Leitsatz (amtlich)

Auch bei privatrechtlich ausgestalteten Vertragsverhältnissen zu öffentlichen Ver- und Entsorgungsbetrieben spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Vertrag nicht mit den einzelnen Wohnungseigentümern, sondern mit dem Verband "Wohnungseigentümergemeinschaft" zustande kommt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 27.02.2008; Aktenzeichen 55 T 152/06 WEG)

AG Berlin-Neukölln (Beschluss vom 31.05.2006; Aktenzeichen 70 II 266/05 WEG)

 

Tenor

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der angefochtene Beschluss des LG Berlin vom 27.2.2008 - 55 T 152/06 WEG - abgeändert wie folgt:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG Berlin-Neukölln vom 31.5.2006 - 70 II 266/05 WEG - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten zweiter und dritter Instanz zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird weder für die zweite noch für die dritte Instanz angeordnet.

3. Der Geschäftswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 16.004,46 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags des Antragstellers hat das AG die Antragsgegnerin erstinstanzlich verpflichtet, den Antragsteller von titulierten Forderungen der B.S. über Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsentgelte aus dem Zeitraum 1999-2002 i.H.v. 15.554,50 EUR freizustellen und ihm vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 449,96 EUR nebst näher bezeichneten Zinsen zu erstatten.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, auf deren Streitverkündung der im Rubrum bezeichnete Streithelfer auf ihrer Seite dem Verfahren als Streithelfer beigetreten ist, hat das LG zweitinstanzlich die Anträge des Antragstellers in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der der Sache nach abändernd die Wiederherstellung der amtsgerichtlich ausgesprochenen Verpflichtungen begehrt.

B. Gemäß § 62 Abs. 1 WEG n.F. ist auf das vor dem 1.7.2007 anhängig gewordene Verfahren das bisherige Verfahrensrecht (§§ 43 ff. WEG a.F. einschließlich der darin enthaltenen Verweisung auf das FGG) weiter anzuwenden. Materiell-rechtlich ist jedoch in - wie hier - nicht Beschlussanfechtungen der Versammlung der Wohnungseigentümer betreffenden wohnungseigentumsrechtlichen "Altverfahren" grundsätzlich das im Zeitpunkt dieser Entscheidung geltende Recht maßgebend (vgl. OLG München NJW 2008, 1824; Bergerhoff NZM 2007, 553 f.; Merle in: Bärmann (10. Aufl. 2008) § 62 WEG Rz. 2; Palandt/Bassenge (68. Aufl. 2009) § 62 WEG Rz. 1; a.A. Elzer ZMR 2008, 323 Fn. 12; OLG Karlsruhe GE 2009, 455 m.w.N.).

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§§ 27, 29 FGG, 45 WEG a.F.).

Zwar ist die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG vom 27.2.2008 erst am 10.4.2008 bei Gericht eingegangen, wahrt also - gerechnet vom Datum der ersten Zustellung am 18.3.2008 - nicht die Zwei-Wochen-Frist der §§ 29 Abs. 4, 22 Abs. 1 FGG. Es bedarf aber keiner Entscheidung, ob die von dem Antragsteller geltend gemachten Mängel der Beschlussausfertigung einer wirksamen Zustellung entgegenstanden. Denn die Fristversäumung ist jedenfalls als unverschuldet anzusehen, nachdem der Antragsteller auf den Hinweis des Gerichts vom 4.9.2008 durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin D.R. seines Verfahrensbevollmächtigten vom 19.9.2008 glaubhaft gemacht hat, dass die wiederholte, am 27.3.2008 erfolgte Zustellung von dem telefonischen Hinweis der zuständigen Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle begleitet worden sei, dass erst durch diese zweite, nunmehr ordnungsgemäße Zustellung die Beschwerdefrist in Gang gesetzt werde (vgl. dazu BGH NJW-RR 2005, 1658 und Zöller/Greger (27. Aufl. 2009) § 233 ZPO Rz. 23 s. v. Fristenbehandlung). Diese Frist hält die Beschwerde ein. Dem Antragsteller war deshalb auf seinen rechtzeitigen Antrag hin jedenfalls Wiedereinsetzung zu gewähren (§ 22 Abs. 2 FGG).

C. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Entscheidung des LG, die Anträge des Antragstellers unter Abänderung des Beschlusses des AG Neukölln vom 31.5.2008 zurückzuweisen, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

1. Entgegen der Ansicht des LG ist die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragsteller von der drohenden Inanspruchnahme durch die Gläubigerin des titulierten Anspruchs freizustellen

Dies folgt zwar nicht aus § 426 BGB, wohl aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 110 HGB i.V.m. § 257 BGB (vgl. Wenzel in: Bärmann (10. Aufl. 2008) § 10 WEG n.F. Rz. 336; Derleder/Fauser: Die Haftungsverfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft nach neuem Recht in: ZWE 2007, 2 (7) unter Ziffer V.; Häublein AnwZert MietR 21/2008, Anm. 3 - zitiert nach juris; Baumbach/Hopt (33. Aufl. 2008) § 128 HGB Rz. 26).

a) Bei den titulierten Ansprüchen auf Ausgleich der fälligen Entgelte für Abfallentsorgung und Straßenreinigung handelt es sich um eine den Verband der Wohnungseigentümergemeinschaft...

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