Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzpflicht des gefahrschaffenden Grundstückseigentümers. Naturschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Grundstückseigentümer eine Gefahrenlage geschaffen, an deren Beseitigung er durch Rechtsvorschriften (hier: Naturschutz) gehindert ist, kann er, wenn sich die Gefahr in einem Schaden des Nachbarn verwirklicht, diesem zum Ausgleich entsprechend § 906 Abs. 2 S. 2 BGB verpflichtet sein (Abgrenzung zu BGH v. 20.11.1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 = MDR 1993, 868).

 

Normenkette

BGB §§ 906, 1004; BNatSchG § 29 Rodung

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.07.2003; Aktenzeichen 12 U 34/02)

LG Darmstadt

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des OLG Frankfurt v. 3.7.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien sind Nachbarn. Das Fällen von als Landschaftsbestandteil geschützten Bäumen auf dem Grundstück der Beklagten ist grundsätzlich verboten. Im Zuge einer Baugenehmigung war der Beklagten das Roden eines Teiles des Baumbestandes gestattet worden. Nach Abschluss der Arbeiten wiesen die Landschaftsarchitekten der Beklagten die Naturschutzbehörde auf die Gefahr hin, dass die verbliebenen Bäume durch die Rodung ihren Windschutz und ihre Standsicherheit verloren hätten. Die Naturschutzbehörde hielt als Ergebnis einer Begehung v. 24.3.1999 fest, sieben Eichen wiesen eine abnehmende Vitalität auf, gegen ihre Beseitigung sei nichts einzuwenden. Für diese Bäume erwirkte die Beklagte eine Fällgenehmigung, von der sie am 27.4.1999 Gebrauch machte. Am 2.6.1999 stürzten zwei weitere Bäume (Stieleiche und Rotbuche), gegen deren Vitalität bei der Begehung keine Bedenken aufgetreten waren, während eines Gewittersturmes auf das Grundstück der Kläger. Sie beschädigten dort eine Garage und die Gartenanlage. Die Beklagte hat eine Ausgleichszahlung (u.a.) mit der Begründung abgelehnt, sie sei für den Schaden nicht verantwortlich, da sie durch den Naturschutz an der Beseitigung der schädigenden Bäume gehindert gewesen sei.

LG und OLG haben dem Antrag der Kläger auf Zahlung von 88.250 DM nebst Zinsen dem Grunde nach stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht bejaht einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Die Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger gehe wenigstens mittelbar auf den Willen der Beklagten zurück. Dass ein Naturereignis (Gewittersturm) alleinige Ursache des Niederbrechens der Bäume gewesen sei, sei auszuschließen. Im Hinblick auf den Umstand, dass die Bäume über Jahrzehnte den Naturgewalten widerstanden hätten, spreche ein erster Anschein dafür, dass die von der Beklagten veranlassten Maßnahmen, Rodung und Bebauung, zum Sturz geführt hatten. Grundlage des Anscheinsbeweises sei die von den Privatgutachtern der Parteien übereinstimmend getroffene Feststellung, dass das Wurzelwerk der beiden Bäume in erster Linie auf eine Versorgung mit Wasser und Nährstoffen aus tieferen Regionen, nicht aber auf seitliche Stabilität ausgelegt und im Hinblick auf Höhe und Größe der Bäume zu schwach gewesen sei. Da die Beklagte mit ihrer Baumaßnahme diesen Zustand herbeigeführt habe, könne sie nicht einwenden, die Vorgaben der Naturschutzbehörde hätten eine Beseitigung der schadensstiftenden Bäume verhindert.

Dies hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung, nicht aber der Verfahrensrüge der Revision stand.

II.

