Leitsatz (amtlich)

1. Die Gehörsrüge nach § 321a ZPO ist im Berufungsverfahren entspr. anzuwenden, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel gem. § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen hat.

2. Bei der entspr. Anwendung des § 321a ZPO im Berufungsverfahren sind sämtliche Voraussetzungen der Bestimmung zu beachten; insb. ist auszuführen, worin die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör konkret liegen soll.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 9 O 191/02)

 

Tenor

Die Rüge des Beklagten vom 28.3.2003 gegen den Beschluss des Senats vom 10.3.2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rügeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

Gründe

Der Rechtsbehelf des Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 10.3.2003 ist entspr. § 321a ZPO zulässig, aber nicht begründet.

I. Zwar ist umstritten, ob das Abhilfeverfahren des § 321a ZPO auch dann anzuwenden ist, wenn es sich bei der mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren Entscheidung um die Zurückweisung einer Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO handelt. Die teilweise vertretene Auffassung, aus der Entstehungsgeschichte des § 321a ZPO sei abzuleiten, dass eine entspr. Anwendung der Vorschrift im Berufungsverfahren nicht in Betracht komme (so OLG Oldenburg v. 14.10.2002 – 11 UF 208/01, OLGReport Oldenburg 2002, 302; offen gelassen in OLG Celle v. 2.1.2003 – 9 U 139/02, OLGReport Celle 2003, 93) teilt der Senat jedoch nicht. Vielmehr schließt sich der Senat der Rspr. des 13. Zivilsenats des OLG Celle an, der von der entspr. Anwendbarkeit des § 321a ZPO ausgeht (s. OLG Celle, Beschl. v. 4.12.2002 – 13 U 77/02, OLGReport Celle 2003, 71 = NJW 2003, 906). Entsprechend den dortigen Ausführungen, die der Senat teilt und zu deren Wiederholung deshalb keine Veranlassung besteht, muss davon ausgegangen werden, dass Verletzungen des rechtlichen Gehörs im Verfahren nach § 321a ZPO geheilt werden können und es nicht etwa der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde bedarf, um mögliche Verstöße gegen das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte rechtliche Gehör zu heilen. Insoweit ermöglicht § 525 S. 1 ZPO auch nach der Auffassung des Senats die Selbstkorrektur des Berufungsgerichts unter den Voraussetzungen des § 321a ZPO, sofern es zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gekommen ist und diese Verletzung sich entscheidungserheblich ausgewirkt hat. Der Senat hält eine solche Analogie für geboten, um in Berufungsverfahren, bei denen gem. § 522 Abs. 2 ZPO das Rechtsmittel durch einstimmig gefassten Beschluss zurückgewiesen wird, Gehörsverletzungen heilen zu können, die sonst nur noch durch eine Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnten, da ein Rechtsmittel gegen den Beschluss gem. § 522 Abs. 3 ZPO nicht mehr stattfindet (zur Unanwendbarkeit des § 321a ZPO bei Berufungsurteilen, gegen die noch Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden kann OLG Celle v. 2.1.2003 – 9 U 139/02, OLGReport Celle 2003, 93). Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte und den Zweck des § 321a ZPO, der vor allem auch auf eine Entlastung des BVerfG abzielt (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 63 [85]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 321a Rz. 1), wäre es widersinnig, bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO von der Anwendung des auf derartige Verstöße zugeschnittenen § 321a ZPO abzusehen und die Selbstkorrektur aus formalen Erwägungen abzulehnen (zur Möglichkeit der Analogie auch Müller, NJW 2002, 2743; Schmidt, MDR 2002, 915 [917 f.]).

Auch wenn in der Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-RG eine ausdrückliche Übernahme des § 321a ZPO für zweitinstanzliche Entscheidungen noch abgelehnt wird (dazu auch OLG Celle, Beschl. v. 4.12.2002 – 13 U 77/02, OLGReport Celle 2003, 71 = NJW 2003, 906), weil dadurch die Ressourcen der Justiz über Gebühr belastet werden könnten (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 156, – Gegenäußerung der Bundesregierung zu dem Vorschlag des Bundesrates, die Vorschrift auch auf den Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO anzuwenden), hält der Senat diese Übernahme gleichwohl für geboten, weil es – anders als in der Begründung der Gegenäußerung der Bundesregierung ausgeführt wird – durchaus Fälle geben kann, in denen es zu einer Gehörsverletzung durch das Berufungsgericht gekommen ist und die ohne eine entspr. Anwendung des § 321a ZPO nicht mehr zu reparieren sind. In diesen Fällen, in denen es nicht darum gehen kann, Gehörsverletzungen der ersten Instanz aufzufangen, die bereits Gegenstand der Berufung selbst sein müssen, sondern vielmehr nur Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Berufungsgericht selbst, sind die Gründe für die Einführung des § 321a ZPO (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 63 [85]) uneingeschränkt auf das Berufungsverfahren zu übertragen. Die Gefahr einer „Überprüfung der Überprüfungsentscheidung” (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 156) sieht der Senat dabei nicht als gravierend an, weil es nur um Gehörsverletzungen durch das Berufungsgericht selbst gehen kann. So kann etwa de...

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