsrechtszug gestellten Hilfsantrag abgewiesen worden ist. In diesem Umfang war die Sache gemäß § 565 Abs. 1 ZPO zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993273

BB 1994, 2166

DB 1994, 1973

NJW 1994, 2357

BGHR BGB § 249 Vermögensschaden 14

BGHR BGB § 812 Abs. 1 Eingriffskondiktion 3

BGHR BGB § 812 Abs. 1 Leistungskondiktion 1

DRsp I(144)136c

DRsp I(145)415a

DRsp II(224)217d (Ls)

WM 1994, 1420

ZIP 1994, 1098

JuS 1995, 74

MDR 1994, 1004

VersR 1994, 1077

ZBB 1994, 270

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