rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

I. Im Umlaufverfahren setzt ein Beschluss nach § 23 III WEG die schriftliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer sowohl zum Verfahren als auch zum Beschlussantrag voraus.

II. Verweigert ein Wohnungseigentümer die Zustimmung zum Beschluss im schriftlichen Verfahren nach § 23 III WEG, ist das schriftliche Verfahren gescheitert.

III. Einen Anspruch auf Abgabe einer Stimme im schriftlichen Verfahren haben die Wohnungseigentümer untereinander nicht.

 

Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 22.05.2014; Aktenzeichen 484 C 1833/14 WEG)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 22.05.2014, Az. 484 C 1833/14 WEG, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage hinsichtlich der Klageanträge I. und II. als unzulässig abgewiesen wird.

2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen, eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 II WEG ausgeschlossen, da es sich um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG handelt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klage ist bereits unzulässig. Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.

a) Das Amtsgericht hat das Rechtsschutzbedürfnis damit begründet, dass ein Wohnungseigentümer, der eine bauliche Veränderung plane, ein schriftliches Beschlussverfahren nach § 23 III WEG initiieren könne. Zur Einleitung eines solchen ohne Versammlung sei jeder Wohnungseigentümer berechtigt. Deshalb bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis dafür, dass die Kläger die Zustimmung der Beklagten im Wege der Klage einfordern.

b) Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

(1) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage fehlt, wenn vorrangige Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen, die noch nicht ausgeschöpft wurden, oder wenn das eigentlich verfolgte Ziel mit der Klage nicht erreicht werden kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., vor § 253 Rn. 16).

(2) Beides ist hier der Fall. Ein Eigentümer, der von den anderen Eigentümern einer Wohnungseigentumsgemeinschaft die Zustimmung zu einer von ihm beabsichtigten baulichen Veränderung begehrt, muss mit seinem Anliegen grundsätzlich zunächst die Eigentümerversammlung befassen, bevor er Klage erheben kann. Eine solche Vorbefassung der Eigentümerversammlung hat aber noch nicht stattgefunden. Zudem kann die hier beantragte isolierte Zustimmung einzelner Wohnungseigentümer außerhalb eines Beschlussverfahrens die Maßnahme nicht nach § 22 I 1 WEG legitimieren.

(a) Die Zustimmung nach § 22 I 1 BGB kann nur im Rahmen eines Beschlussverfahrens der Eigentümergemeinschaft durch positive Stimmabgabe zu dem beantragten Beschluss abgegeben werden; die isolierte Zustimmung beeinträchtigter Wohnungseigentümer außerhalb eines Beschlussverfahrens ist bedeutungslos und legitimiert Maßnahmen nach § 22 I 1 WEG nicht (LG München I Urteil vom 16.11.2009 – 1 S 4964/09, ZWE 2010, 98, Rn. 11 ff.; LG Berlin, ZWE 2011, 181, Rn. 9; Spielbauer/Then, WEG, 2 Aufl., § 22 Rn. 7 aE; Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl., § 22 Rn 137; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 22 WEG Rn. 6 f.; Riecke/Schmid – Drabek, WEG, 4. Aufl., § 22 Rn. 22 f.; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten-Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 22 Rn. 4). Die Beschlussabstimmung findet grundsätzlich in der Eigentümerversammlung statt, § 22 WEG. Sie ist auch in einem schriftlichen Verfahren (sog. Umlaufverfahren) möglich. Im Umlaufverfahren setzt ein Beschluss nach § 23 III WEG jedoch die schriftliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer sowohl zum Verfahren als auch zum Beschlussantrag voraus (vgl. hierzu Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl., § 22 Rn. 141; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 22 WEG Rn. 6; Spielbauer/Then, WEG, 2 Aufl., § 22 Rn. 17). Verweigert ein Wohnungseigentümer die Zustimmung zum Beschluss im schriftlichen Verfahren nach § 23 III WEG, ist das schriftliche Verfahren gescheitert. Einen Anspruch auf Abgabe einer Stimme im schriftlichen Verfahren haben die Wohnungseigentümer untereinander nicht. Zwar hat jeder Wohnungseigentümer – wie das Amtsgericht zutreffend ausführt – ein Recht, ein Umlaufverfahren nach § 23 III WEG zu initiieren. Darauf, dass die übrigen Wohnungseigentümer dem schriftlichen Verfahren auch zustimmen, besteht aber nach dem gesetzlichen Konzept kein Anspruch.

(b) Der Anspruchsteller muss mit seinem Anliegen vielmehr zunächst die Eigentümerversammlung befassen, bevor er Klage auf Zustimmung zu einer baulichen Veränderung erhebt.

(aa) § 22 I 1 WEG n.F. räumt dem einzelnen Eigentümer ausdrücklich das Recht ein, einen Genehmigungsbeschluss zu verlangen, um verbindlich festzustellen, ob die übrigen Eigentümer mit der baulichen Veränderung (sei es insgesamt, nur unter Auflagen oder gar nicht) einverstanden sind (BT-Drucksache 16/887, S. 29; Spielbauer/Then, WEG, § 22 Rn...

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