Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsverfolgungskosten als ersatzpflichtige Aufwendungen des Geschädigten. Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit. Anmeldung des Versicherungsfalls mit anwaltlicher Hilfe. Abrechnung zwischen Geschädigtem und dessen Anwalt und Wiederherstellung der zerstörten Sache als Umfang des Ersatzanspruchs. Ausschluss der Wertsteigerung

 

Leitsatz (amtlich)

Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung einer Ersatzforderung gegen den eigenen Versicherer, kann sein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Anwaltskosten dem Schädiger ggü. grundsätzlich auf die Gebühren nach dem Wert beschränkt sein, für den dieser Ersatz zu leisten hat.

 

Normenkette

BGB § 249

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 14.11.2003; Aktenzeichen 9 S 86/03)

AG Karlsruhe

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Karlsruhe v. 14.11.2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem Wohnhaus bebaut war. Dessen Fundament wurde im Januar 2002 infolge eines Bruchs der von der Beklagten betriebenen Frischwasserleitung unterspült. Das Gebäude stürzte teilweise ein und musste abgerissen werden. Es entstand wirtschaftlicher Totalschaden. Die Haftung der Beklagten dafür steht außer Streit.

Die Klägerin unterhielt für dieses Gebäude eine Leitungswasserversicherung, nach deren Bedingungen der Neuwert des Gebäudes ohne einen Abzug "neu für alt" sowie ein pauschaler Mietausfallschaden von 18.000 EUR zu ersetzen waren. Sie ließ den Schaden durch ihre Rechtsanwälte bei dem Versicherer anmelden, der daraufhin insgesamt 533.399,46 EUR erstattete. Diesen Betrag haben die Rechtsanwälte als Geschäftswert ihrer Schadensanmeldung zu Grunde gelegt und Zahlung von 7.349,76 EUR verlangt. Die Klägerin begehrt die Freistellung von dieser Gebührenforderung. Die Beklagte hat 5.632,96 EUR ersetzt. Sie berechnet den Gegenstandswert nach dem Wert des Hauses unter Berücksichtigung eines Abzuges "neu für alt" mit nur 347.560,34 EUR.

Das AG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass zu den infolge eines Schadensereignisses adäquat kausal angefallenen und gem. § 249 S. 2 BGB a.F. zu ersetzenden Rechtsverfolgungskosten auch die Rechtsanwaltskosten zählen, die dem Geschädigten auf Grund der Geltendmachung des Schadens bei seinem eigenen Versicherer entstehen. Dies gelte allerdings nur, soweit der Schaden von dem Schädiger zu ersetzen sei. Denn durch die Entscheidung des Geschädigten, seinen eigenen Versicherer in Anspruch zu nehmen, dürfe der Ersatzpflichtige nicht schlechter gestellt werden, als wenn er oder sein Haftpflichtversicherer direkt in Anspruch genommen worden wäre. Soweit der bei dem Versicherer angemeldete Schaden den Zeitwert des Hauses übersteige, sei die Beklagte aber nicht ersatzpflichtig. Deshalb bestehe insoweit auch kein Kostenerstattungsanspruch. Das gelte auch hinsichtlich des Mietausfalls, den die Klägerin nicht dargetan habe.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1. Da das schädigende Ereignis vor dem 1.8.2002 eingetreten ist, bestimmt sich der Umfang der auf §§ 2, 10 HPflG beruhenden Ersatzpflicht der Beklagten nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB in der seinerzeit geltenden Fassung (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB). Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Wiederherstellung des zerstörten Hauses möglich ist und die Klägerin deshalb nach § 249 S. 2 BGB a.F. den zum Wiederaufbau erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 8.11.1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348 [350 ff.] = MDR 1995, 150; Urt. v. 1.10.1968 - VI ZR 159/67, VersR 1968, 1145 [1147]; BGHZ 39, 73 [74]; Urt. v. 23.10.2003 - IX ZR 249/02, BGHReport 2004, 231 = MDR 2004, 276 = NJW 2004, 444 [446], jeweils m.w.N.) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dabei sind an die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt nämlich darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Ist die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so wird es grundsätzlich nicht erforderlich sein, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens ggü. dem Schädiger einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (BGH, Urt. v. 8.11.1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348 [351 f.] = MDR 1995, 150). Eine solche Fallgestaltung hat das Berufungsgericht vorliegend angesichts des Schadensumfangs und der Schwierigkeiten seiner Berechnung rechtsfehlerfrei verneint.

