Leitsatz (amtlich)

Die Werbung für ein Hörgerät mit der Aussage "Handeln Sie jetzt, so lange die Krankenkassen noch Zuschüsse übernehmen!" ist irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG, wenn ein Wegfall der Zuschüsse für Hörgeräte durch die Krankenkasse nach den konkreten Planungen der zuständigen Stellen nicht unmittelbar bevorsteht.

Der von einem Verband gegenüber einem Unternehmen geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist gem. § 288 Abs. 1 BGB nur mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, weil es sich bei dem Anspruch um keine "Entgeltforderung" i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB handelt.

 

Normenkette

BGB § 5 Abs. 1; UWG § 288 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Stade (Urteil vom 18.05.2006; Aktenzeichen 8 O 7/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Stade vom 18.5.2006 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für den Absatz von Hörgeräten mit der Aussage zu werben: "Handeln Sie jetzt, so lange die Krankenkassen noch Zuschüsse übernehmen!"

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) angedroht.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 189 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.10.2005 zu zahlen. Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Beschwer der Beklagten: 15.189 EUR.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte betreibt im gesamten Bundesgebiet Niederlassungen, in denen sie Hörgeräte anpasst und verkauft. Ende August/Anfang September 2005 warb sie in verschiedenen Zeitungen wie folgt:

"Mein neues digitales S. Hörgerät hat bei f.h. nur 10 EUR* gekostet!

*10 EUR ges. Zuzahlung mit Rezept des HNO-Arztes für ihre Krankenkasse.

Privatpreis 499 EUR

Handeln Sie jetzt, so lange die Krankenkassen noch Zuschüsse übernehmen!"

Der Kläger ist die Z. z.B. d. u. W. e.V. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte verstoße mit der Werbeanzeige gegen das Irreführungsverbot nach §§ 3, 5 UWG. Die Anzeige erwecke bei den angesprochenen Verbrauchern den falschen Eindruck, ein Wegfall der Kostenübernahme der Krankenkassen bei der Versorgung mit Hörgeräten stehe unmittelbar bevor.

Der Kläger hat beantragt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für den Absatz von Hörgeräten mit der Aussage zu werben: "Handeln Sie jetzt, so lange die Krankenkassen noch Zuschüsse übernehmen!", an ihn 189 EUR nebst acht Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5.10.2005 zu zahlen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

II. Die Berufung ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.

1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger gem. § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 UWG zu.

a) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung stellt die angegriffene Werbung eine Wettbewerbshandlung dar. Die Beklagte begründet ihre Auffassung damit, dass sie, die Beklagte, mit der beanstandeten Werbeaussage keinen besonderen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern erziele. Dem kann nicht gefolgt werden. "Wettbewerbshandlung" ist nach der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG u.a. jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen Unternehmens den Absatz von Waren zu fördern. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil die mit der Werbung angesprochenen Verbraucher zu einem schnellen Kauf von Hörgeräten veranlasst werden sollen ("Handeln Sie jetzt ...!); nach der Lebenserfahrung bezweckt die Werbeanzeige und ist auch objektiv geeignet, die Kunden dazu zu bewegen, sich für einen kurzfristigen Kauf bei der Beklagten - und nicht etwa bei einem ihrer Wettbewerber - zu entscheiden.

b) Das LG zieht zu Unrecht in Zweifel, ob die Wettbewerbshandlung überhaupt geeignet ist, den Wettbewerb erheblich zu beeinträchtigen. Die Erwägung des LG, eine Kürzung oder Abschaffung der Zuschüsse sei kein durchgreifendes Argument für den Kunden, sich gerade für einen Kauf bei der Beklagten zu entscheiden, geht fehl. Bei einer irreführenden Werbung ist die Erheblichkeit der Verletzungshandlung bereits im Tatbestand des § 5 UWG selbst - und nicht im Rahmen von § 3 UWG - unter dem Gesichtspunkt der wettbewerblichen Relevanz zu prüfen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 24. Aufl., § 3 UWG Rz. 81; Hefermehl/Köher/Bornkamm, § 5 Rz. 2.169). Da die Vorschriften der §§ 3, 5 UWG nicht nur dem Schutz der Wettbewerber des wettbewerbswidrig handelnden Konkurrenten, sondern auch dem Schutz der Verbraucher dienen, ist im Streitfall die wettbewerbsrechtliche Relevanz schon deshalb zu bejahen, weil die beanstandete ...

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