1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe dem Anspruch auf nachbarrechtlichen Ausgleich stattgegeben, ohne zuvor einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zu prüfen, berührt den Bestand des Berufungsurteils nicht. Allerdings hat es das Berufungsgericht im Anschluss an die Vorinstanz offen gelassen, ob die Beklagte aus Delikt haftet und sich nur mit dem Ausgleichsanspruch befasst. Der Senat hat demgegenüber, worauf sich die Revision stützt, darauf abgehoben, dass der Ausgleichsanspruch gegenüber dem Anspruch auf Schadensersatz in dem Sinne subsidiär sei, dass aus seiner Bejahung die Verneinung des Schadensersatzes folge (BGH v. 20.11.1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 [249] = MDR 1993, 868 - Froschlärm; die Entscheidung des BGH v. 18.11.1994 - V ZR 98/93, MDR 1995, 573 = NJW 1995, 714 f., auf die sich das Berufungsurteil stützt, weicht hiervon nicht ab). Ob dies, wovon der Senat ausgegangen ist, aus der Rechtsprechung des III. Zivilsenats (BGH v. 26.10.1978 - III ZR 26/77, BGHZ 72, 289 [295]; Urt. v. 8.3.1990 - III ZR 141/88, MDR 1991, 228 = NJW 1990, 1979; ferner für das Verhältnis des enteignungsgleichen Eingriffs zur Haftung des Grundstücksbesitzers nach § 836 BGB: BGH v. 27.1.1994 - III ZR 158/91, BGHZ 125, 19 [21] = MDR 1994, 1091; i. Anschl. an BGHZ 55, 229) herzuleiten ist, mag zweifelhaft sein. Auch hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch eigenständige Bedeutung ggü. anderen Haftungsgrundlagen (Anlagenhaftung nach § 2 HaftPflG, BGH v. 30.5.2003 - V ZR 37/02, BGHZ 155, 99 [107] = MDR 2003, 1225 = BGHReport 2003, 932) beigemessen und ihn nur für den Fall als subsidiär angesehen, in dem eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Tatbestand abschließend regelt (BGH v. 22.7.1999 - III ZR 198/98, BGHZ 142, 227 [236] = MDR 1999, 1316 - Öltankanlage). Die Rüge scheitert jedenfalls aber daran, dass revisionsrechtlich von einem deliktischen Verhalten der Beklagten nicht ausgegangen werden kann.

Für eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB oder, soweit daneben Raum bleibt, nach § 823 Abs. 1 BGB, jeweils, soweit erforderlich, i.V.m. § 31 BGB, fehlt es an einem hinreichenden Vortrag der Kläger.

Keine Haftung der Beklagten kann es begründen, dass sie es unterlassen hat, die schadensstiftenden Bäume zu fällen. Dies war ihr, solange sie hierfür keine Ausnahmegenehmigung (§ 29 Abs. 2 S. 2 BNatSchG) erhalten hatte, nach § 29 Abs. 2 S. 1 BNatSchG verboten. Eine Genehmigung zum Fällen der beiden Bäume wurde nicht erteilt. Das Unterlassen der Beklagten war damit rechtmäßig.

Revisionsrechtlich kann auch davon ausgegangen werden, dass die Beklagte wegen der Rodung des weiteren Waldbestandes, der nach Auffassung des Berufungsgerichts ursächlich für das Niederstürzen der geschützten Exemplare war, nicht gem. § 831 BGB haftete. Dass die Beklagte bei der Auswahl der Landschaftsarchitekten, die die Rodungsarbeiten leiteten, die erforderliche Sorgfalt ausgeübt hat, wurde von dieser behauptet und von den Klägern nicht in Abrede gestellt. Anhaltspunkte für ein Defizit bei der Überwachung der Verrichtungsgehilfen treten nicht hervor. Die Entscheidung, wie weit die Rodung gehen durfte, gehörte in die fachliche Kompetenz der umfassend beauftragten Architekten, deren sich die Beklagte haftungsbefreiend bediente. Außerhalb der Verantwortlichkeit der Beklagten lag mithin auch die Frage, ob und inwieweit eine Teilrodung die Standsicherheit des Restes gefährdete. Nach Abschluss der Rodung war eine fehlende Standfestigkeit der beiden schädigenden Bäume nicht einmal der sachkundigen Naturschutzbehörde aufgefallen. Eine bessere Erkenntnis konnte von der Beklagten selbst nicht verlangt werden. Aus den gleichen Gründen scheidet auch deren Haftung unmittelbar nach § 823 Abs. 1 BGB (Organisationsmängel) aus. Die von den Klägern behaupteten ungeordneten Verhältnisse (versehentliches Fällen geschützter Bäume, Unzulänglichkeiten bei Erdarbeiten) liegen auf einem anderen Gebiet.

2. Die sachlich rechtlichen Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs im Übrigen hat das Berufungsgericht nicht verkannt.