Teil der Schadensabwicklung ist auch die Entscheidung, den Schadensfall einem Versicherer zu melden. Ist es aus Sicht des Geschädigten erforderlich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so gilt dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Versicherungsfalles bei dem eigenen Versicherer (zur Kaskoversicherung OLG Hamm ZfS 1983, 12; OLG Karlsruhe v. 15.2.1989 - 1 U 289/88, VRS 77, 6 [9]; v. 22.12.1989 - 14 U 168/88, MDR 1990, 720 = VersR 1991, 1297; v. 27.6.1990 - 1 U 317/89 = NZV 1990, 431; LG Kaiserslautern v. 22.2.1991 - 2 U 317/90, DAR 1993, 196 [197]; Böhm, DAR 1988, 213 f.; Notthoff, VersR 1995, 1399 [1401 f.]; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 118 Rz. 33; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, BRAGO, 20. Aufl., Stichwort: "Kaskoversicherung", Anm. 2, jeweils m.w.N.; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 249 Rz. 75; zur Sachversicherung bei Brandschäden LG Münster VersR 2003, 98 f.).

2. Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ggü. dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so ist der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung auf Grund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger dagegen grundsätzlich nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem ggü. objektiv auch berechtigt ist. Denn Kosten, die dadurch entstehen, dass er einen Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt, können dem Schädiger nicht mehr als Folgen seines Verhaltens zugerechnet werden (BGH, Urt. v. 1.10.1968 - VI ZR 159/67, VersR 1968, 1145 [1147]; Urt. v. 13.4.1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122 [1123]).

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Geschädigte eine Ersatzforderung nicht gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, sondern (zunächst) gegen den eigenen Versicherer geltend machen lässt und später den Ersatz der dadurch entstandenen Rechtsverfolgungskosten von dem Schädiger begehrt. Übersteigt die von dem Geschädigten bei seinem Versicherer angemeldete und nach den Versicherungsbedingungen begründete Forderung den Betrag, den der Schädiger zu ersetzen hat, ist zu prüfen, inwieweit die durch die Anmeldung entstandenen Anwaltskosten dem Schädiger als Folgen seines Verhaltens zugerechnet werden können.

