Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsrecht des stillen Gesellschafters bei Verweigerung der vereinbarten Rentenauszahlung wegen bankrechtlicher Bedenken

 

Leitsatz (amtlich)

Ist in dem Vertrag über eine stille Gesellschaft vorgesehen, dass der stille Gesellschafter sein Auseinandersetzungsguthaben in Form einer Rente ausgezahlt bekommt, wobei das stehen bleibende Guthaben mit 7 % pro Jahr verzinst werden soll, so hat der stille Gesellschafter ein Kündigungsrecht, wenn sich der Vertragspartner in der Folgezeit wegen bankrechtlicher Bedenken weigert, die Rente zu zahlen, und stattdessen die Auszahlung des Guthabens in einer Summe anbietet.

 

Normenkette

BGB § 723 Abs. 1 S. 2; HGB § 234 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Urteil vom 05.03.2003; Aktenzeichen 3 U 114/02)

LG Göttingen

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Braunschweig v. 5.3.2003 aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Göttingen v. 25.4.2002 (2 O 493/01) abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das stille Gesellschaftsverhältnis der Parteien gemäß Beteiligungszertifikat Nr. 1 durch die außerordentliche Kündigung des Klägers v. 16.5.2001 beendet ist und der Kläger für den Zeitraum danach nicht verpflichtet ist, weitere Einlagen auf die genannte Beteiligung zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die beklagte Aktiengesellschaft beschäftigt sich u.a. mit dem Erwerb, der Verwaltung und der Verwertung von Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen. Das erforderliche Kapital bringt sie auf, indem sie mit zahlreichen Kleinanlegern stille Gesellschaften gründet, bezogen jeweils auf ein bestimmtes "Unternehmenssegment". Die Laufzeit beträgt nach Wahl des Anlegers 10 bis 40 Jahre. Die Gesellschafter sind am Gewinn und Verlust des jeweiligen Segments beteiligt und haben ggf. eine Nachschusspflicht bis zur Höhe ihrer Entnahmen. Nach den im vorliegenden Fall verwendeten Vertragsformularen sollte das Auseinandersetzungsguthaben am Ende des jeweiligen Gesellschaftsvertrages als monatliche Rente mit einer Laufzeit von - je nach Wunsch des Anlegers - 10 bis 40 Jahren ausgezahlt werden ("SecuRente"). Damit sollte ein Beitrag zur Versorgung und Absicherung des stillen Gesellschafters im Alter geleistet werden. Den Anlegern wurden steuerliche Verlustzuweisungen in Höhe ihrer Einlagezahlungen in Aussicht gestellt. Außerdem sollten sie ein gewinnunabhängiges Recht auf Entnahme i.H.v. jährlich 10 % ihrer eingezahlten Einlage haben.

Der Kläger beteiligte sich am 15.12.1998 an dem "Unternehmenssegment VII" der Beklagten. Nachdem die Zeichnungssumme am 25.1.1999 ermäßigt worden war, hatte er eine Einmalzahlung i.H.v. 5.670 DM und monatliche Raten i.H.v. 136,50 DM über 17 Jahre zu zahlen, insgesamt 33.516 DM. In den Beträgen war jeweils ein Agio i.H.v. 5 % enthalten. Am Ende der Laufzeit sollte das Auseinandersetzungsguthaben in Raten über einen Zeitraum von 10 Jahren ausgezahlt werden.

Im Oktober 1999 untersagte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen der Beklagten, die Auseinandersetzungsguthaben in Raten auszuzahlen, weil das nach der Auffassung des Amtes gegen § 32 Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG verstößt. In dem daraufhin geführten verwaltungsgerichtlichen Prozess verpflichtete sich die Beklagte vergleichsweise, die Auseinandersetzungsguthaben jeweils in einer Summe auszuzahlen. Ab Januar 2001 kürzte die Beklagte zudem die Ausschüttungen an die stillen Gesellschafter wegen eines Liquiditätsmangels. Daraufhin ließ der Kläger mit Anwaltsschreiben v. 16.5.2001 die fristlose Kündigung seiner stillen Beteiligung erklären.