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der betroffene Eigentümer aus besonderen (tatsächlichen oder rechtlichen) Gründen gehindert war, die Einwirkungen gem. § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden (BGH v. 11.6.1999 - V ZR 377/98, BGHZ 142, 66 = MDR 1999, 1132 - Brandschaden; v. 7.4.2000 - V ZR 39/99, BGHZ 144, 200 [208] = MDR 2000, 1069 - Drogenhilfezentrum; v. 23.2.2001 - V ZR 389/99, BGHZ 147, 45 [49] = MDR 2001, 802 = BGHReport 2001, 364 - Besitzstörung). Der Anspruch ist nicht, wie § 906 Abs. 2 S. 2 BGB selbst, auf feinstoffliche Einwirkungen beschränkt, erfasst vielmehr auch Grobimmissionen, wie sie hier zur Folge des Niederbrechens der beiden Bäume vorlagen (BGH v. 30.5.2003 - V ZR 37/02, BGHZ 155, 99 = MDR 2003, 1225 = BGHReport 2003, 932 - Leitungswasser).

a) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen stand dem (seinerzeitigen) Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks ein Abwehranspruch zu, der auf eine Einschränkung der erlaubten Rodungsmaßnahmen auf das Maß gerichtet war, das für die Standsicherheit der geschützten Bäume ungefährlich blieb. Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, auf den sich der Eigentümer stützen konnte, ist über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch dann gegeben, wenn die Gefahr einer erstmaligen Beeinträchtigung, wie hier, in Frage kommt (vorbeugender Abwehranspruch: BGHZ 2, 394; BGH, Urt. v. 10.4.1956 - I ZR 165/54, LM BGB § 1004 Nr. 27; im Übrigen statt aller Erman/Ebbing, BGB, 11. Aufl., § 1004 Rz. 76). Die Beklagte war, unbeschadet des Umstandes, dass die letzte Ursache der Schädigung ein natürliches Ereignis, der Gewittersturm, war, Störerin. Die mittelbare, aber in adäquatem Zusammenhang mit der Störung (BGH v. 7.4.2000 - V ZR 39/99, BGHZ 144, 200 [203] = MDR 2000, 1069) stehende Ursache war eine Handlung der Beklagten, die Rodung des Waldbestandes über das Maß hinaus, das für die Standsicherheit der verbleibenden Bäume unschädlich war (allgemein zur Störerhaftung bei Naturereignissen: BGH v. 14.11.2003 - V ZR 102/03, BGHZ 157, 33 = BGHReport 2004, 224 = MDR 2004, 389 - Kiefernnadeln; Urt. v. 28.11.2003 - V ZR 99/03, MDR 2004, 504 = BGHReport 2004, 437 = NJW 2004, 603 - Betonplatte; v. 12.12.2003 - V ZR 98/03, BGHReport 2004, 580 = MDR 2004, 503 = NJW 2004, 1035 - Druckstempel).

Den Klägern steht aber ein Abwehranspruch dieses Inhalts nicht zu. Denn sie haben, worauf die Revision zu Recht hinweist, das geschädigte Grundstück erst nach Abschluss der Rodungsarbeiten, die unstreitig im Wesentlichen im März 1998 stattgefunden hatten, erworben. Nach den Behauptungen der Beklagten hat der Erwerb um die Jahreswende 1998/1999 stattgefunden. Die Kläger sind diesem Vortrag nur mit Zweifeln an seiner rechtlichen Erheblichkeit entgegengetreten und haben im Übrigen behauptet, der Nutzungsübergang sei auf den September 1998 anzusetzen. Der Abwehranspruch auf Beschränkung der Rodung war mithin erloschen, bevor die Kläger, sei es als Besitzer (BGH v. 23.2.2001 - V ZR 389/99, BGHZ 147, 45 = MDR 2001, 802 = BGHReport 2001, 364), sei es als Eigentümer, das Recht erlangten, Abwehrbefugnisse gegen die Beklagte geltend zu machen.

b) Grundlage des Ausgleichsanspruchs ist aber die Beeinträchtigung, die nach Abschluss der Rodungsarbeiten von den beiden geschützten, nunmehr ihrer Standfestigkeit beraubten Bäume ausging. Dies gilt unabhängig davon, ob die rechtlichen Voraussetzungen zu deren Fällen durch eine Ausnahmegenehmigung nach § 29 Abs. 2 S. 2 BNatSchG hätten geschaffen werden können.

