Leitsatz (amtlich)

1. Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter binnen drei Monaten seit der Beschlussfassung durch Klage angefochten werden können, so genügt die Einreichung eines PKH-Gesuchs zur Wahrung der Frist nicht.

2. Der Ausschluss des Abfindungsanspruchs eines Gesellschafters ist auch im Falle der Ausschließung aus wichtigem Grund unwirksam; eine solche Regelung kann auch nicht als Vertragsstrafeversprechen ausgelegt werden.

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Urteil vom 29.02.2012; Aktenzeichen 5 O 14/11 KfH)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Baden-Baden vom 29.2.2012, 5 O 14/11, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der auf den Gesellschafterversammlungen vom 14.12.2010 und 30.12.2010 der S-GmbH jeweils zum Tagesordnungspunkt 1.2 gefasste Beschlussteil: es wird festgestellt, dass nach § 10 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages ein Abfindungsentgelt nicht geschuldet ist. Hilfsweise wird festgestellt, dass das Abfindungsentgelt nur nach Maßgabe eines Gerichtsurteils geschuldet ist, mit welchem die im Ausschluss des Abfindungsanspruchs liegende Vertragsstrafe herabgesetzt wird, nichtig ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weiter gehende Berufung zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ficht als GmbH-Gesellschafterin mehrere Beschlüsse an, die in den Gesellschafterversammlungen vom 24.11., 14.12. und 30.12.2010 gefasst wurden.

Am 14. und 30.12 wurden folgende Beschlüsse gefasst:

TOP 1.1: Es wird festgestellt, dass in der Person der Gesellschafterin M. wichtige Gründe vorliegen, die dazu berechtigen, die Gesellschafterin aus der S-GmbH auszuschließen.

TOP 1.2: Die Gesellschafterin M. wird nach § 7 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages aus der S-GmbH ausgeschlossen; es wird festgestellt, dass nach § 10 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages ein Abfindungsentgelt nicht geschuldet ist. Hilfsweise wird festgestellt, dass das Abfindungsentgelt nur nach Maßnahme eines Gerichtsurteils geschuldet ist, mit welchem die im Ausschluss des Abfindungsanspruchs liegende Vertragsstrafe herabgesetzt wird.

TOP 1.3: Die Ausschließung der Gesellschafterin M. nach § 7 Z. 1 des Gesellschaftsvertrages wird mit sofortiger Wirkung beschlossen, die mit dem Zugang der förmlichen Mitteilung über den heutigen Beschluss bei der Gesellschafterin M. eintritt, spätestens aber mit Ablauf des 20.12.2010. Die Geschäftsführung wird ersucht, der Gesellschafterin M. die Einziehung schriftlich förmlich unter Beifügung eines Auszugs aus dem Protokoll über die heutige Versammlung mitzuteilen.

TOP 1.4/1.5: Zum Zwecke des Vollzugs der Ausschließung wird die Einziehung des Geschäftsanteils der Gesellschafterin M. i.H.v. 12.400 EUR, der die Nr. 5 in der Liste der Gesellschafter trägt, beschlossen. Die Einziehung ist wirksam, ohne dass es auf das Bestehen eines Abfindungsanspruchs dem Grunde nach oder auf die Höhe eines solchen Anspruchs ankommt. Für die Zwecke der Durchführung der Einziehung wird vorsorglich- unbeschadet der Rechtsauffassung der Gesellschaft zur Frage eines etwaigen Abfindungsanspruchs - die Schaffung einer Rücklage nach 272 II Nr. 4 HGB beschlossen, welche Zahlungen der Gesellschaft auf einen etwaigen Abfindungsanspruch ohne Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetz ermöglicht. Die Geschäftsführung wird ersucht, zu gegebener Zeit Zusagen zur Dotierung der Rückstellung einzuholen.

TOP 1.6a): "Die Einziehung des Geschäftsanteils der Gesellschafterin M. i.H.v. 12.400 EUR, der die Nr. 51 in der Liste der Gesellschafter trägt (statt einer Abtretung - vgl. § 9 Ziff. 3 des GmbH-Gesellschaftsvertrags), wie sie bereits zum Zwecke des Vollzugs der Ausschließung beschlossen wurde, soll auch zum Zwecke des Vollzugs des Austritts dienen, falls dieser rechtlich maßgeblich für das Gesellschafterausscheiden sein sollte. Sie soll mithin von der Fassung der Beschlüsse zur Gesellschafterausschließung (1., 1. bis 1., 3.) unabhängig sein. Maßgeblicher Stichtag ist in diesem Fall der 31.12.2010, 14.00 Uhr. Auch in diesem Fall wird der Gesellschaftsanteil der ausgeschlossenen Gesellschafterin eingezogen, ohne dass die Einziehung von der Entrichtung eines Abfindungsentgelts (nach § 9 Ziff. 4 des GmbH-Gesellschaftsvertrages i.V.m. § 10) abhängt."

TOP 1.6 b): Zum Zwecke der Durchführung der Einziehung soll - unbeschadet der Rechtsauffassung der Gesellschaft zu 1, 3 bis I, 5 - die nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB geschaffene Rücklage such für Zwecke des Vollzugs des Austritts dienen falls die erklärte Austrittskündigung rechtlich maß...

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