Orientierungssatz

  • 1.

    Für das Vorliegen eines "Studentenwohnheims" im Sinne des § 549 Abs. 3 BGB ist notwendig, aber auch ausreichend, wenn Wohnraum in hierfür bestimmten und geeigneten Gebäuden an Studenten auf der Grundlage eines institutionalisierten sozialen Förderkonzepts vermietet wird, nach dem die Wohnungsnot der Studenten gerade dadurch gelindert werden soll, dass ein planmäßiger zügiger Bewohnerwechsel eine möglichst gleichmäßige Versorgung der Studentenschaft mit Wohnheimplätzen verwirklicht. Die Rotation muss nach abstrakt-generellen Kriterien vom Träger gefordert und gehandhabt werden.

  • 2.

    Dieses Förderkonzept muss sich mit hinreichender Deutlichkeit aus Rechtsnormen (z.B. § 2 Abs. 2 Studentenwerksgesetz in Verbindung mit der jeweiligen Satzung des Studentenwerks), entsprechender Selbstbindung (Stiftungs- oder Vereinssatzung, Gesellschaftsvertrag) oder doch einer konstanten tatsächlichen Übung ergeben.

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Entscheidung vom 10.09.2010; Aktenzeichen 30 C 280/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.06.2012; Aktenzeichen VIII ZR 92/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 10.9.2010 - Az. 30 C 280/09 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Räumung von Wohnraum und insbesondere um die Frage, ob dieser sich in einem Studentenwohnheim im Sinne des § 549 Abs. 3 BGB befindet, sodass § 573 BGB unanwendbar wäre und eine ordentliche Vermieterkündigung auch ohne berechtigtes Interesse wirksam.

Mit Mietvertrag vom 23.2.2004 mietete der inzwischen 48-jährige Beklagte vom Kläger ein Zimmer in dessen Anwesen F.-Straße 44 in H., das dort als "Studentenwohnheim" bezeichnet ist. Die Baugenehmigung wurde 1972 für ein Studentenwohnheim beantragt. 63 Wohnungen darin wurden öffentlich gefördert aus Landessondermitteln zur Förderung von Studentenwohnheimen; inzwischen besteht keine Preisbindung mehr. Das Anwesen verfügt über 67 Wohnräume, von denen mindestens vier nicht an Studenten vermietet sind. Die Räume sind möbliert und werden gegenwärtig bei ca. 12 m2 für 210 Euro im Monat vermietet. Küche und Waschräume sind als Gemeinschaftsräume ausgeführt, wobei die Dusche mit Münzautomat versehen ist (1 Euro pro 6 Minuten Duschen). Nach der Hausordnung bedarf das Aufstellen zusätzlicher Möbel der Genehmigung (§ 4), ab 3-tägiger Abwesenheit wird eine Abmeldung beim Hausmeister verlangt; das Beherbergen von Gästen ist verboten (§ 6). Der Kläger schließt mit den Studenten regelmäßig auf ein Jahr befristete Verträge ab.

Am 27.12.2008 kündigte der Kläger dem Beklagten schriftlich unter Hinweis auf "Hetzereien und Reibereien gegenüber uns und Dritten" zum 31.3.2009. In der Folge wurde ein anonymes Schreiben im Anwesen ausgehängt, in dem "Informationen zur Rechtslage im Wohnheim" verbreitet wurden. Darauf reagierte der Kläger mit einem Aushang, in dem für sachdienliche Hinweise auf "gemeine Agitatorinnen und Hetzerinnen, die im Wohnheim unhaltbare Gerüchte und Lügen verbreiten", "3-Monate gratis-Wohnen" versprochen wurden.

Der Kläger hat die Kündigung für wirksam und § 573 BGB für unanwendbar gehalten. Er hat vor dem Amtsgericht gemeint, sein Anwesen sei ein Studentenwohnheim im Sinne dieser Vorschrift. Er hat behauptet, er verfolge mit seinem Haus keine Gewinnerzielungsabsicht. Die Überschüsse der vergangenen Jahre hätten abzüglich der Werbungskosten zwischen 3.000 und knapp 9.000 Euro gelegen (vgl. auch Anlage K 7: AS I 55). Die Mieten seien günstiger als Wohnheimplätze des Studentenwerks, zumal es sich um (Teil)Inklusivmieten handle.

Der Kläger hat vor dem Amtsgericht beantragt, den Kläger zu Räumung und Herausgabe der Wohnung einschließlich mitvermieteter Gegenstände zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat gemeint, es liege kein Studentenwohnheim im Sinne des § 549 Abs. 3 BGB vor; er hat die Kündigung wegen Verstoßes gegen den folglich anwendbaren § 573 BGB für unwirksam gehalten.

Er hat behauptet, der Kläger betreibe das Heim nicht fremdnützig, sondern als Geldanlage oder Gelegenheit zum Ausüben von Machtbedürfnissen. Die Mieten seien keineswegs günstig: größere Appartements in Rohrbach seien schon für 141,60 Euro zu haben. Der Kläger spreche willkürlich Kündigungen aus, was gegen den Widmungszweck als Studentenwohnheim spreche. Er agiere selbstherrlich und dringe in die Zimmer ein, während die Bewohner sich auswärts oder im Bett befänden. Dabei habe er die Möbel mit Stangen an der Wand befestigt, um deren Verrücken zu verhindern. Übernachteten h...

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