aa) Nach der Senatsrechtsprechung (BGH v. 20.11.1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 [254] = MDR 1993, 868) stellt der Naturschutz (damals Schutz einer Froschpopulation) die Störereigenschaft jedenfalls solange nicht in Frage, als der Eigentümer mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung (§ 31 BNatSchG) für die Beseitigung der Störquelle beantragen kann. Seinerzeit hat der Senat, was die Bejahung der Ausnahmegenehmigung angeht, eine Inzidententscheidung durch das Zivilgericht nur mit der Wirkung zugelassen, dass eine Verurteilung des Störers zur Unterlassung unter den Vorbehalt der Entscheidung der Naturschutzbehörde gestellt bleibt. Für den Ausgleichsanspruch, um den es hier geht, käme ein solcher Vorbehalt nicht in Frage. Eine der Naturschutzbehörde vorbehaltene Frage, ob die Bäume erhaltenswert sind, stellt sich nicht mehr. Der Inzidententscheidung des Zivilgerichts, ob die Ausnahmegenehmigung hätte erlangt werden können, stünde nichts im Wege. Wäre die Ausnahmegenehmigung zu erlangen gewesen, könnte dem Ausgleichsbegehren der Kläger nicht entgegengehalten werden, dass sie von der bestehenden Abwehrmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben. Denn sie wären hierzu aus tatsächlichen Gründen außerstande gewesen. Entscheidend hierfür ist allerdings nicht der vom Berufungsgericht hervorgehobene Gesichtspunkt, nach dem Umsturz der Bäume sei ohnehin nichts mehr zu machen gewesen. Hätten die Kläger vor diesem Zeitpunkt die drohende Gefahr erkennen können, hätten sie von ihrem vorbeugenden Abwehrrecht Gebrauch machen müssen. Auf der Grundlage des beiderseitigen Vortrags kann hiervon aber nicht ausgegangen werden. Die unzureichende Ausbildung des Wurzelwerks der beiden, zudem auf einem fremden Grundstück stehenden, Bäume war für die Kläger, die über keine forstwirtschaftlichen Erfahrungen verfügten, nicht erkennbar gewesen. Am äußeren Zustand der Bäume war die fehlende Standfestigkeit nicht abzulesen. Deren Vitalität stand selbst für die fachkundige Naturschutzbehörde außer Zweifel. Dass den Klägern sonstige Erkenntnismittel zur Verfügung gestanden hätten, ist nicht ersichtlich.

bb) Die Inzidentprüfung, ob eine Ausnahmegenehmigung hätte erlangt werden können, erübrigt sich indessen unter den hier gegebenen Umständen. Eine Fallgruppe des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ("zivilrechtlicher Aufopferungsanspruch") ist nach der Rechtsprechung des Senats (BGH v. 7.4.2000 - V ZR 39/99, BGHZ 144, 200 [208] = MDR 2000, 1069) dadurch gekennzeichnet, dass der Abwehranspruch (oder seine volle Durchsetzung) an Vorgaben des öffentlichen Rechts oder Interesses scheitert. Der Ausgleichsanspruch ist in diesen Fällen Teil eines rechtlichen Gefüges, das sich aus der Versagung des Abwehrrechts, etwa verbleibenden residualen Abwehrbefugnissen und der Kompensation der Abwehrlücke durch Geldausgleich zusammensetzt. Diese Kombination läge im Ausgangspunkt vor, wenn zur Beseitigung der Bäume die Ausnahmegenehmigung nach § 29 Abs. 2 S. 2 BNatSchG nicht zu erlangen gewesen wäre. Allerdings unterscheidet sich der hier vorliegende Sachverhalt vom Betrieb des Drogenzentrums dadurch, dass es der Beklagten, anders als seinerzeit dem Betreiber, nicht möglich wäre, der Störung abzuhelfen. Der Schutz des § 29 BNatSchG ginge zu ihren wie zu Lasten der klagenden Nachbarn. Dies entspricht der rechtlichen Situation, in der sich der Störer in dem der in BGHZ 120, 239 (252) veröffentlichten Entscheidung (BGH v. 20.11.1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 [252] = MDR 1993, 868) zu Grunde liegenden Falle befinden konnte. Dort hat der Senat erwogen, ob der auf Ausgleich in Anspruch Genommene deshalb zur Zahlung verpflichtet sei, weil er den Gartenteich, in den die geschützten Frösche migriert waren, angelegt hatte. Er hat dies mit der Begründung abgelehnt, mit der Anlage des Teiches habe der Störer nur den Zielsetzungen des Naturschutzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 10 S. 2 BNatSchG, damaliger Fassung) entsprochen. Ob hieran festzuhalten wäre, oder ob die Eröffnung der Möglichkeit, Naturschutz auf Kosten des Nachbarn zu betreiben, ein dem Verhältnis des Eigentümers zum Störer fremdes Element darstellt, bedarf hier keiner Entscheidung. Die der Anlage des Gartenteiches entsprechende ursprüngliche Störung, die Beseitigung des Windschutzes durch Rodung, lag außerhalb der Zwecke des Naturschutzes, hier des Schutzes eines Landschaftsbestandteils. Die hierin liegende Störung konnte zwar von den Klägern nicht abgewendet werden (oben zu a), sie setzt sich aber in der Störung durch die schadensstiftenden Bäume fort. Die Beklagte hätte durch ihr Handeln eine Gefahrenlage geschaffen, die sich später verwirklicht hätte (vgl. BGH v. 2.3.1984 - V ZR 54/83, BGHZ 90, 255 [266] = MDR 1984, 745 - Unkrautvernichtungsmittel). Dem folgte die Pflicht, Ausgleich in Geld zu leisten.

