Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und Pflegeversicherung: Teleologische Reduktion des Kündigungsverbotes des Versicherers bei tätlichem Angriff auf Mitarbeiter

 

Normenkette

BGB §§ 242, 314 Abs. 1 S. 1; VVG § 193 Abs. 3 S. 1, § 206 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 27.08.2010; Aktenzeichen 12 O 209/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.12.2011; Aktenzeichen IV ZR 105/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 27.8.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Frankfurt/O., Az.: 12 O 209/10, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die mit der Beklagten geschlossenen Versicherungsverträge wie Krankheitskostenversicherung, Krankentagegeldversicherung und Pflegeversicherung nicht durch eine von der Beklagten erklärte fristlose Kündigung beendet wurden, die seitens der Beklagten darauf gestützt wird, dass ein Serviceberater der Beklagten bei einem Besuch während einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers von diesem tätlich angegriffen worden sei. Die Parteien streiten im Wesentlichen über den Hergang der den Kündigungsgrund bildenden Auseinandersetzung sowie über die Frage, ob eine außerordentliche Kündigung der hier maßgeblichen Versicherungsverträge vor dem Hintergrund von § 206 Abs. 1 S. 1 VVG überhaupt möglich ist. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, der insoweit richtigzustellen ist, als das Versicherungsverhältnis in Bezug auf die vorgenannten Versicherungen zum 1.1.2005 begonnen hat. Zu ergänzen ist, dass die Beklagte seit der Erkrankung des Klägers im Januar 2009 wiederholt einzelne Kostenpunkte problematisierte und dass andere private Krankenversicherer die Aufnahme des Klägers verweigerten.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil das Vertragsverhältnis durch die seitens der Beklagten erklärte außerordentliche Kündigung beendet sei. § 206 Abs. 1 S. 1 VVG schließe eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 BGB nicht aus. § 314 BGB formuliere einen allgemein geltenden Rechtsgrundsatz, der, würde er nicht angewandt, die Beklagte rechtlos stelle. Dahingehendes könne der Gesetzgeber mit der Formulierung des § 206 Abs. 1 S. 1 VVG nicht gewollt haben; vielmehr sei es ihm darum gegangen, in dem weitaus häufigsten Fall der Vertragsverletzung des Prämienverzuges den mit einer Kündigung des Versicherungsvertrages verbundenen Verlust der Altersrückstellung zu verhindern. Dass aber der Versicherer jegliche Vertragsuntreue des Versicherungsnehmers bis hin zur Begehung von Straftaten gegenüber dem Versicherer hinnehmen müsse, könne nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein. Von einem solchen Handeln des Klägers könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausgegangen werden. Der Kläger sei im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Zeugen B. letztlich derart in Wut geraten, dass er mit einem Gegenstand, möglicherweise einem Bolzenschneider, zweimal auf den Zeugen eingeschlagen habe, der die Angriffe mit seinem Arm habe abwehren können. Im Anschluss sei es zu weiteren Tätlichkeiten gekommen und schließlich sei der Zeuge mit dem Leben bedroht worden. Das LG hat den Zeugen B. als glaubwürdig erachtet und seine Angaben als glaubhaft.

Gegen das dem Kläger am 31.8.2010 zugestellte Urteil hat er mit einem am 27.9.2010 beim OLG Brandenburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 18.10.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er meint, das LG habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass das absolute Kündigungsverbot aus § 206 Abs. 1 S. 1 VVG die Anwendung des § 314 Abs. 1 BGB ausschließe und darüber hinaus sei die Beweiswürdigung des LG zu dem für bewiesen erachteten Vorfall fehlerhaft, indem der Frage nach Belastungstendenzen nicht nachgegangen worden sei. Außerdem habe das Gericht dem Zeugen hinsichtlich der bekundeten Aggressivität des Klägers Glauben geschenkt und diese auf die Konfrontation mit einem möglichen Versicherungsverlust bezogen, obwohl der Zeuge dies nicht ausgesagt habe. Auch habe keine Würdigung des Schreibens der Beklagten vom 22.6.2009 dahingehend stattgefunden, dass sie durch dieses habe ausdrücken wollen, an der Kündigung nicht fest halten zu wollen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 27.8.2010 verkündeten Urteils des LG Frankfurt/O. festzustellen, dass die Krankheitskostenversicherung nach Tarif NK4, die Krankentagegeldversicherung nach Tarif KT43 mit einem Tagesatz von 50 EUR und die Pflegeversicherung nach Tarif PVN zur Versicherungsnummer 09/08/2.614279.8 zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch die fristlose Kündigun...

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