Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 23.05.2007; Aktenzeichen 203 C 473/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.03.2009; Aktenzeichen IX ZR 58/08)

BGH (Beschluss vom 05.09.2008; Aktenzeichen 5 StR 332/08)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 23. Mai 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 203 C 473/06 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision gegen diese Entscheidung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt/Oder vom 28.04.2006 zum Insolvenzverwalter/Treuhänder über das Vermögen des Gemeinschuldners … bestellt worden. Dieser ist Genosse der Beklagten und Mieter einer genossenschaftlichen Wohnung im Haus … in …. Mit Schreiben vom 29.06.2006 erklärte der Kläger die Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners in der Genossenschaft und forderte die Beklagte auf, das aktuelle Geschäftsguthaben des Mieters mitzuteilen. Die Beklagte wies die Kündigung zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage des Klägers auf Feststellung, dass die Mitgliedschaft des Insolvenzschuldners … an der Beklagten durch Kündigung vom 29.06.2006 beendet sei, zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat im Wesentlichen aufgrund einer analogen Anwendung des § 109 Abs. 2 Satz 2 InsO die Kündigung durch den Kläger für unwirksam gehalten.

Der Kläger meint, dem Amtsgericht sei ein Rechtsfehler unterlaufen, weil sich insbesondere aus der Rechtsprechung des BGH in NJW-RR 2004, 12 f. ergebe, dass dem Schuldner bei einem Ausschluss aus der Genossenschaft nicht automatisch auch bezüglich des Mietverhältnisses gekündigt werden könne, sondern es darüber hinaus eines besonderen Grundes bedarf. Daher sei hier der Gemeinschuldner – ähnlich einem normalen Mieter – entsprechend geschützt. Das Insolvenzverfahren diene nicht dem Schutz des Gemeinschuldners sondern maßgeblich zur Gläubigerbefriedigung.

Der Kläger beantragt daher,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Charlottenburg vom 23.05.2007 – 203 C 473/06 – festzustellen, dass die Mitgliedschaft des Insolvenzschuldners an der Beklagten und Berufungsbeklagten mit der Kündigung vom 29.06.2006 beendet sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie hält das amtsgerichtliche Urteil für zutreffend.

Insbesondere beziehe sich der Passus „ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer” in § 109 Abs. 1 S. 1 InsO lediglich auf diejenigen Verträge, bei denen die Vertragslaufzeit, wie z.B. bei Gewerbemietverhältnissen üblich, fest vereinbart ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie als rechtzeitig eingelegt anzusehen.

Aufgrund der stillschweigend gewährten Verlängerung bis zum 25.08.07 betr. die Einreichung der Berufungsbegründung ist der Eingang derselben am 23.08.07 fristgerecht; soweit man die entsprechende Verfügung des Berichterstatters auf dem Verlängerungsantrag als unwirksam ansieht, weil die Verfügung vom Vorsitzenden zu fertigen ist, vgl. § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO, so war dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 233 ZPO. Denn die verspätete Einreichung der Berufungsbegründung wäre dann unverschuldet.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil dem Amtsgericht kein Rechtsfehler im Sinne von §§ 513, 546 ZPO unterlaufen ist; die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen auch keine andere Entscheidung.

Zutreffend ist zunächst das Amtsgericht davon ausgegangen, dass zur Realisierung eines etwaigen Auseinandersetzungsguthabens des Gemeinschuldners an der Beklagten grundsätzlich der Insolvenzverwalter/Treuhänder befugt ist, entsprechend § 66 Genossenschaftsgesetz die Mitgliedschaft an der Genossenschaft zu kündigen. Dies ist zwischen den Parteien offenbar auch nicht mehr streitig. Jedenfalls wird insoweit auf die vom Amtsgericht zitierte Literatur verwiesen.

Ferner hat das Amtsgericht nach Ansicht des Berufungsgerichts zutreffend befunden, dass die Unwirksamkeit der vom Kläger erklärten Kündigung sich nicht unmittelbar aus § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO ergibt, denn nach dem Wortlaut des § 109 Abs. 1 Satz 1 und auch Satz 2 geht es dort um die Kündigung von Räumen bzw. Mieträumen. Das Mitgliedschaftsverhältnis an der Genossenschaft ist aber etwas rechtlich anderes.

Dennoch hat das Amtsgericht mit zutreffender Begründung, auf die voll und ganz verwiesen werden kann, die analoge Anwendung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO hier für einschlägig erachtet: § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO bestimmt in seiner neuen Fassung, dass der Insolvenzverwalter eine Kündigung des Mietverhältnisses einer Mietwohnung des Schuldners nicht aussprechen kann – vielmehr an die Stelle der Kündigung das Recht des Insolvenzverwalters tritt, zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.

Eine analoge Anwendung eines Gesetzes, die als solche grundsätzlich zulässig is...

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