III.

Die Sache ist jedoch an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Revision zu Recht eine Verletzung des § 286 ZPO rügt. Nicht zu beanstanden ist allerdings der Anscheinsbeweis, von dem das Berufungsurteil ausgeht. Der Umstand, dass die beiden Bäume vor der Rodung über Jahrzehnte Wind und Wetter standgehalten hatten und dass ihr Wurzelwerk für eine exponierte Lage zu schwach ausgeprägt war, lässt nach der Lebenserfahrung den Schluss zu, dass das Niederstürzen im Gewittersturm auf die Rodung zurückzuführen ist. Der Beklagten durfte indessen der Gegenbeweis gegen den ersten Anschein nicht verschlossen werden (BGH, Urt. v. 17.6.1997 - X ZR 119/94, MDR 1998, 122 = NJW 1998, 79 [81]). Sie hat behauptet, das Niederstürzen der Bäume sei ausschließlich auf ein Naturereignis (Gewittersturm) zurückzuführen gewesen, der Schadensfall wäre auch eingetreten, wenn der die Windeinwirkungen abmildernde Baumbestand noch vorhanden gewesen wäre. Hierzu hat sie sich auf ein Sachverständigengutachten berufen. Als substanzlos konnte dieser Vortrag nicht unbeachtet bleiben, denn nach dem von den Klägern selbst vorgelegten meteorologischen Gutachten erreichte der Gewittersturm v. 2.9.1999 im Bereich des geschützten Landschaftsbestandteils sehr wahrscheinlich Windstärke 9 Bft, örtlich sogar Windstärke 10 Bft, wobei ein Spitzenwert von 12 Bft während besonders heftiger Böen nicht auszuschließen ist. Wieweit diese Werte Bestand haben und welche Auswirkungen sie auf das Standverhalten der Bäume auch in geschützter Lage haben konnten, muss sachverständiger Begutachtung überlassen bleiben. Die auf den Hinweis der Beklagten, andere isoliert stehende Bäume seien nicht niedergebrochen, angestellte Überlegung des Berufungsgerichts, dann müssten diese eben über stärker ausgeprägtes Wurzelwerk verfügt haben, nimmt die Beweisaufnahme unzulässig vorweg.

 

Fundstellen

BGHZ 2005, 232

DB 2005, 498

NJW 2004, 3701

NWB 2005, 238

BGHR 2005, 15

DWW 2004, 337

EBE/BGH 2004, 3

NVwZ 2005, 240

DNotI-Report 2004, 202

IBR 2005, 54

JurBüro 2005, 166

NZM 2004, 955

ZAP 2005, 111

ZfIR 2005, 527

JZ 2005, 576

JuS 2005, 182

MDR 2005, 141

NuR 2005, 133

VersR 2005, 123

ZUR 2005, 86

BauSV 2005, 56

Info M 2005, 46

RdW 2005, 126

UPR 2005, 28

AuUR 2006, 70

FSt 2005, 400

FuBW 2005, 597

FuHe 2005, 531

LL 2005, 10

LMK 2005, 26

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