Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 02.04.2004; Aktenzeichen 1 BvR 1620/03)

 

Tenor

Die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen werden zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 54.500 Euro.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin zu 1) hat ihren Sitz in den USA, die Beschwerdeführerin zu 2) in Großbritannien. Die Beschwerdeführerinnen treten als Kapitalanleger an deutschen Börsen auf. Sie halten zur Zeit Vorzugsaktien der W.-AG D. Die P. & G. Germany Management GmbH mit Sitz in S. veröffentlichte am 18.3.2003 die Entscheidung, den Aktionären der W.-AG ein freiwilliges Übernahmeangebot zu machen. Anschließend beantragte die P. & G. Germany Management GmbH bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die Veröffentlichung der Angebotsunterlagen zu gestatten. Das Angebot beinhaltete u.a., dass P. & G. im Zeitraum vom 28.4.2003 bis zum 28.5.2003 W.-Aktien kaufen wollte, und zwar die Stammaktien zum Preis von jeweils 92,25 Euro und die Vorzugsaktien zum Preis von 65 Euro. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gestattete die Veröffentlichung der Angebotsunterlagen durch Bescheid vom 25.4.2003.

Die Beschwerdeführerinnen halten das Angebot von P. & G. für zu niedrig. Sie haben sich deshalb gegen den P. & G. erteilten Bestattungsbescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gewendet und mit Schreiben vom 22.5.2003 Widerspruch erhoben. Außerdem haben die Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom 26.5.2003 beim OLG Frankfurt am Main einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Diese Anträge hat der Senat durch Beschluss vom 28.5.2003 zurückgewiesen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat das Begehren beider Beschwerdeführerinnen jeweils durch Widerspruchsbescheid vom 3.6.2003 zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen verfolgen ihr Rechtsschutzbegehren unter Vorlage eines Kurzgutachtens von Prof. Dr. Sch. zum Drittschutz im Übernahmeverfahren weiter. Sie bringen vor, gegen Verfügungen der Bundesanstalt Finanzdienstleistungsaufsicht sei für sie als Vorzugsaktionärinnen die Beschwerde statthaft. Die Gestattung der Angebotsunterlage sei ein Verwaltungsakt, der sich durch die Veröffentlichung der Angebotsunterlage nicht erledigt habe, ansonsten sei ein effektiver Rechtsschutz i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet.

Die Anfechtungsbefugnis sei auch nicht wegen § 15 WpÜG weggefallen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht müsse bei nicht gesetzeskonformer Angebotsunterlage die Gestattung versagen. Werde die Rechtswidrigkeit des Angebots erst nachträglich bekannt, setze die nachträgliche Untersagung in jedem Fall die Rücknahme der Gestattung voraus. Mit der Anfechtung der Gestattung sei die Wirkung des Angebots ausgesetzt. Das Übernahmeverfahren komme zum Stillstand. Damit sei dem Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerinnen entsprochen. Das Argument, nur mit einer Verpflichtungsbeschwerde könne das Angebot zum Erliegen gebracht werden, sei nicht zutreffend.

Die Beschwerdeführerinnen seien in eigenen subjektiven Rechten verletzt. Sie hätten sich gegen die beanstandete Verfügung mit dem Widerspruch gewehrt. Eine Beteiligung am Ausgangsverfahren sei insoweit nicht erforderlich. Nach § 80a VwGO sei anerkannt, dass auch Nichtadressaten durch einen Verwaltungsakt, der sich an einen Dritten richtet, verletzt sein könnten. Sie seien in ihrem Recht auf vollständige und richtige Information in der Angebotsunterlage (§§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 1 S. 2 und 3, 11 Abs. 2 Nr. 2, 11 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 3 WpÜG-AngVO) verletzt, ebenso in ihrem Recht im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots einen angemessenen Preis für die zum Erwerb angebotenen Vorzugsaktien zu erhalten (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 ggf. i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG) sowie in ihren Rechten auf Eigentum (Art. 14 GG) und auf freien Kapitalverkehr (Art. 56 EGV).

Die Beschwerdeführerinnen räumen ein, dass der Rechtsschutz Dritter, insb. von Aktionären der Zielgesellschaft im Übernahmeverfahren, nicht hinreichend geklärt sei. Aus der Entstehungsgeschichte zum WpÜG ließe sich aber nicht ableiten, dass der Drittschutz ausgeschlossen werden sollte.

Die Gesetzesmaterialien ließen einen gegenteiligen Befund zu. § 41 Abs. 1 S. 2 WpÜG ergebe nur dann einen Sinn, wenn man die Figur des Verwaltungsakts mit Drittwirkung anerkenne. Außerdem habe der Gesetzgeber die gescheiterte EU-Richtlinie weitgehend umsetzen wollen. Aus § 4 Abs. 2 WpÜG ließen sich keine Argumente gegen den Drittschutz herleiten. Diese Vorschrift sei von der Sorge des Gesetzgebers motiviert, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht könne Amtshaftungsansprüchen ausgesetzt sein. Das Argument, die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 2 WpÜG gewähre keinen Drittschutz, stelle i.E. einen klassischen Zirkelschluss dar. Wenn die Auslegung einer Norm ergebe, dass sie die subjektiven Rechte Dritter schütze, so könne sich der Gesetzgeber nicht durch den Ausschluss des Dritt...

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