Leitsatz (amtlich)

1. Die Klausel in AGB „Vom Betrag der Schlussrechnung können 5 % als Sicherheit auf eigenem Konto des Auftraggebers eingehalten werden. Der Sicherheitsbetrag kann nach Prüfung der Schlussrechnung ausgezahlt werden gegen Gestellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten und nach den Vorschriften des Auftraggebers auszustellenden Bankbürgschaft in gleicher Höhe. Voraussetzung für das Ablösungsrecht ist die völlige Mängelfreiheit der Leistung.” ist gem. § 9 Abs. 1 AGBGB unwirksam. Die darin enthaltene Ablösungsklausel gesteht dem Unternehmer keinen angemessenen Ausgleich zu.

2. Die vom BGH zur Vertragserfüllungsbürgschaft herangezogenen Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung der Gestalt, dass der Unternehmer jedenfalls eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schuldet (BGH v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, BGHReport 2002, 913 = NJW 2002, 3098 f.; v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHReport 2003, 594 = NJW 2003, 1805 f.), sind auf Gewährleistungsbürgschaften bei unwirksamer Sicherungsabrede nicht anwendbar.

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 1 O 250/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 15.11.2002 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die einstweilige Verfügung des LG Mönchengladbach vom 8.7.2002, Geschäftsnummer 1 O 250/02, wird bestätigt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Berufung der Antragstellerin ist begründet. Die Entscheidung des LG beruht auf einer Rechtsverletzung, die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Auf das Schuldverhältnis der Parteien finden die bis zum 31.12.2001 geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches gem. Art. 229, § 5 EGBGB Anwendung.

Die Antragsgegnerin ist zur Herausgabe der streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaftsurkunden an den Gerichtsvollzieher zwecks Verwahrung verpflichtet. Die Antragstellerin hat sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht mit der Folge, dass die einstweilige Verfügung vom 8.7.2002 zu bestätigen ist, §§ 935, 936, 925 Abs. 2 ZPO.

1. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.

Die Antragsgegnerin hat von der Antragstellerin die Bürgschaftsurkunden rechtsgrundlos erlangt. Die der Bürgschaftshingabe zugrunde liegende Vereinbarung der Parteien gem. der Klausel 19.4 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen der Antragsgegnerin

„Vom Betrag der Schlussrechnung können 5 % als Sicherheit auf eigenem Konto des Auftraggebers einbehalten werden. Der Sicherheitsbetrag kann nach Prüfung der Schlussrechnung ausgezahlt werden gegen Gestellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten und nach den Vorschriften des Auftraggebers auszustellenden Bankbürgschaft in gleicher Höhe. Voraussetzung für das Ablösungsrecht ist die völlige Mängelfreiheit der Leistung.”

ist gem. § 9 Abs. 1 AGBGB unwirksam.

a) Es handelt sich hierbei um eine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 1 AGBGB. Wie das LG unbeanstandet und zutreffend ausgeführt hat, lässt bereits die Verwendung eines Vordrucks den hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung i.S.v. § 1 AGBGB handelt.

Anhaltspunkte für eine Individualabrede i.S.v. § 1 Abs. 2 AGBGB sind nicht ersichtlich und werden von der Antragsgegnerin in 2. Instanz auch nicht konkret genannt.

b) Die Klausel 19.4 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen benachteiligt die Klägerin unangemessen i.S.v. § 9 AGBGB.

Nach der Rspr. des BGH (BGH, Urt. v. 5.6.1997 – VII ZR 324/95, MDR 1997, 929 = NJW 1997, 2598 f.; Urt. v. 2.3.2000, NJW 2000, 1863 f.; Urt. v. 8.3.2001, NJW 2001, 1857 f.; Urt. v. 22.11.2001 – VII ZR 208/00, MDR 2002, 332 = BGHReport 2002, 273 = NJW 2002, 894 f.) benachteiligt eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages, wonach der Besteller 5 % der Auftragssumme bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten darf, den anderen Teil entgegen den Geboten von Treu und Glauben i.S.v. § 9 Abs. 1 AGBGB, weil der Unternehmer aufgrund dieser Regelung in unangemessener Weise das Insolvenzrisiko des Bestellers trägt und weil die Unverzinslichkeit des Einbehalts eine unangemessene Abweichung vom Gesetz ist. Etwas anderes gilt nur, wenn dem Unternehmer eine Austauschsicherheit eröffnet wird, die ihn vom Insolvenzrisiko des Bestellers entlastet und eine angemessene Verzinsung gewährleistet (Thode, Aktuelle höchstrichterliche Rspr. zur Sicherungsabrede in Bauverträgen, ZfBR 2002, 4 [6 f.]).

aa) Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass ein dem Unternehmer eingeräumtes Recht, den Einbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen, allein kein angemessener Ausgleich in diesem Sinne ist. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin in 2. Instanz auf den Zusatz in den streitigen Bürgschaftsurkunden „auf erstes Anfordern” verzi...

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