Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Marken. Verwechslungsgefahr. Gesamteindruck. Ältere Marke, die mit einer Verzichtserklärung (Disclaimer) eingetragen worden ist. Auswirkungen eines solchen Verzichts auf den Schutzumfang der älteren Marke

 

Normenkette

Richtlinie 2008/95/EG Art. 4 Abs. 1 Buchst. b

 

Beteiligte

Hansson

Patent- och registreringsverket

Mats Hansson

 

Tenor

Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine Verzichtserklärung („Disclaimer”) vorsieht, die bewirken würde, einen von dieser Erklärung erfassten Bestandteil einer zusammengesetzten Marke von der Gesamtprüfung der für die Feststellung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Bestimmung relevanten Faktoren auszuschließen oder diesem Bestandteil im Rahmen dieser Prüfung von vornherein und dauerhaft eine begrenzte Bedeutung beizumessen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen (Berufungsgericht, Patent- und Marktgericht, Stockholm, Schweden) mit Entscheidung vom 20. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Dezember 2017, in dem Verfahren

Patent- och registreringsverket

gegen

Mats Hansson

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič (Berichterstatter) und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Patent- och registreringsverk, vertreten durch K. Isaksson, M. Nowicka und M. Ahlgren als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, É. Gippini Fournier, E. Ljung Rasmussen und G. Tolstoy als Bevollmächtigte,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2018,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. März 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Patent- och registreringsverk (Amt für geistiges Eigentum, Schweden, im Folgenden: PRV) und dem schwedischen Staatsangehörigen Mats Hansson wegen der Ablehnung der Eintragung des Wortzeichens „ROSLAGSÖL” als nationale Marke.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 4, 6, 8, 10 und 11 der Richtlinie 2008/95 heißt es:

„(4) Es erscheint nicht notwendig, die Markenrechte der Mitgliedstaaten vollständig anzugleichen. Es ist ausreichend, wenn sich die Angleichung auf diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften beschränkt, die sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken.

(6) Den Mitgliedstaaten sollte es weiterhin freistehen, Verfahrensbestimmungen für die Eintragung, den Verfall oder die Ungültigkeit der durch Eintragung erworbenen Marken zu erlassen. Es steht ihnen beispielsweise zu, die Form der Verfahren für die Eintragung und die Ungültigerklärung festzulegen, zu bestimmen, ob ältere Rechte im Eintragungsverfahren oder im Verfahren zur Ungültigerklärung oder in beiden Verfahren geltend gemacht werden müssen, und – wenn ältere Rechte im Eintragungsverfahren geltend gemacht werden dürfen – ein Widerspruchsverfahren oder eine Prüfung von Amts wegen oder beides vorzusehen. …

(8) Die Verwirklichung der mit der Angleichung verfolgten Ziele setzt voraus, dass für den Erwerb und die Aufrechterhaltung einer eingetragenen Marke in allen Mitgliedstaaten grundsätzlich gleiche Bedingungen gelten. …

(10) Zur Erleichterung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs ist es von wesentlicher Bedeutung, zu erreichen, dass die eingetragenen Marken im Recht aller Mitgliedstaaten einen einheitlichen Schutz genießen. Hiervon bleibt jedoch die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, bekannten Marken einen weiter gehenden Schutz zu gewähren.

(11) Der durch die eingetragene Marke gewährte Schutz, der insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke gewährleisten sollte, sollte im Falle der Identität zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den Waren oder Dienstleistungen absolut sein. Der Schutz sollte sich ebenfalls auf Fälle der Ähnlichkeit von Zeichen und Marke und der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen erstrecken. Es ist unbedingt erforderlich, den Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen. Die Verwechslungsgefahr sollte die spezifische Voraussetzung für den Schutz darstellen; ob sie vorliegt, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekann...

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