Mit seiner Klage verlangt er die Feststellung, dass der Gesellschaftsvertrag durch die Kündigung beendet ist und für die Zeit danach keine Verpflichtung mehr besteht, weitere Einlagen an die Beklagte zu zahlen.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die in dem Berufungsurteil zugelassene Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Die Kündigungen seien mangels eines Kündigungsgrundes unwirksam. Ob der Kläger bei den Vertragverhandlungen von der Vermittlerin H. über die Risiken der Anlage getäuscht worden sei, könne offen bleiben. Jedenfalls sei eine solche Täuschung nicht ursächlich geworden für die Beteiligungserklärung v. 25.1.1999. Diese sei nämlich abgegeben worden, nachdem der Kläger seine ursprüngliche Beteiligungserklärung wegen mangelnder Aufklärung über die Risiken der Anlage widerrufen und daraufhin ein weiteres Gespräch mit der Vermittlerin stattgefunden gehabt habe. Dabei sei dem Kläger der Emissionsprospekt bekannt gewesen, in dem auf die Risiken ausreichend hingewiesen worden sei. Ein Kündigungs- oder Nichtigkeitsgrund ergebe sich auch nicht daraus, dass in dem Vertrag eine ratierliche Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens nach Ablauf der Vertragslaufzeit vorgesehen sei, diese Art der Auszahlung aber möglicherweise wegen eines Verstoßes gegen § 32 KWG unzulässig sei. Dass stattdessen das Auseinandersetzungsguthaben in einer Summe ausgezahlt werden sollte, sei als Änderung der Auszahlungsmodalität von nur untergeordneter Bedeutung. Der Vertrag sei auch nicht wegen der langen Laufzeit sittenwidrig. Ebenso wenig könne der Kläger aus § 2b EStG etwas für sich herleiten. Danach könnten zwar negative Einkünfte aus Gesellschaftsbeteiligungen nicht - wie in dem Anlagemodell der Beklagten vorgesehen - mit anderen Einkünften ausgeglichen werden, wenn bei der Begründung der Einkunftsquelle die Erzielung eines steuerlichen Vorteils im Vordergrund gestanden habe. Diese Vorschrift sei aber gem. § 52 Abs. 4 S. 2 EStG auf das Vertragsverhältnis der Parteien nicht anwendbar. Schließlich sei auch die Widerrufserklärung des Klägers nach dem Haustürwiderrufsgesetz unwirksam, da die Widerrufsbelehrung in dem Zeichnungsschein ordnungsgemäß gewesen sei und daher die Widerrufsfrist versäumt sei.

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Ob ein möglicher Verstoß der Beklagten gegen das Verbot des § 32 KWG, Bankgeschäfte ohne behördliche Erlaubnis zu betreiben, die Nichtigkeit des Vertrages über die stille Gesellschaft nach § 134 BGB zur Folge hat (abl. für Kreditgeschäfte und Garantien BGH, Urt. v. 14.7.1966 - III ZR 240/64, WM 1966, 1101 [1102]; v. 21.4.1972 - V ZR 52/70, WM 1972, 853; v. 13.7.1978 - III ZR 178/76, WM 1978, 1268 [1269]; v. 23.1.1980 - VIII ZR 91/79, BGHZ 76, 119 [126] = MDR 1980, 487), kann offen bleiben. Das Berufungsgericht hat nämlich jedenfalls verkannt, dass die vergleichsweise Verpflichtung der Beklagten, die Auseinandersetzungsguthaben nicht mehr ratierlich, sondern nur noch in einer Summe auszuzahlen, zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Klägers geführt hat.

