Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Art. 43 EG. Niederlassungsfreiheit. Notare. Staatsangehörigkeitsvoraussetzung. Art. 45 EG. Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt. Richtlinien 89/48/EWG und 2005/36/EG

 

Beteiligte

Kommission / Österreich

Europäische Kommission

Republik Österreich

 

Tenor

1. Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen, dass sie für den Zugang zum Beruf des Notars eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung aufgestellt hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Europäische Kommission, die Republik Österreich, die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, die Republik Ungarn, die Republik Polen, die Republik Slowenien, die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 12. Februar 2008,

Europäische Kommission, vertreten durch G. Braun und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch S. Behzadi-Spencer als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl, M. Aufner und G. Holley als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und B. Messmer als Bevollmächtigte,

Republik Lettland, vertreten durch L. Ostrovska, K. Drēviņa und J. Barbale als Bevollmächtigte,

Republik Litauen, vertreten durch D. Kriauciunas und E. Matulionytė als Bevollmächtigte,

Republik Ungarn, vertreten durch R. Somssich, K. Veres und M. Fehér als Bevollmächtigte,

Republik Polen, vertreten durch M. Dowgielewicz, C. Herma und D. Lutostańska als Bevollmächtigte,

Republik Slowenien, vertreten durch V. Klemenc und Ž. Cilenšek Bončina als Bevollmächtigte,

Slowakische Republik, vertreten durch J. Čorba als Bevollmächtigten,

Streithelferinnen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und J.-J. Kasel sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter E. Juhász, G. Arestis und M. Ilešič, der Richterin C. Toader und des Richters M. Safjan,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2010,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. September 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 45 EG sowie aus der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16), in der durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 (ABl. L 206, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/48) und/oder aus der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255, S. 22) verstoßen hat, dass sie für den Zugang zum Beruf des Notars eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung aufgestellt und die genannten Richtlinien für diesen Beruf nicht umgesetzt hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/48 hieß es: „Die allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome präjudiziert in keiner Weise die Anwendung von Artikel [45 EG].”

Rz. 3

Art. 2 der Richtlinie 89/48 lautete:

„Diese Richtlinie gilt für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen.

Diese Richtlinie gilt nicht für die Berufe, die Gegenstand einer Einzelrichtlinie sind, mit der in den Mitgliedstaaten eine gegenseitige Anerkennung der Diplome eingeführt wird.”

Rz. 4

Der Notarberuf ist nicht Gegenstand einer Regelung der in Art. 2 Abs. 2 genannten Art.

Rz. 5

Die Richtlinie 89/48 sah eine Umsetzungsfrist vor, die nach ihrem Art. 12 am 4. Jänner 1991 ablief.

Rz. 6

Durch Art. 62 der Richtlinie 2005/36 wurde die Richtlinie 89/48 mit Wirkung vom 20. Oktober 2007 aufgehoben.

Rz. 7

Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36 heißt es:

„Die Grundsätze und Garantien für die Niederlassungsfreiheit, die in den verschiedenen derzeit geltenden Anerkennungsregelungen enthalten sind, sollen aufrechterhalten werden, wobei aber die Vorschriften d...

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