Leitsatz (amtlich)

Eine rückwirkende Änderung des Kostenverteilungsschlüssels, die auf der Grundlage einer Öffnungsklausel durch Mehrheitsbeschluss vorgenommen wird, führt regelmäßig zu einer unbilligen Benachteiligung der betroffenen Wohnungseigentümer und ist deshalb insoweit für ungültig zu erklären.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 4, § 23

 

Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 15.11.2005; Aktenzeichen 3 T 32/005)

AG Münster (Aktenzeichen 28 II 86/04 WEG)

 

Tenor

Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels werden der angefochtene Beschluss teilweise aufgehoben und der Beschluss des AG vom 1.3.2005 abgeändert wie folgt neu gefasst:

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 16.7.2004 zu Tagesordnungspunkt 2 wird insoweit für ungültig erklärt, als er den Kostenverteilungsschlüssel rückwirkend für die Zeit vor dem 16.7.2004 abändert.

Der Beschluss zu TOP 4 wird insgesamt für ungültig erklärt.

Der weitergehende Beschlussanfechtungsantrag der Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten für das Verfahren aller drei Instanzen tragen die Beteiligte zu 1) einerseits und die Beteiligten zu 2) bis 5) andererseits je zur Hälfte. Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

Der Gegenstandswert für das Verfahren dritter Instanz wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Miteigentümer der oben bezeichneten Wohnungseigentumsanlage, die Beteiligte zu 2) ist zugleich Verwalterin. Die Beteiligte zu 1) ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 8.

Das Wohnungseigentum ist durch Teilungserklärung vom 15.6.1978 (Urk.-Nr. .../1978 des Notars L in N) begründet worden. Nach der Teilungserklärung besteht die Wohnung Nr. 8 aus Ess-, Wohn- und Schlafraum, Küche, Diele, Abstellraum und Bad/WC sowie zwei Balkonen und einem Kellerraum. Durch eine nachträgliche Änderung der Teilungserklärung wurde an der im Gemeinschaftseigentum stehenden Dachterrasse ein Sondernutzungsrecht für den Eigentümer der Wohnung Nr. 8 begründet. Die Beteiligte zu 1) errichtete auf der Dachterrasse einen Wintergarten mit einer Fläche von 13,65 qm, in dem sich zumindest ein Heizkörper befindet, der an die Heizungsanlage des Hauses angeschlossen ist.

Im Sondereigentum der Beteiligten zu 1) stehen ferner die nunmehr als Wohnung Nr. 8a bzw. "Sauna" bezeichneten Räumlichkeiten mit einer Gesamtfläche von 25,62 qm. Diese befinden sich im Keller des Hauses. Die Ersteigentümerin beabsichtigte ursprünglich, sie als Appartement auszuweisen, was jedoch bauordnungsrechtlich nicht zulässig war. Durch die ursprüngliche Teilungserklärung wurde an diesen Räumen, die im Aufteilungsplan mit "App./Abst./Bad" bezeichnet waren, daher zunächst kein Sondereigentum begründet. Sie wurden erst später durch die teilende Eigentümerin aufgrund eines Vorbehaltes in den Kaufverträgen dem Sondereigentum der Wohnung Nr. 1 des Aufteilungsplanes zugeordnet, in der Folge dann zunächst der Wohnung Nr. 9 und schließlich der Wohnung der Beteiligten zu 1). In diesen Räumlichkeiten waren von Anfang an zwei Heizkörper vorhanden. 1998 richtete die Beteiligte zu 1) dort eine Sauna ein.

Bestandteil der Teilungserklärung ist eine Gemeinschaftsordnung. Diese bestimmt in § 14 (Kostenbeiträge):

"Zur Bestreitung der laufenden Unkosten wie [...] Betriebskosten des Hauses [...] ist vorschussweise ein monatlicher Beitrag zu Händen des Verwalters zu entrichten. Abrechnung erfolgt nach Ablauf eines Kalenderjahres, wobei folgende Aufschlüssellung verwand wird:

a) nach Tausendstelanteilen:

1. Betriebskosten (z.B. Versicherungsprämien, öffentliche Abgaben),

2. Kosten des Hausmeisters

3. Kosten der Hausverwaltung,

b) nach Kopfzahl der Wohnungsparteien:

1. Wasserkosten, soweit gemeinschaftlich

2. Stromkosten für Räume im Miteigentum

3. Kosten der Reinigung.

Die Wohnungseigentümer sind darüber hinaus zur Ansammlung einer Instandsetzungsrückstellung (Reparaturfonds) für das gemeinschaftliche Eigentum verpflichtet. Zur Ansammlung der Rückstellung ist ein Jahresbeitrag von mindestens DM 2 je qm reine Wohnfläche zu entrichten. [...]

Das Haus ist mit einer Aufzugsanlage und Zentralheizung ausgestattet. Der Verwalter erhebt zunächst einen Pauschalbetrag, gemessen an der qm-Wohnfläche von jedem Wohnungseigentümer. Die Abrechung der Kosten (Heizung und Warmwasserversorgung) erfolgt jährlich nach Größe der Wohnungen ohne Balkone durch ein Spezial-Institut für Heizkostenabrechnungen. [...]"

In § 25 der Gemeinschaftsordnung heißt es:

"Eine Änderung dieser Gemeinschaftsordnung bedarf der Zustimmung von 2/3 aller Miteigentümer und ist vom Verwalter zur Eintragung ins Grundbuch anzumelden.

Eine Änderung, die lediglich die laufende Verwaltung und Unterhaltung sowie die Kostenumlagen betrifft, kann mit einfacher Stimmenmehrheit der Eigentümerversammlung beschlossen werden."

Im August 2003 wurde mit einem Kostenaufwand von 6.575,28 EUR ein neuer Heizkessel eingebaut. Die Kosten wurden zunächst aus der Instandhaltungsrücklage gedeckt. In der Eigentümerversammlung am 12.3.2004 wurde TOP 3 die Frage erörtert, ob die...

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