Verfahrensgang

LG Braunschweig (Aktenzeichen 11 O 603/17 (185))

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.02.2021; Aktenzeichen VI ZR 354/19)

BGH (Urteil vom 30.07.2020; Aktenzeichen VI ZR 354/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 27.11.2017, Az. 11 O 603/17, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 27.11.2017, Az. 11 O 603/17, sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Wertstufe bis 30.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz im Hinblick auf einen von ihm als Gebrauchtwagen gekauften PKW V. P., in dem ein Motor der Beklagten eingebaut ist, in Anspruch. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Zu ergänzen ist: Das Fahrzeug wird vom Kläger weiter genutzt und wies zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einen Kilometerstand von 254.658 km auf. Der Kläger hat das Software-Update bisher nicht durchführen lassen. Deshalb hat der Landrat des Kreises H. unter dem 21.06.2018 gegen ihn eine Betriebsuntersagung erlassen, hinsichtlich deren Inhalt auf die Anlage zum Protokoll vom 02.07.2019 verwiesen wird. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Klageantrag zu Ziffer 1 habe schon dem Grunde nach keinen Erfolg.

Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB bestehe nicht. Eine aktive Täuschung sei nicht hinreichend vereinzelt dargelegt. Die Typengenehmigung sei nicht gemäß §§ 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen. Nach den Gesetzesmaterialien und systematischen Betrachtungen, auch im Hinblick auf den später in Kraft getretenen § 25 Abs. 3 Nr. 2 EG-FGV, gelte die Vorschrift nur für Änderungen von bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen und sei auch nicht analog anwendbar. Auch die Zulassung nach Euro 5 bestehe fort. Konkret falsche Angaben der Beklagten zum Stickstoffausstoß des Fahrzeugs habe die Klägerseite nicht dargelegt. Konkludente Angaben, das Fahrzeug sei voll funktionsfähig und entspreche den gesetzlichen Vorgaben, seien nicht dargelegt. Dem Angebot und der Lieferung der Sache könne eine Erklärung, diese weise keine Mängel auf, nicht entnommen werden. Auch eine Täuschung über die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung sei, da die Forderung eines Preises keine Aussage über dessen Angemessenheit enthalte, nicht dargelegt.

Für eine Täuschung durch Unterlassen fehle es an einer Garantenstellung der Beklagten gegenüber dem Kläger aus einem besonderen Vertrauensverhältnis oder aus vorhergehendem pflichtwidrigem Verhalten. Selbst bei einem Kaufvertrag bestehe keine allgemeine Offenbarungspflicht des Verkäufers, sondern nur bzgl. wertbildender Faktoren von erheblichem Gewicht oder bei Beeinträchtigung der Verwendbarkeit der Kaufsache. Die Steuerungssoftware stelle keinen solchen wertbildenden Faktor dar. Die bloße Behauptung des Wertverlustes stelle keine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung dar, eine Beweiserhebung wäre eine unzulässige Ausforschung. Die Transparenz des Gebrauchtwagenmarktes ermögliche den Vortrag konkreter Anknüpfungstatsachen. Es bestehe auch keine eingeschränkte Verwendbarkeit. Die Typgenehmigung sei nicht erloschen. Es drohe auch nicht deren Widerruf, weil das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden "KBA") sein Ermessen zugunsten § 25 Abs. 2 EG-FGV ausgeübt habe. Wenn aber schon ein Verkäufer gegenüber dem Käufer keine Offenbarungspflicht gehabt hätte, gelte dies erst recht für die Beklagte als Herstellerin ohne vertragliche Bindung gegenüber dem Kläger.

Auch aus pflichtwidrigem Vorverhalten folge keine Garantenstellung, da die vom Kläger allein geltend gemachten Vermögensinteressen nicht in den Schutzbereich der nur gesamtgesellschaftlichen Zielen dienenden EU-Vorschriften Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 (im Folgenden "VO (EG) Nr. 715/2007"), EU-Richtlinie 2007/46/EG (im Folgenden "Richtlinie 2007/46/EG") (Harmonisierung des Binnenmarktes; Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus; Schutz gegen unbefugte Benutzung) fielen. Interessen des einzelnen Fahrzeugkäufers könnten hierdurch allenfalls in Bezug auf die Zulassungsfähigkeit des erworbenen Fahrzeugs geschützt sein. Diesbezüglich mache der Kläger aber keinen Schaden geltend.

Auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Artt. 12, 18 der Richtlinie 2007/46 EG und §§ 4, 6, 25 EG-FGV folge kein Schadensersatzanspruch, weil die Vorschriften nicht dem Schutz des Vermögens von Käufern dienten. Die Richtlinie, die von der EG-FGV nur umgesetz...

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