Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke. Begriff ‚Zivil- oder Handelssachen’. Haftung des Staates für ‚acta iure imperii’

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 Art. 1 Abs. 1

 

Beteiligte

Fahnenbrock

Stefan Fahnenbrock

Holger Priestoph

Matteo Antonio Priestoph

Pia Antonia Priestoph

Rudolf Reznicek

Hans-Jürgen Kickler

Walther Wöhlk

Zahnärztekammer Schleswig-Holstein Versorgungswerk

Hellenische Republik

 

Tenor

Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates ist dahin auszulegen, dass Klagen auf Entschädigung wegen Besitz- und Eigentumsstörung, auf Vertragserfüllung und auf Schadensersatz, wie sie in den Ausgangsverfahren von Privatpersonen, die Staatsanleihen erworben haben, gegen den emittierenden Staat erhoben worden sind, in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, es sei denn, dass sie offenkundig keine Zivil- oder Handelssachen sind.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend vier Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, drei davon eingereicht vom Landgericht Wiesbaden (Deutschland) mit Entscheidungen vom 16. und 18. April 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 29. April 2013, 2. Mai 2013 und 3. Mai 2013, und eins eingereicht vom Landgericht Kiel (Deutschland) mit Entscheidung vom 25. Oktober 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 15. November 2013, in den Verfahren

Stefan Fahnenbrock (C-226/13),

Holger Priestoph (C-245/13),

Matteo Antonio Priestoph (C-245/13),

Pia Antonia Priestoph (C-245/13),

Rudolf Reznicek (C-247/13),

Hans-Jürgen Kickler (C-578/13),

Walther Wöhlk (C-578/13),

Zahnärztekammer Schleswig-Holstein Versorgungswerk (C-578/13)

gegen

Hellenische Republik

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter S. Rodin und E. Levits, der Richterin M. Berger sowie des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Fahnenbrock, den Herren und Frau Priestoph sowie Herrn Reznicek, vertreten durch Rechtsanwalt F. Braun,
  • von Herrn Kickler und Herrn Wöhlk sowie der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein Versorgungswerk, vertreten durch Rechtsanwalt O. Hoepner,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch D. Kalogiros, S. Charitaki, A. Karageorgou, S. Lekkou, M. Skorila und E. Panopoulou als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Eggers und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Dezember 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. L 324, S. 79).

Rz. 2

Die Ersuchen ergehen im Rahmen von vier Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Fahnenbrock (Rechtssache C-226/13), den Herren und Frau Priestoph (Rechtssache C-245/13), Herrn Reznicek (Rechtssache C-247/13) sowie den Herren Kickler und Wöhlk und der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein Versorgungswerk (Rechtssache C-578/13) einerseits und der Hellenischen Republik andererseits, in denen eine Entschädigung wegen Besitz- und Eigentumsstörung, die Erfüllung der fällig gewordenen ursprünglichen Anleihen oder Schadensersatz begehrt wird.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2, 6, 7 und 10 der Verordnung Nr. 1393/2007 heißt es:

„(2) Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muss die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugestellt werden sollen, zwischen den Mitgliedstaaten verbessert und beschleunigt werden.

(6) Die Wirksamkeit und Schnelligkeit der gerichtlichen Verfahren in Zivilsachen setzt voraus, dass die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke unmittelbar und auf schnellstmöglichem Wege zwischen den von den Mitgliedstaaten benannten örtlichen Stellen erfolgt …

(7) Eine schnelle Übermittlung erfordert den Einsatz aller geeigneten Mittel, wobei bestimmte Anforderungen an die Lesbarkeit und die Originaltreue des empfangenen Schriftstücks zu beachten sind …

(10) Um die Wirksamkeit dieser Verordnung zu gewährleisten, sollte die Möglichkeit, die Zustellung von Schriftstücken zu verweigern, auf Ausnahmefälle beschränkt werden.”

Rz. 4

In Art. 1 Abs. 1 der Verordnung wird i...

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