Leitsatz (amtlich)

Persönlichkeitsrechtsverletzende Bildberichterstattung in der Presse: Grenzen des Privatsphärenschutzes bei Veröffentlichung eines Fotos des Wohnhauses eines ehemaligen Außenministers.

 

Normenkette

GG Art. 1-2, 5; BGB § 823 Abs. 1, § 1004

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 06.03.2007; Aktenzeichen 27 O 1262/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.05.2009; Aktenzeichen VI ZR 160/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.3.2007 verkündete Urteil des LG Berlin - 27 O 1262/06 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen eine Berichterstattung über seine Wohnverhältnisse.

Der Kläger war von 1998 bis 2005 Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland. Am 27.6.2006 nahm er zum letzten Mal an einer Sitzung seiner Bundestagsfraktion teil. Mit Wirkung zum 1.9.2006 legte er sein Mandat als Bundestagsabgeordneter nieder. Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift "B.". Im Heft Nr. 27 vom 29.6.2006 veröffentlichte sie unter der Überschrift "Nobel lässt sich der Professor nieder" ein Foto des Wohnhauses des Klägers. In dem Artikel heißt es u.a.: "Zwei Etagen plus Souterrain und ausgebautem Dachgeschoss in einem vornehmen Berliner Villen-Stadtteil (...) Efeu umrankt das 80 Jahre alte, denkmalgeschützte Haus mit Schornstein und Mosaikfenstern, das gerade renoviert wird (...) inkl. 1034 Quadratmeter Grundstück", "Ein Nachbargrundstück steht gerade für 1,5 Mio. Euro zum Verkauf" sowie "Wovon hat J. F. das bezahlt? Teilweise mit Kredit?".

Der Kläger ist der Ansicht, die Veröffentlichung sei rechtswidrig.

Er hat beantragt, der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, diese Äußerungen zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen. Er hat weiter beantragt, der Beklagten zu untersagen, Fotografien des Privathauses des Klägers mit dem Hinweis zu veröffentlichen, dass es sich um das Privathaus des Klägers handelt, insbesondere durch die Formulierung: "zwei Etagen plus Souterrain und ausgebautem Dachgeschoss in einem vornehmen Berliner Villen-Stadtteil".

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Gegen das am 16.3.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.4.2007 Berufung eingelegt und diese am 15.5.2007 begründet.

Sie beantragt, das Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger stehen Unterlassungsansprüche aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zu. Über die Klage ist auf Grund einer Abwägung des nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers mit dem gem. Art. 5 Abs. 1 GG ebenfalls Verfassungsrang genießenden Recht der Beklagten auf Meinungsäußerungsfreiheit und Pressefreiheit zu entscheiden. Die Abwägung ergibt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zurücktreten muss. Die Berichterstattung der Beklagten war rechtmäßig.

1. a) Durch die Veröffentlichung der Abbildung des Wohnhauses hat die Beklagte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen.

Nach der Rechtsprechung kann es einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen, wenn jemand unter Überwindung bestehender Hindernis oder mit geeigneten Hilfsmitteln - z.B. Teleobjektiv, Leiter, Flugzeug - den räumlichen Lebensbereich eines anderen ausspäht (BGH NJW 2004, 762 - Feriendomizil I), wenn die Identität der Bewohner offen gelegt und der Weg zu dem Anwesen beschrieben wird (BVerfG NJW 2006, 2836, 2837), wenn die Abbildung des Hauses von einem nicht ohne weiteres zugänglichen Nachbargrundstück aus gefertigt worden ist (Senat, Beschl. v. 4.9.2006 - 10 W 63/06) oder der Betroffene erst aufgrund der Veröffentlichung eines Fotos seines Wohnhauses identifiziert werden kann (KG, Urt. v. 18.12.2007 - 9 U 95/07 -; v. 11.2.2008 - 10 U 191/07). Danach liegt ein Eingriff nicht vor, da der Kläger ohnehin einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, eine Wegbeschreibung nicht beigefügt war und die von öffentlichem Straßenland aus gefertigte Abbildung nur das wiedergibt, was auch für den vor Ort anwesenden Betrachter ohne weiteres zu Tage liegt, so dass ein Einblick in die räumliche Privatsphäre als einem von öffentlicher Kontrolle und Beobachtung freien Rückzugsbereich nicht ermöglicht wird. In einem solchen Fall ist eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts verneint worden (vgl. BVerfG NJW 2006, 2836; BGH NJW 1989, 2251, 2253...

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