Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 01.02.2018; Aktenzeichen 472 C 18927/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 01.02.2018, Az. 472 C 18927/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.473,18 EURO festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Vornahme einer Mietminderung durch die beklagte Mieterin aufgrund einer benachbarten Großbaustelle im Rahmen einer Zahlungsklage der Klägerin als Vermieterin.

Das Erstgericht hat der Klage in Höhe von EUR 63,80 stattgegeben mit der Begründung, dass der Klagepartei nur ein Anspruch auf Zahlung des rückständigen Mietzinses für Monat April 2016 in Höhe von 63,80 EUR gem. § 535 Abs. 2 BGB zustehe. Im Übrigen bestehe für die Monate Oktober 2015 bis einschließlich Juni 2016 kein weiterer Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses, da die restlichen Mietzinszahlungsansprüche wegen einer berechtigten Mietminderung der Beklagten aufgrund der von der benachbarten Großbaustelle ausgehenden Einwirkungen nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes gemindert sei.

Mit der klägerseits eingelegten Berufung verfolgt diese ihre ursprünglichen Klageanträge soweit ihnen nicht stattgegeben wurde weiter.

Hierzu trägt die Klagepartei insbesondere vor, es läge auf der Hand, dass in einer Großstadt wie München, in der eine erhebliche Nachfrage nach Wohnungen bestehe, mit Bautätigkeit gerechnet werden müsse, wenn in einem bevorzugten Wohngebiet unmittelbar neben der Wohnbebauung auf dem Grundstück alte Gewerbegebäude stehen, die nicht mehr genutzt würden. Auch dann handle es sich bei deren Abriss mit nachfolgender Neubebauung um eine vorübergehende Erscheinung, die nur so lange andauere, bis eben die Bebauung des Grundstücks fertiggestellt worden sei. Hierbei sei die grundsätzliche Entwicklung zu berücksichtigen, dass Gewerbebetriebe, die in den Städten ursprünglich auch in Mischgebieten vorhanden gewesen seien, immer mehr abnehmen. Diese Änderung der Lebenswirklichkeit mit dem positiven Effekt, dass auch die negativen Begleiterscheinungen einer Gewerbeansiedlung wie zum Beispiel störende Immissionen abnehmen, komme den Bewohnern und somit auch den Mietern zugute. Umgekehrt müssten dann lediglich temporär auftretende Belastungen durch Abriss und Bebauung eines Nachbargrundstücks, die letztlich zu einer Verbesserung der Umweltbedingungen bzw. des Wohnumfeldes wie hier für die Wohnung der Beklagten führen, hingenommen werden.

Diese Sicht sei auch konsequent, weil der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf habe, dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietvertrages unverändert fortbestünden.

Es gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko, dass Mieter im Laufe eines Vertragsverhältnisses mit sich ändernden Umweltbedingungen, die insoweit auch Auswirkungen auf die tatsächlichen Mietverhältnisse haben könnten, rechnen müssen. Dadurch werde der Mieter nicht benachteiligt, schon gar nicht, wenn im Endeffekt eine vorteilhafte Entwicklung für ihn eintrete, nämlich die Beseitigung eines störenden Gewerbebetriebs und stattdessen die Errichtung einer Wohnbebauung, von der derartige störende Einflüsse nicht ausgehen würden.

Es sei systemwidrig, die Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als Sachen rechtliche Vorschrift, die ausschließlich das nachbarschaftliche Verhältnis des Eigentums und nicht das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter regle, auf das Schuldverhältnis zwischen Vermieter und Mieter, auch nur als Ausgleichsmaßstab anzuwenden.

Vielmehr müsse das streitgegenständliche Problem im Rahmen des schuldrechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen Vermieter und Mieter gelöst werden. Dies biete sich auch anhand des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2012, Az.: VIII ZR 152/12, an.

Die streitgegenständliche Baumaßnahme sei, wie sich dem Sachverständigengutachten entnehmen lasse, in der konkret durchgeführten Art und Weise ortsüblich.

Eine schuldrechtliche Lösung des Problems sei unter Hinzuziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben möglich.

Wenn dann, wie hier, die Umstände in einer Großstadt zu berücksichtigen seien, der Vermieter auch keine Möglichkeiten habe, den Baulärm durch Verhinderung der Baumaßnahme selbst zu beeinflussen und die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages und angesichts solcher Entwicklung und eine Gewähr für den Zustand des Nachbargrundstücks, wie er bei Abschluss des Mietvertrages bestand, nicht übernommen haben, wäre es unbillig und ungerechtfertigt, die Klägerin nunmehr mit den Mietminderungen zu belasten (BGH Entscheidung vom 29.04.2015 Az.: VIII ZR 197/14).

Der bisherigen Recht...

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