Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtstellung des Grundpfandgläubigers nach Zwangsversteigerung eines Grundstücks in der Insolvenz des Grundstückseigentümers

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Anspruch eines Gläubigers auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse gem. § 106 Abs. 1 S. 1 InsO setzt voraus, dass zu seinen Gunsten bereits vor Insolvenzeröffnung eine Vormerkung entstanden ist.

 

Normenkette

InsO § 51 Nr. 1, § 106 Abs. 1 S. 1, § 170 Abs. 1 S. 2; BGB § 883 Abs. 1, § 1179a Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 14.07.2010; Aktenzeichen 3 U 23/10)

LG Siegen (Urteil vom 14.10.2009; Aktenzeichen 5 O 205/09)

BGH (Urteil vom 11.12.2008; Aktenzeichen IX ZR 194/07)

BGH (Urteil vom 09.03.2006; Aktenzeichen IX ZR 11/05)

BGH (Beschluss vom 13.06.2002; Aktenzeichen V ZB 30/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.04.2012; Aktenzeichen V ZR 270/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14.10.2009 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von 27.003,35 EUR, die dieser aus der Zwangsversteigerung des im Grundbuch von Z1 Bl. … eingetragenen Grundstücks aufgrund materieller Verzichtserklärung der Gläubigerin des Rechts Abt. III Nr. 3a, der Volksbank E eG, erhalten hat. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Klägerin stehe der anteilige Versteigerungserlös zu, da ihr die Rückgewähransprüche vor Insolvenzeröffnung abgetreten worden seien. Die damit erlangte Rechtsposition der Klägerin sei als hinreichend gesichert anzusehen. Anfechtungstatbestände lägen nicht vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Die Klage sei nicht begründet, da die Abtretung der Rückgewähransprüche zugunsten der Klägerin nicht zu einer insolvenzbeständigen Rechtsposition geführt habe. Zudem unterliege die Abtretung des Rückgewähranspruchs der Insolvenzanfechtung.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 14.10.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Siegen die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie weist insbesondere darauf hin, durch die Kündigung der Volksbank E eG vom 06.02.2006 sowie durch die Abtretungsanzeige vom 16.05.2006 und deren Beachtung durch die Volksbank E eG eine endgültig gesicherte Rechtsposition erlangt zu haben.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch weder aus § 106 Abs. 1 S. 1 InsO, §§ 1179 a Abs. 1 S. 3, 1192 Abs. 1 BGB noch aus §§ 170 Abs. 1 S. 2, 51 Nr. 1 InsO zu.

1. § 106 Abs. 1 S. 1 InsO, §§ 1179 a Abs. 1 S. 3, 1192 Abs. 1 BGB

Nach § 106 Abs. 1 S. 1 InsO kann ein Gläubiger Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, wenn und soweit zu seinen Gunsten durch eine Vormerkung der Anspruch auf Aufhebung eines Rechts gesichert ist. §§ 1179 a Abs. 1 S. 3, 1192 Abs. 1 BGB bestimmen, dass der Anspruch auf Löschung vorrangiger Grundpfandrechte zugunsten des Gläubigers einer Grundschuld nach § 1179 a Abs. 1 S. 1 BGB in gleicher Weise gesichert ist, als wenn eine Vormerkung eingetragen wäre. Auf dieser Grundlage kann die Klägerin den Klageanspruch nicht herleiten, da zu ihren Gunsten bis zur Insolvenzeröffnung keine Vormerkung entstanden war. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

§ 1179 a Abs. 1 S. 3 BGB ist eine Rechtsgrundverweisung und nicht eine bloße Rechtsfolgenverweisung zu §§ 883 ff. BGB. Deshalb hätten die Voraussetzungen des § 883 Abs. 1 BGB gegeben sein müssen.

§ 883 Abs. 1 S. 1 BGB setzt einen Anspruch auf Aufhebung eines Grundstücksrechtes voraus. Ein entsprechender Löschungsanspruch ergibt sich nach § 1179 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn sich Eigentum und Grundschuld in einer Person vereinen. Diese Voraussetzung ist gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1168 Abs. 1, 2 BGB erst nach der Insolvenzeröffnung eingetreten, da die Volksbank durch Erklärung vom 21.10.2008 auf die zu ihren Gunsten eingetragene Grundschuld verzichtete. In diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin aber keine Rechte an der Insolvenzmasse mehr erwerben (§ 91 InsO).

§ 883 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB findet Anwendung, wenn eine Vormerkung zukünftige Ansprüche absichert. Das setzt voraus, dass der zukünftige Anspruch eine feste, seine Gestaltung bestimmende Grundlage hat. Das ist zu verneinen, wenn der Schuldner selbst oder im Zusammenwirken mit Dritten darüber bestimmt, ob der Anspruch entsteht. Im Rahmen von §§ 1192 A...

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