Jeder Vertragspartner ist verpflichtet, im Rahmen des ihm Zumutbaren alles zu unterlassen, was den Eintritt des vertraglich vorgesehenen Leistungserfolges vereiteln oder gefährden könnte. Er muss sich vertragstreu verhalten. Insbesondere darf er die Erfüllung des Vertrages oder einer wesentlichen Vertragspflicht nicht ernsthaft und endgültig verweigern oder erklären, er werde den Vertrag nicht so erfüllen, wie es vereinbart ist. Verletzt er diese Pflicht, hat der andere Vertragsteil grundsätzlich das Recht, sich von dem Vertrag zu lösen. Bei einem Vertrag über eine stille Gesellschaft hat diese Lösung - wie bei allen Dauerschuldverhältnissen - in Form der Kündigung zu geschehen. Das ergibt sich aus § 723 Abs. 1 S. 2 BGB, § 234 Abs. 1 S. 2 HGB (BGH, Urt. v. 8.7.1976 - II ZR 34/75, DB 1977, 87 [88]; BGHZ 11, 80 [84]; v. 14.3.1984 - VIII ZR 284/82, BGHZ 90, 302 [308] = MDR 1984, 838; Urt. v. 2.7.1968 - VI ZR 207/66, MDR 1968, 915; v. 12.10.1977 - VIII ZR 73/76, NJW 1978, 103; v. 11.2.1981 - VIII ZR 312/79, MDR 1981, 839 = NJW 1981, 1264 [1265]; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., vor § 323 Rz. 62; Emmerich in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., vor § 275 Rz. 281 ff.). Die Voraussetzungen für ein solches Kündigungsrecht sind hier erfüllt.

Die Beklagte ist nach dem Inhalt des mit dem Kläger geschlossenen Vertrages verpflichtet, nach der Beendigung der stillen Gesellschaft das Auseinandersetzungsguthaben - sofern der Kläger nicht die sofortige Auszahlung in einer Summe wünscht - als Darlehen stehen zu lassen und mit 7 % pro Jahr zu verzinsen bei ratenweiser Rückzahlung über einen Zeitraum von 10 Jahren. Indem sie sich in dem gerichtlichen Vergleich verpflichtet hat, die Auseinandersetzungsguthaben jeweils in einer Summe auszuzahlen, hat sie zu erkennen gegeben, dass sie nicht bereit ist, ihre Vertragspflicht zur ratierlichen Auszahlung zu erfüllen. Das berechtigt den Kläger, sich ohne Bindung an die vertraglich vorgesehenen Kündigungsfristen von den Verträgen zu lösen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die ratenweise Auszahlung tatsächlich gegen § 32 KWG verstoßen würde und ob der Kläger unabhängig davon auf der Erfüllung des Vertrages bestehen könnte. Entscheidend ist allein, dass der Kläger davon ausgehen muss, die Beklagte werde ihre Vertragspflicht tatsächlich nicht erfüllen.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der vereinbarten Rentenzahlung auch um einen wesentlichen Vertragsbestandteil und nicht nur um eine Auszahlungsmodalität, die für die Anleger von untergeordneter Bedeutung ist. Die Rentenzahlung war von der Beklagten als eine Besonderheit des Anlagemodells herausgestellt worden. So heißt es in dem Vorwort des Emissions-Prospekts: "Mit dem vorliegenden Emissions-Prospekt stellen wir Ihnen ein innovatives Beteiligungsprogramm zur ergänzenden Altersvorsorge, die SecuRente, vor." Die Anleger sollten die Möglichkeit haben, aus den Erträgnissen ihrer Beteiligung eine Altersrente zu beziehen. Bei Abschluss des Vertrages stand zwar noch nicht fest, wie hoch am Ende der Laufzeit das Auseinandersetzungsguthaben sein würde. In Höhe dieses Guthabens sollte dann aber keine Verlustbeteiligung mehr erfolgen. Vielmehr sollte das Guthaben in festen Monatsraten ausgezahlt werden. Wesentlich ist dabei, dass bereits bei Vertragsschluss eine Verzinsung i.H.v. 7 % pro Jahr festgelegt war. Aus diesem Grund stellt es für die Anleger keinen gleichwertigen Ersatz dar, wenn ihnen das Guthaben in einer Summe ausgezahlt wird und sie es anderweitig anlegen. Die Anleger können nicht erwarten, dass sie bei einer Neuanlage mit gleichzeitig beginnender ratierlicher Rückzahlung eine auch nur annähernd gleich hohe Verzinsung werden erreichen können. Deshalb kann ihnen nicht zugemutet werden, den Vertrag fortzuführen, obwohl klar ist, dass die Beklagte zu der versprochenen Rentenzahlung nicht mehr bereit ist.

Damit ist die Klage begründet. Da weitere Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erforderlich sind, hat der Senat in der Sache zu entscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1337895

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