Leitsatz (amtlich)

1. Eine juristische Person des Privatrechts, die im staatlichen Auftrag der Allgemeinheit entgeltliche Konzertveranstaltungen anbietet, betätigt sich - ebenso wie private Konzertveranstalter - am Konzertmarkt und handelt daher geschäftlich i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG bzw. unternehmerisch im Sinne des Kartellrechts. Hingegen wird die auftraggebende öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft, die in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe - hier: der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur Pflege und Förderung der Kunst - handelt, nicht geschäftlich bzw. unternehmerisch tätig.

2. Eine gegen § 4 Nr. 10 UWG verstoßende gezielte Behinderung privater Konzertveranstalter durch das im staatlichen Auftrag erfolgende Konzertangebot kann nicht festgestellt werden, wenn der staatlich geförderten Konzerttätigkeit das Konzept zugrunde liegt, eine duale Struktur mit ca. 70 % privaten und 30 % öffentlich geförderten Konzertveranstaltungen zu schaffen und hierdurch die Auslastung einer zukünftig (durch die Inbetriebnahme eines großen Veranstaltungsgebäudes) erheblich ausgeweiteten Zahl an Konzertplätzen zu ermöglichen.

3. Die im staatlichen Auftrag erfolgende Konzerttätigkeit ist unter dem Aspekt der §§ 19, 20 GWB jedenfalls sachlich gerechtfertigt, wenn die Interessenabwägung ergibt, dass das ihr zugrunde liegende öffentliche Interesse die wettbewerblichen Interessen der privaten Konzertveranstalter überwiegt, weil gewichtige wettbewerbliche Begleiterscheinungen nicht konkret erkennbar sind und auch der Bestand des Wettbewerbs nicht tangiert ist.

4. Für die Geltendmachung eines Verstoßes gegen das gemeinschaftsrechtliche Beihilferecht (§§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i.V.m. Artt. 107 f. AEUV) durch die staatliche Förderung der Konzerttätigkeit ist ein Verband privater Konzertveranstalter nicht aktivlegitimiert. Denn er nimmt nicht selbst am Wettbewerb der Konzertveranstalter teil, verfolgt daher keine durch einen etwaigen Verstoß gegen das Durchführungsverbot gem. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV tangierten wettbewerblichen Interessen und kann sich daher nicht auf die Verletzung dieses deliktsrechtlichen Schutzgesetzes berufen.

 

Normenkette

UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 10, § 8 Abs. 1, 3; GWB §§ 19-20, 33 Abs. 2, § 130; AEUV Art. 107, 108 Abs. 3; BGB § 823 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 22.12.2011; Aktenzeichen 315 O 80/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, Az. 315 O 80/11, vom 22.12.2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger, dessen Mitglieder private Konzertveranstalter sind, geht gegen die Veranstaltung von Konzerten auf wettbewerbs-, kartell- und deliktsrechtlicher Grundlage gegen die Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. vor, an der die Beklagte zu 1. 95,2 % der Gesellschaftsanteile hält.

Die Beklagte zu 2. veranstaltet in den Konzertsälen der Stadt, insbesondere in der Laeiszhalle, unter dem Titel "Elbphilharmonie Konzerte" Konzertreihen. Diese Konzertreihen dienen nach Darstellung der Beklagten zu 2. dazu, als "künstlerischer Countdown" die Zeit bis zur Eröffnung der Elbphilharmonie zu begleiten (Anlage K 7). Mit der Elbphilharmonie soll nach dem Willen des Senats die Stadt Hamburg im internationalen Wettstreit der Metropolen "neu positioniert" werden (Anlage K 8, dort S. 2). Die Elbphilharmonie wird einen großen Konzertsaal mit 2150 Sitzplätzen, einen kleineren Saal mit 550 Plätzen und einen dritten Saal ("Kaistudio") mit 170 Plätzen aufweisen; nach der Absicht des Senats soll der große Konzertsaal als Herzstück der Elbphilharmonie dereinst zu den zehn besten Konzertsälen der Welt gehören (Anlage K 8, dort S. 2).

Die bauliche Realisierung der Elbphilharmonie ist in die städtische R. GmbH, eine Realisierungsgesellschaft für Großprojekte, ausgelagert. Das Veranstaltungsmanagement sowohl für die Elbphilharmonie als auch für die Laeiszhalle wird in der Weise organisiert, dass die Beklagte zu 2. für die musikalische Gestaltung der Elbphilharmonie-Konzerte ("Eigenveranstaltungen") zuständig ist und die Vermietung der Säle für "Fremdveranstaltungen" durch die Fa. Elbphilharmonie und Laeiszhalle Service GmbH, eine 100%ige Tochter der Beklagten zu 1., durchgeführt wird, deren Geschäftsführer mit denen der Beklagten zu 2. personenidentisch sind (Anlage K 11, dort S. 6 f.). Die genannten Eigenveranstaltungen sollen einen Umfang von 30 bis 35 % der Gesamtveranstaltungen ausmachen (Anlage K 10, dort S. 4).

Der Kläger hat vorgetragen: Ihm stehe ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1, 3 UWG wegen unlauterer Behinderung zu, ebenso gem. § 20 Abs. 4...

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