Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht des Hauseigentümers bei Schneefall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Eigentümer eines Wohnhauses hat im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich dafür zu sorgen, dass eine Postzustellerin den neben dem Hauseingang befindlichen Wohnungsbriefkasten auch bei Schneefall gefahrlos erreichen kann. Welche Bereiche eines Fußwegs auf dem Grundstück aus diesem Grund zu räumen und abzustreuen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

2. Stürzt eine Fußgängerin bei Schnee, ist in der Regel nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass der Sturz durch Schneeglätte oder durch unter dem Schnee befindliches Eis verursacht wurde. Im Wege des Anscheinsbeweises ist außerdem anzunehmen, dass die Unfallstelle zum Zeitpunkt des Sturzes nicht hinreichend geräumt und abgestreut war.

3. Auch der Sturz einer Postzustellerin auf einer an sich nicht streupflichtigen Fläche eines Grundstücks kann durch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verursacht sein, wenn die Geschädigte zum Zeitpunkt des Unfalls nicht erkennen konnte, wo ein gefahrloser Zugang zum Wohnhaus des Grundstückseigentümers möglich gewesen wäre. Der Beweis für solche Umstände obliegt der Geschädigten.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 840 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 06.08.2014; Aktenzeichen 6 O 233/13 B)

 

Tenor

Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Konstanz vom 06.08.2014 - B 6 O 233/13 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist als Briefzustellerin bei der Deutschen Post AG beschäftigt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit warf sie am 22.02.2013 gegen 15.30 Uhr eine Postsendung in den Briefkasten des Anwesens Hohensteinstr. 19 in 88633 H.. Der Briefkasten befindet sich an der Außenwand des Gebäudes. Von der Straße läuft ein gepflasteter Zugangsweg auf dem Grundstück zum Briefkasten und zur Hauseingangstür. Parallel zu diesem Zugangsweg verläuft eine Pkw-Zufahrt, die auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks zu einer Garage führt. Die Pkw-Zufahrt und der Zugangsweg zum Hauseingang unterscheiden sich im Bodenbelag; Zugangsweg und Einfahrt sind jedoch räumlich nicht voneinander getrennt. Das Anwesen Hohensteinstr. 19 in H. befand und befindet sich im hälftigen Miteigentum der Beklagten.

Nachdem die Klägerin die Briefsendung in den Briefkasten eingeworfen hatte, stürzte sie auf dem Rückweg zu ihrem Fahrzeug. Die Klägerin zog sich dabei schwerwiegende Verletzungen zu (Oberschenkelhalsbruch mit längerfristigen Folgen). Zum Zeitpunkt des Sturzes herrschte in H. unstreitig Schneefall.

Die Klägerin hat im Verfahren vor dem LG von der Beklagten als Miteigentümerin des Anwesens Hohensteinstr. 19 in H. Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangt. Der gesamte Bereich der Einfahrt und des Zugangsweges für Fußgänger sei mit Schnee bedeckt gewesen. Wegen der Schneedecke seien Einfahrt und Zugangsweg nicht unterscheidbar gewesen. Der Sturz sei durch Glätte verursacht worden; wahrscheinlich habe sich unter der dünnen Schneedecke eine Eisplatte befunden. Die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann (als damaliger Miteigentümer) seien für die materiellen und immateriellen Folgen des Sturzes verantwortlich. Zugangsweg und Einfahrt seien zum Zeitpunkt des Unfalls nicht geräumt und nicht gestreut gewesen. Daraus ergebe sich eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.

Die Beklagte ist der Klage mit verschiedenen Einwendungen entgegengetreten.

Das LG hat die Parteien persönlich und insgesamt 8 Zeugen zu dem Unfallereignis und zu den örtlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt des Unfalls vernommen. Mit Urteil vom 06.08.2014 hat das LG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe den erforderlichen Beweis für eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte nicht geführt. Zwar stehe fest, dass der Sturz der Klägerin auf dem betreffenden Grundstück erfolgt sei. Der erforderliche Beweis, dass die Beklagte und ihr verstorbener Ehemann den Bereich des Fußweges zum Hauseingang nicht geräumt und gestreut hatten, sei jedoch nicht geführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie hält an ihrem erstinstanzlichen Vortrag fest. Die Klägerin beanstandet das erstinstanzliche Urteil aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen. Zum Einen habe das LG die Beweislast hinsichtlich der Räum- und Streupflicht verkannt. Zum Anderen habe die Klägerin - entgegen der Auffassung des LG - den erforderlichen Beweis für eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte nach der Vernehmung des Zeugen F. geführt.

Die Klägerin beantragt:

1. Das am 06.08.2014 verkündete Urteil des LG Konstanz, AZ: B 6 O 233/13, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 977,24 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über ...

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