Im Vordergrund steht dabei das Interesse des Geschädigten an einer vollständigen Restitution (BGH, Urt. v. 20.4.2004 - VI ZR 109/03, MDR 2004, 934 = BGHReport 2004, 1080 = VersR 2004, 876; v. 6.7.2004 - VI ZR 266/03, MDR 2004, 1413 = BGHReport 2004, 1478 = GesR 2004, 412 = VersR 2004, 1180 [1181], m.w.N.; Urt. v. 25.10.1996 - V ZR 158/95, MDR 1997, 237 = NJW 1997, 520). Deshalb müssen die nach § 249 S. 2 BGB a.F. zur Verfügung zu stellenden Mittel so bemessen sein, dass sich die Vermögenslage des Geschädigten, sofern er nur wirtschaftlich vernünftig verfährt, nicht besser, aber auch nicht schlechter darstellt, als wenn der Schadensfall nicht eingetreten wäre. Der danach "erforderliche" Herstellungsaufwand wird nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens sowie die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt. In diesem Sinne ist der Schaden nicht "normativ" zu bestimmen, sondern subjektbezogen (BGHZ 63, 182 [184]; BGH v. 6.7.2004 - VI ZR 266/03, MDR 2004, 1413 = BGHReport 2004, 1478 = GesR 2004, 412 = VersR 2004, 1180 [1181], jeweils m.w.N.). Deshalb darf der Geschädigte zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (BGH, Urt. v. 1.10.1968 - VI ZR 159/67, VersR 1968, 1145 [1147]; Urt. v. 13.4.1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122 [1123]; jeweils m.w.N.). Die Grenze der Ersatzpflicht ist dort zu ziehen, wo die Aufwendungen des Geschädigten nicht mehr allein der Wiederherstellung der zerstörten Sache dienen, sondern eine Wertsteigerung bewirken, denn der Geschädigte, dem ein Zahlungsanspruch nach § 249 S. 2 BGB a.F. zusteht, kann die Herstellungskosten insoweit nicht verlangen, als sie zu einem Wertzuwachs des Gebäudes, zu dessen erhöhter Lebensdauer oder zur Ersparung von Aufwendungen durch Hinausschieben künftiger Reparaturen führen (BGHZ 30, 29 [34]; BGH v. 8.12.1987 - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322 [331] = MDR 1988, 396; Urt. v. 28.5.1962 - III ZR 213/60, VersR 1962, 765 [767]).

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts belaufen sich die gem. § 249 S. 2 BGB a.F. für die Wiederherstellung des Gebäudes erforderlichen Kosten (mit Ausnahme der Rechtsverfolgungskosten) unter Berücksichtigung des gebotenen Abzugs "neu für alt" (BGH v. 8.12.1987 - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322 [331] = MDR 1988, 396) auf insgesamt 347.560,34 EUR. Soweit die Versicherungsleistung diesen Betrag übersteigt, führt sie bei der Klägerin zu einem Wertzuwachs, der von der Beklagten nicht auszugleichen ist. Bei den auf der Geltendmachung des Mehrbetrages beruhenden Rechtsanwaltskosten handelt es sich mithin nicht um Kosten, die zur Wiederherstellung des zerstörten Gebäudes erforderlich sind. Die höheren Anwaltskosten sind vielmehr durch die Wertsteigerung veranlasst und deshalb ebenso wie andere Nebenkosten, soweit diese zu einem Wertzuwachs führen (BGH v. 8.12.1987 - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322 [331] = MDR 1988, 396), von der Beklagten nicht zu ersetzen. Der Umstand, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts aus der Sicht der Klägerin vorliegend insgesamt notwendig gewesen sein mag, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar kann auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit einen ersatzfähigen Schaden darstellen (BGHZ 59, 148 [150]), doch ist der Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich seiner Anwaltskosten grundsätzlich auf die Gebühren nach demjenigen Geschäftswert beschränkt, welcher der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspricht (BGH, Urt. v. 1.10.1968 - VI ZR 159/67, VersR 1968, 1145 [1147]; BGHZ 39, 60 [72]; BGHZ 39, 73 [76]; Urt. v. 13.4.1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122 [1123]).

3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten, die ihr durch die Anmeldung eines pauschalen Mietausfallschadens bei ihrem eigenen Versicherer entstanden sind. Mietausfall kann der Geschädigte von dem Schädiger nach § 249 S. 2 BGB a.F. nur dann erstattet verlangen, wenn ein solcher Schaden tatsächlich eingetreten ist. Das ist nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vorliegend nicht der Fall. Mithin steht der Klägerin insoweit auch kein Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1331372

NJW 2005, 1112

BGHR 2005, 785

FamRZ 2005, 689

ZAP 2005, 597

MDR 2005, 751

VRS 2005, 334

VersR 2005, 558

VuR 2005, 237

ZGS 2005, 165

r+s 2006, 243

BBV 2005, 39

KammerForum 2005, 205

RVG prof. 2005, 137

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge