Entscheidungsstichwort (Thema)

Sittenwidrigkeit eines Steuersparmodells

 

Leitsatz (amtlich)

Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten rechtfertigt, kann nicht allein deshalb verneint werden, weil mehrere Hundert Erwerber im Rahmen eines Steuersparmodells denselben oder einen annähernd gleichen Preis für ihre Immobilie bezahlt haben.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 11.10.2004; Aktenzeichen I-9 U 45/04)

LG Düsseldorf (Urteil vom 27.01.2004; Aktenzeichen 7 O 96/03)

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 11.10.2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Kläger zur Zahlung von Erbbauzinsen. Am 28.10.1993/8.11.1993 schlossen die Kläger mit der Revisions- und Treuhand GmbH G., M. & Partner (nachfolgend GMP genannt) im Rahmen eines Steuersparmodells einen Treuhandvertrag. Darin beauftragten sie die GMP mit dem Erwerb eines anteiligen Erbbaurechts an einem Grundstück in D. und des Sondereigentums an einer noch zu errichtenden Wohnung von der C. GmbH (Rechtsvorgängerin der Beklagten, im Folgenden: C.). Zugleich erteilten die Kläger der GMP die unwiderrufliche Vollmacht zur Vornahme aller nach Ansicht der GMP für den Erwerb erforderlichen und zweckmäßigen Rechtshandlungen, auch zu der Unterwerfung der Kläger unter die sofortige Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Die GMP besaß keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz.

Die C. bestellte sich am 22.12.1993 ein Eigentümererbbaurecht an dem Grundstück, legte den Erbbauzins auf 1.007.273,40 DM jährlich fest und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Mit notariell beurkundetem Vertrag v. 3.3.1994 übertrug sie den von der GMP vertretenen Klägern Anteile an dem Erbbaurecht; der von ihnen für die Zeit bis zur Fertigstellung der Wohnung zu zahlende Erbbauzins war in der an den Bauträger zu zahlenden Vergütung enthalten. In der Urkunde ist vermerkt, dass die der GMP erteilte Vollmacht in Ausfertigung ohne Widerrufsvermerk vorlag.

Die Kläger, wiederum vertreten durch die GMP, und andere Erbbauberechtigte vereinbarten mit notariell beurkundetem Vertrag v. 15.11.1994 die Bildung von Wohnungs- und Teilerbbaurechten. In derselben Urkunde unterwarfen sie sich hinsichtlich des ab der Fertigstellung zu zahlenden Erbbauzinses von 3.354,75 DM pro Jahr ggü. dem Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Der Erbbauzins ist durch eine in dem Wohnungserbbaugrundbuch eingetragene Reallast für den jeweiligen Eigentümer des Erbbaugrundstücks gesichert.

Später veräußerte die C. das Grundstück an die Beklagte. Nach der Fertigstellung von zwei Wohnanlagen mit insgesamt 232 Wohneinheiten vermieteten die Kläger ihre Wohnung und machten die Erwerbskosten und sonstige Aufwendungen steuerlich geltend. Seit dem Jahr 2001 zahlen sie keinen Erbbauzins mehr, weil er nach ihrer Meinung sittenwidrig überhöht ist. Die Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung wegen des rückständigen Erbbauzinses aus dem Aufteilungsvertrag v. 15.11.1994.

Die Kläger halten den Vertrag und die Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung für nichtig. Mit ihrer Klage erstreben sie, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären und die Beklagte zur Herausgabe der ihr erteilten vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde v. 15.11.1994 zu verurteilen. Die Beklagte hat Hilfswiderklagen erhoben, mit denen sie die Verurteilung der Kläger zur Zahlung des rückständigen Erbbauzinses, die Rückabwicklung des Erbbaurechtsübertragungsvertrages und die Herausgabe der von den Klägern vereinnahmten Mieten erreichen will. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, es bestünden keine materiell-rechtlichen Einwendungen der Kläger gegen ihre Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses in der vereinbarten Höhe, denn der Vertrag v. 15.11.1994 sei wirksam. Zwar sei der zwischen den Klägern und der GMP abgeschlossene Treuhandvertrag einschließlich der darin erteilten Vollmacht wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot der unerlaubten Rechtsbesorgung nichtig. Aber die Beklagte könne sich auf den Rechtsschein einer wirksamen Bevollmächtigung der GMP bei dem Abschluss des Aufteilungsvertrags am 15.11.1994 unabhängig davon berufen, ob eine Ausfertigung der von den Klägern der GMP erteilten Vollmacht vorgelegen habe oder nicht; denn diese Ausfertigung sei bereits bei dem Abschluss des Übertragungsvertrags am 3.3.1994 vorgelegt worden, so dass die C. auf den dadurch erzeugten Rechtsschein auch noch am 15.11.1994 habe vertrauen dürfen. Die Nichtigkeit der Vollmacht und damit den Mangel der Vertretungsmacht habe sie weder gekannt noch kennen müssen. Der Vertrag v. 15.11.1994 sei auch nicht im Hinblick auf eine enge Zusammenarbeit zwischen der GMP und der C. wegen Verstoßes gegen das Verbot der unerlaubten Rechtsbesorgung nichtig, denn er habe lediglich dazu gedient, den Klägern ein Wohnungserbbaurecht zu verschaffen. Schließlich sei der Vertrag auch nicht wegen einer sittenwidrigen Überhöhung des von den Klägern geschuldeten Erbbauzinses nichtig. Es fehle an einem groben Missverhältnis zwischen der Höhe des Erbbauzinses und dem Wert des Erbbaurechts. Nach der hier anzuwendenden Vergleichswertmethode sei der von den Klägern zu zahlende Erbbauzins mit den von den übrigen 231 Wohnungs- und Teilerbbauberechtigten zu zahlenden Erbbauzinsen zu vergleichen. Dabei komme man kaum auch nur in die Nähe eines groben oder auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung.

II.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Fehlerfrei - und von der Revision als für die Kläger günstig nicht gerügt - ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der zwischen den Klägern und der GMP abgeschlossene Treuhandvertrag und die darin erteilten Vollmachten nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig sind. Das entspricht der neueren ständigen Rechtsprechung des BGH zu der rechtlichen Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträger- oder Bauherrenmodells durch einen Geschäftsbesorger, der - wie hier die GMP - keine Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG besitzt (BGH, Urt. v. 23.3.2004 - XI ZR 194/02, MDR 2004, 1129 = BGHReport 2004, 1168 = WM 2004, 1221 [1223], m.w.N.). Nichts Anderes gilt für den hier vorliegenden Fall, dass im Rahmen eines Steuersparmodells (BGH, Urt. v. 8.10.2004 - V ZR 18/04, BGHReport 2005, 73 m. Anm. Lenz = MDR 2005, 259 = WM 2004, 2349 [2352]) ein Erbbaurecht nebst dem Sondereigentum an einer noch zu errichtenden Wohnung erworben werden soll. Die GMP durfte alle für den Erwerb erforderlichen Rechtshandlungen vornehmen; ihre Tätigkeit war somit auf eine unerlaubte Rechtsbesorgung gerichtet.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die GMP gem. §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB ggü. der C. bei dem Abschluss des Vertrags am 15.11.1994 vertretungsbefugt war.

a) Die §§ 171, 172 BGB sind auch dann anwendbar, wenn die umfassende Bevollmächtigung des Geschäftsbesorgers - wie hier - unmittelbar gegen Art. 1 § 1 RBerG verstößt und deshalb nach § 134 BGB nichtig ist (BGH, Urt. v. 23.3.2004 - XI ZR 194/02, MDR 2004, 1129 = BGHReport 2004, 1168 = WM 2004, 1221 [1223], m.w.N.; Urt. v. 8.10.2004 - V ZR 18/04, BGHReport 2005, 73 m. Anm. Lenz = MDR 2005, 259 = WM 2004, 2349 [2352]; Urt. v. 17.6.2005 - V ZR 78/04, Umdruck S. 5 ff.). Die Beklagte ist auch nicht gehindert, sich auf den Rechtsschein nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB zu berufen, weil - wie die Kläger in anderem Zusammenhang behaupten - die C. an der verbotenen Tätigkeit der GMP mitgewirkt habe. Nach § 173 BGB wird der gute Glaube des Vertragspartners an den gem. §§ 171, 172 BGB gesetzten Rechtsschein nur dann nicht geschützt, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muss. Daran fehlt es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts.

b) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, dass die Parteien des Vertrags v. 15.11.1994 auf die bereits bei dem Vertragsschluss am 3.3.1994 in Ausfertigung vorgelegte Vollmacht v. 28.10.1993 Bezug genommen hätten, so dass die C. sich nicht auf den Rechtsschein dieser Vollmacht habe verlassen können. Das übersieht den Hinweis im Eingang der Urkunde v. 15.11.1994 - auf die das Berufungsgericht durch Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil verwiesen hat , dass die GMP für die Kläger auf Grund der Vollmacht v. 28.10.1993 gehandelt hat. Das Erfordernis der Bezugnahme auf die dem Geschäftsgegner bereits früher einmal in Ausfertigung vorgelegte Vollmacht bei dem Abschluss eines weiteren Vertretungsgeschäfts (Bamberger/Roth/Habermeier, BGB, § 172 Rz. 8; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl., § 172 Rz. 7; Schramm in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 172 Rz. 8; Staudinger/Schilken, 2004, § 172 Rz. 5) ist somit erfüllt.

3. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht die Nichtigkeit des Vertrags v. 15.11.1994 nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz verneint.

a) Ein Verstoß des Rechtsbesorgers gegen Art. 1 § 1 RBerG führt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der von ihm als Vertreter des Auftraggebers abgeschlossenen Verträge (BGH, Urt. v. 16.3.2004 - XI ZR 60/03, MDR 2004, 822 = BGHReport 2004, 1094 = WM 2004, 1127 [1129]). Etwas Anderes kann aber dann gelten, wenn die andere Vertragspartei in einer Weise mit dem Rechtsbesorger zusammenarbeitet, dass ihre Tätigkeit als Beteiligung an der unerlaubten Rechtsbesorgung angesehen werden muss (BGH, Urt. v. 3.6.2003 - XI ZR 289/02, BGHReport 2003, 1077 m. Anm. Laschet = MDR 2003, 1244 = WM 2003, 1710 [1711]; Urt. v. 23.3.2004 - XI ZR 194/02, MDR 2004, 1129 = BGHReport 2004, 1168 = WM 2004, 1221 [1224]). Das ist hier jedoch - auch wenn man den Vortrag der Kläger zu der Einbindung der C. in die Konzeption des Steuersparmodells als richtig unterstellt - nicht der Fall.

aa) Der BGH hat in den sog. "Unfallhilfefällen" Darlehensverträge von Banken mit Unfallopfern für nichtig gehalten, bei denen die Darlehen gegen Abtretung aller Ersatzansprüche aus den Unfällen zur Finanzierung unfallbedingter Aufwendungen gewährt wurden und die Banken in organisiertem Zusammenwirken mit anderen Beteiligten (Mietwagenunternehmen, Rechtsanwälte) ein Verfahren betrieben, welches auf die vollständige Entlastung der Geschädigten von der gesamten Schadensabwicklung hinauslief. Dabei hat er entscheidend auf das Verhalten der Bank und auf das von ihr abgeschlossene Kreditgeschäft abgestellt (BGHZ 61, 317 [321 ff.]; BGH, Urt. v. 9.10.1975 - III ZR 31/73, WM 1976, 100 [102 f.]; Urt. v. 29.6.1978 - III ZR 174/76, WM 1978, 1062 [1063 f.]). Auch in anderen Fällen, in denen die Rechtsprechung einen Vertrag wegen Beteiligung an einer unerlaubten Rechtsbesorgung als nichtig angesehen hat (BGH v. 9.10.1986 - I ZR 138/84, BGHZ 98, 330 [332 ff.] = MDR 1987, 208; Urt. v. 24.6.1987 - I ZR 74/85, MDR 1988, 26 = WM 1987, 1263 [1264]), kam es darauf an, dass in dem jeweils vertraglich geschuldeten Verhalten die Beteiligung an der Rechtsbesorgung lag.

bb) Im Zusammenhang mit der rechtlichen Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträger- oder Bauherrenmodells hat der BGH dagegen - worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - entschieden, dass die von dem Rechtsbesorger in Vertretung des Auftraggebers mit Banken abgeschlossenen Darlehensverträge nicht der verbotenen Rechtsbesorgung dienten, sondern allein dem zulässigen Zweck des Erwerbs einer Eigentumswohnung (BGH, Urt. v. 3.6.2003 - XI ZR 289/02, BGHReport 2003, 1077 m. Anm. Laschet = MDR 2003, 1244 = WM 2003, 1710 [1713]; Urt. v. 16.3.2004 - XI ZR 60/03, MDR 2004, 822 = BGHReport 2004, 1094 = WM 2004, 1127 [1129]). Eine organisatorische Zusammenarbeit zwischen dem Rechtsbesorger und den Banken sowie deren Einbeziehung in das Bauobjekt ändern daran nichts, sondern haben allenfalls zur Folge, dass die Banken in anderer Weise als durch den Abschluss des Darlehensvertrags an der verbotenen Rechtsbesorgung mitgewirkt oder zu ihr beigetragen haben (BGH, Urt. v. 16.3.2004 - XI ZR 60/03, MDR 2004, 822 = BGHReport 2004, 1094 = WM 2004, 1127 [1129]; Urt. v. 23.3.2004 - XI ZR 192/02, WM 2004, 1221 [1224]).

cc) Ebenso hat der Senat den Abschluss eines Immobilienkaufvertrags im Rahmen eines Steuersparmodells, der sich auf den kaufvertragstypischen Leistungsaustausch beschränkt, nicht als Teilnahme an der unerlaubten Rechtsbesorgung des in diesem Modell tätigen Treuhänders angesehen (BGH, Urt. v. 8.10.2004 - V ZR 18/04, BGHReport 2005, 73 m. Anm. Lenz = MDR 2005, 259 = WM 2004, 2349 [2553]).

dd) Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich der Abschluss des Vertrags am 15.11.1994 nicht als Beteiligung der C. an der unerlaubten Rechtsbesorgung der GMP dar. Der Vertrag diente nicht der Verwirklichung des verbotenen Gesamtzwecks des Treuhandvertrags. Der bestand entgegen der Auffassung der Revision nicht in dem Erwerb eines Wohnungserbbaurechts, sondern darin, die Kläger von allen mit diesem Erwerb und der Herstellung der Eigentumswohnung zusammenhängenden Handlungen einschließlich des Abschlusses der dafür erforderlichen Verträge zu befreien. Der Vertrag v. 15.11.1994 war jedoch allein auf den Erwerb der Eigentumswohnung gerichtet. Dieser Vertragszweck war zulässig.

b) Daran ändert die von den Klägern behauptete Einbindung der C. in die Konzeption des Steuersparmodells nichts. Die etwa daraus folgende Mitwirkung an der verbotenen Rechtsbesorgung durch die GMP vollzog sich auf andere Art und Weise als dem Vertragsschluss am 15.11.1994. Aus diesem Grund kommt es auf die von der Revision angenommene sekundäre Darlegungslast der C. GmbH zu der Offenlegung der Innenverhältnisse zwischen den an dem Steuersparmodell beteiligten Unternehmen nicht an.

4. Schließlich ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass es den Klägern nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei, sich ggü. der Beklagten auf die Unwirksamkeit der Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung zu berufen, weil die Kläger sich zu der Abgabe der Unterwerfungserklärung verpflichtet hätten (BGH, Urt. v. 15.3.2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828 [830]).

5. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch die Nichtigkeit des Vertrags v. 15.11.1994 nach § 138 Abs. 1 BGB verneint. Die bisherigen Feststellungen tragen diese Auffassung nicht.

a) Gegenseitige Verträge können nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem ein weiterer Umstand hinzu kommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insb. der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, insb. des Senats, kann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, von dem bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen ist, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung rechtfertigen (BGH v. 19.1.2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298 [302] = MDR 2001, 683 = BGHReport 2001, 269 m. Anm. Palm, m.w.N.).

b) Dies hat das Berufungsgericht zwar nicht verkannt; es hat aber ein grobes oder auffälliges Missverhältnis zwischen dem von den Klägern zu zahlenden Erbbauzins und dem Wert der dafür erlangten Gegenleistung fehlerhaft verneint. Indem es lediglich die anderen 231 Wohnungserbbaurechte als Vergleichsobjekte herangezogen und darauf abgestellt hat, dass für sie ein vergleichbarer oder sogar gleich hoher Erbbauzins vereinbart worden war, hat es das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in Wahrheit nicht ermittelt. Denn diese Betrachtungsweise berücksichtigt nur den Wert der Leistung der Kläger, nicht aber den Wert der Gegenleistung der Beklagten. Sie besteht in der anteiligen Belastung des Grundstücks zu Gunsten der Kläger mit dem Recht, darauf ein Bauwerk zu haben. Der objektive Wert dieser Nutzungsüberlassung bestimmt sich nach der marktüblichen Verzinsung des dem Anteil der Kläger an dem gesamten Erbbaurecht entsprechenden Grundstückswerts am 15.11.1994. Die Frage der Marktüblichkeit darf hier nicht ausschließlich danach beantwortet werden, welche Verzinsung bei der Bestellung der anderen 231 Erbbaurechte vereinbart wurde. Denn da sämtliche Rechte von einem einzigen Ausgeber zu dem von ihm einheitlich festgelegten Erbbauzins angeboten wurden, fehlte es seinerzeit mangels anderer Angebote an einem für die Preisbildung aussagekräftigen Markt. Diese Situation war insoweit vergleichbar mit der, dass Gemeinden Grundstücke in neu ausgewiesenen Gewerbegebieten zu einem weit geringeren Preis als sonst üblich verkaufen, um die Ansiedlung von Betrieben wegen der damit einhergehenden Vorteile für die Allgemeinheit zu fördern. Die unter solchen Umständen zu Stande gekommenen Kaufpreise sind für einen Vergleich zum Zweck der Bodenwertermittlung nicht geeignet (Simon/Cors/Halaczinsky/Teß, Handbuch der Grundstückswertermittlung, 5. Aufl., Bd. 2 Rz. 3). Die Vorgehensweise des Berufungsgerichts hat - worauf die Revision zutreffend hinweist - zur Folge, dass bei der den örtlichen Markt prägenden Bestellung einer großen Zahl von Erbbaurechten die Möglichkeit einer Nichtigkeit der Geschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB wegen wucherähnlicher Sittenwidrigkeit auf Grund eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung von vornherein ausscheidet, die Bestellung eines einzelnen Erbbaurechts zu denselben Bedingungen aber dieser Nichtigkeitsfolge unterliegen kann. Ein solches unterschiedliches Ergebnis ist nicht gerechtfertigt. Deshalb durfte das Berufungsgericht den beweisbewehrten Vortrag der Kläger, der von ihnen zu zahlende Erbbauzins sei um nahezu 250 % überhöht, nicht als unschlüssig ansehen, sondern musste ihm nachgehen. Das wird es nachzuholen haben und dabei für die Wertermittlung auch auf die Bestellung von Erbbaurechten außerhalb von D. zurückgreifen müssen, damit es seiner Beurteilung eine ausreichende Zahl von geeigneten Vergleichsgeschäften zu Grunde legen kann. Die so ermittelte marktübliche Verzinsung des Grundstückswerts - die, wie allgemein bekannt ist, bei der Neubestellung eines Erbbaurechts für den Geschosswohnungsbau durchschnittlich zwischen 4 % und 5 % beträgt (Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl., VII Rz. 72) - ist für die Beurteilung des Wertverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung mit dem mit den Klägern vereinbarten Erbbauzins zu vergleichen. Dabei muss das Berufungsgericht auch berücksichtigen, dass dem Erwerber bei einem Steuersparmodell der Erwerb der Immobilie und die sonstigen Leistungen nicht gesondert, sondern als einheitliches Gesamtpaket angeboten werden; deshalb kann auch nur ein besonders grobes Missverhältnis zwischen dem Gesamtaufwand und dem Wert des gesamten "Leistungspakets" (unter Berücksichtigung der erzielbaren Steuervorteile) für die Frage der Sittenwidrigkeit des gesamten Vertragswerks bedeutsam sein (BGH, Urt. v. 8.10.2004 - V ZR 18/04, BGHReport 2005, 73 m. Anm. Lenz = MDR 2005, 259 = WM 2004, 2349 [2351]).

c) Die Überlegung des Berufungsgerichts, dass die C. die verlangten Preise nur deshalb erzielen konnte, weil eine entsprechende Nachfrage bestand, also viele Anleger zur Zahlung des hohen Erbbauzinses freiwillig bereit waren, spielt für die Feststellung eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung keine Rolle. Spezielle Motive der Vertragsparteien erlangen jedoch für die Prüfung der subjektiven Seite der Sittenwidrigkeit Bedeutung. Denn die mit dem zulässigen Schluss auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten begründete und von dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigende tatsächliche Vermutung kann dann nicht zur Anwendung kommen, wenn sie im Einzelfall durch besondere, von dem Begünstigten darzulegende und zu beweisende Umstände erschüttert ist (BGH v. 19.1.2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298 [305] = MDR 2001, 683 = BGHReport 2001, 269 m. Anm. Palm). Zu solchen Umständen gehört auch der Fall, dass den Vertragsparteien das Wertverhältnis der beiderseitigen Leistungen völlig gleichgültig war, weil der Erwerber zur (vermeintlichen) Steuerersparnis das Erbbaurecht auf jeden Fall erwerben wollte. Hierzu wird das Berufungsgericht ggf. die erforderlichen Feststellungen treffen müssen.

6. Falls das Berufungsgericht auch auf Grund der neuen Verhandlung den Vertrag v. 15.11.1994 als wirksam ansieht, wird es der Beklagten Gelegenheit geben müssen, zu ihrer Forderungsinhaberschaft vorzutragen. Dass sich diese nur aus einer Abtretungsvereinbarung mit der C. und nicht etwa aus der in dem Wohnungserbbaugrundbuch eingetragenen Reallast ergeben kann, ist bisher übersehen worden.

III.

Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 S. 1 ZPO).

 

Fundstellen

BFH/NV Beilage 2005, 385

BB 2005, 1762

DB 2005, 2129

NWB 2005, 3007

BGHR 2005, 1369

DWW 2005, 436

NJW-RR 2005, 1418

IBR 2005, 713

NZM 2005, 958

WM 2005, 1598

WuB 2005, 863

ZAP 2005, 1131

ZIP 2005, 1423

MDR 2005, 1341

VuR 2006, 145

BTR 2005, 208

NJW-Spezial 2005, 484

ZBB 2005, 375

BBV 2005, 35

BFH/NV-Beilage 2005, 385

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