Leitsatz (amtlich)

Entspricht die Widerrufsbelehrung zu einem Verbraucherdarlehensvertrag inhaltlich oder in der äußeren Gestaltung nicht vollständig dem Muster der Anl. 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F., weil der Unternehmer den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat, greift die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1, Abs. 3 BGB-InfoV a.F. nicht. Die Widerrufsbelehrung genügt auch nicht den Anforderungen des § 355 BGB a.F., wenn sie durch Unklarheiten hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist dem Verbraucher die Rechtslage nicht hinreichend deutlich und zutreffend vor Augen führt. Etwaige Gründe des Verbrauchers für einen Widerruf sind nach §§ 495 I, 355 I 1,2, III 3 BGB a.F. rechtlich unerheblich.

 

Normenkette

BGB §§ 495, 355, 242

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 19.10.2015; Aktenzeichen 1 O 57/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.10.2015 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bochum abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.726,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.03.2015 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückabwicklung eines im Jahre 2010 geschlossenen Darlehensvertrages.

Die Parteien schlossen am 12./19.04.2010 unter der Darlehensnummer .../... einen Darlehensvertrag über 200.000,- EUR für eine Laufzeit von 20 Jahren zu einem Zinssatz von 4,49 %. Die Mittel dienten dem Erwerb eines Einfamilienhauses. Die Klägerin unterzeichnete den Vertrag am 19.04.2010 in den Geschäftsräumen der Beklagten; der Vertrag war zuvor jedenfalls von einem Mitarbeiter der Beklagten bereits am 12.04.2010 vorbereitet und unterschrieben worden.

In der am 19.04.2010 erteilten Widerrufsbelehrung heißt es u.a.:

"Widerrufsbelehrung für Verbraucherdarlehensverträge

...

Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (einem Monat)1 ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen

  • ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
  • die Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder Ihres Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurden.

...

——————————————————————————————————————————————————-

1 Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann."

Anlässlich des Verkaufs des Objekts und der damit verbundenen vorzeitigen Ablösung des Darlehens im Juli 2014 verlangte die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 23.726,59 EUR, welche die Klägerin u.a. unter dem Vorbehalt zahlte, die Widerrufsbelehrung überprüfen zu lassen. Die Entschädigung verlangt die Klägerin mit der Klage zurück, da sie der Auffassung ist, dass die ihr 2010 erteilte Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen sei und aufgrund ihres unstreitig erklärten Widerrufs nicht geschuldet werde.

Die Klägerin hat gerügt, dass die Widerrufsbelehrung offen lässt, ob eine Frist von zwei Wochen oder einem Monat gelte. Der Hinweis am Ende der Belehrung ändere nichts daran, zumal er auch extrem klein gedruckt sei und nicht dem Deutlichkeitsgebot entspreche. Missverständlich sei ferner die Formulierung "einen Tag, nachdem"; der Verbraucher wisse nicht, ob es einen weiteren Tag gebe, ab dem die Frist beginne oder lediglich § 187 BGB klargestellt werde. Die Formulierung "ein Exemplar" entspreche nicht der Musterbelehrung und lasse den Schluss zu, dass die Aushändigung der Belehrung nach Vertragsschluss erfolgen könne, gleichwohl aber die Zweiwochenfrist gelte. Überflüssig sei auch die Formulierung "Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen". Unzutreffend sei der Hinweis "Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen... erfüllen". Der Verbraucher werde nur über seine Pflichten, nicht über seine Rechte informiert. Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1, 3 BGB-InfoV komme der Beklagten nicht zugute, da sie die amtliche Musterwiderrufsbelehrung nicht verwendet habe.

Die Beklagte hat vorgetragen, die alternative Belehrung über die Widerrufsfrist von 2 Wochen bzw. einem Monat sei nicht verwirrend, da die Fußnote die erforderliche Erläuterung gebe. Für den Kunden sei erkennbar gewesen, dass die Frist von 2 Wochen gelte, weil die Widerrufsbelehrung im Vertragstext selbst enthalten und bei Abschluss des Vertrages am 19.04.2010 gesondert unterzeichnet worden sei. Ein Mi...

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