Leitsatz (amtlich)

Die vom Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren beantragte Beiordnung eines Rechtsanwalts setzt voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Erfolgsaussicht lässt sich nur beurteilen, wenn der Schuldner darlegt, gegen welche vollstreckungsgerichtliche Maßnahme er sich im Einzelnen wenden oder wie er sich sonst konkret am Verfahren beteiligen möchte; die pauschale Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren insgesamt kommt bei der Immobiliarvollstreckung nicht in Betracht.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 121 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Beschluss vom 20.06.2003)

AG Pforzheim

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Karlsruhe v. 20.6.2003 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 27.000 Euro

 

Gründe

I. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus dinglichem Titel in Grundbesitz, der dem Schuldner und seiner geschiedenen Ehefrau je zu 1/2 gehört. Der erstinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners beantragte, diesem Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen, um dem Zwangsversteigerungsverfahren zum Zwecke der Teilungsversteigerung beitreten zu können. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Dagegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, er wolle allgemein im Zwangsversteigerungsverfahren anwaltlich vertreten sein, um insbesondere zu verhindern, dass das Grundstück unter Wert veräußert werde. Seine Beschwerde hatte vor dem LG keinen Erfolg. Dagegen wendet er sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II. Das gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, es fehle an den Voraussetzungen des § 114 ZPO. Mangels Gleichartigkeit der Verfahren könne der Schuldner dem Vollstreckungsversteigerungsverfahren nicht mit dem Ziel beitreten, die Teilungsversteigerung durchzuführen. Für das Vollstreckungsversteigerungsverfahren selbst sei die Rechtsverfolgung des Schuldners derzeit nicht zu bestimmen, so dass sich eine Erfolgsaussicht nicht feststellen lasse. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Verfahren mit Mängeln behaftet oder in seiner Durchführung unzulässig sei. Es sei ferner nicht erkennbar, dass der Schuldner künftig in seinen Rechten verletzt werde. Ihm bleibe immer noch die Möglichkeit, entsprechend seiner Interessenlage in den einzelnen Verfahrensstadien zu reagieren. Erst dann verfolge er ein konkretes Ziel, dessen Erfolgsaussicht geprüft werden könnte. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe als vorbeugende Maßnahme sehe das Gesetz nicht vor. Ohne dass die Voraussetzungen des § 114 ZPO erfüllt seien, komme auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht.

Die Rechtsbeschwerde stellt nicht in Frage, dass auch im Zwangsversteigerungsverfahren das Vorgehen der antragstellenden Partei Aussicht auf Erfolg haben muss. Sie meint jedoch, dass nach dem Grundsatz der Waffengleichheit die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich sei, wenn der Gegner in gleicher Weise rechtlich unterstützt werde. Die Gläubigerin sei im gegebenen Fall zwar nicht anwaltlich vertreten. Als Bank verfüge sie aber über eine dem Schuldner weit überlegene Sachkenntnis im Zwangsversteigerungsverfahren; aus der Eigenschaft als Gläubiger und Schuldner ergebe sich eine "natürliche Gegnerschaft" der Parteien.

2. Dem Standpunkt der Rechtsbeschwerde kann nicht gefolgt werden.

a) Sie räumt ein, dass die vom Schuldner beantragte Beiordnung eines Rechtsanwalts gem. § 121 Abs. 2 ZPO nur in Betracht kommt, wenn sich zuvor die Voraussetzungen des § 114 ZPO bejahen lassen (Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 114 Rz. 65; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 121 Rz. 2; LG Münster v. 30.6.1994 - 5 T 521/94, MDR 1994, 1254 = Rpfleger 1995, 36; LG Krefeld v. 30.11.1987 - 6 T 316/87, Rpfleger 1988, 156; LG Bielefeld v. 17.9.1986 - 3 T 836/86, Rpfleger 1987, 210). Bei mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung scheidet eine Beiordnung aus, selbst wenn der Gegner anwaltlich vertreten, der antragstellenden Partei in sonstiger Weise überlegen sein oder sich die Sach- und Rechtslage so schwierig gestalten sollte, dass die Partei zu einer sachgerechten Wahrnehmung ihrer Interessen anwaltlichen Beistandes bedarf. Denn § 121 ZPO regelt lediglich, wann der Partei, der Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, zusätzlich ein Rechtsanwalt beigeordnet werden muss (vgl. BGH v. 30.5.1984 - VIII ZR 39/83, BGHZ 91, 305 [315] = MDR 1984, 835). Ob ihr aber überhaupt Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, bestimmt sich ausschließlich nach § 114 ZPO. Nur wenn die dort genannten, verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BVerfG v. 28.1.1981 - 1 BvR 650/80, BVerfGE 56, 139 [143]) Voraussetzungen vorliegen, ist die unbemittelte der bemittelten Partei gleichzustellen. Für das Zwangsvollstreckungsverfahren ergeben sich insoweit keine Besonderheiten. Die von § 114 ZPO geforderte Erfolgsaussicht lässt sich auch dort ex ante beurteilen, worauf das Beschwerdegericht zutreffend verweist. Das gilt für den Gläubiger, der seinen titulierten Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen will, ebenso wie für den Schuldner, der sich gegen konkrete vollstreckungsrechtliche Eingriffe zur Wehr setzen möchte. Soweit im Zuge des Prozesskostenhilfe-Änderungsgesetzes v. 10.10.1994 (BGBl. I, 2954 f.) in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 13/341, 13) eine abweichende - allein auf die Person des Vollstreckungsgläubigers bezogene - Auffassung vertreten wurde, ist dies in den Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO nicht zum Ausdruck gekommen.

b) Das Beschwerdegericht hat im gegebenen Fall eine Erfolgsaussicht i. S. d. § 114 ZPO verneint. Das nimmt die Rechtsbeschwerde hin; die Ausführungen des Beschwerdegerichts lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen. Die pauschale Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt für den Schuldner allein bei der Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen in Betracht (arg. e. § 119 Abs. 2 ZPO). Bei der Immobiliarvollstreckung kann Prozesskostenhilfe nicht insgesamt, sondern nur für einzelne Verfahrensabschnitte und Verfahrensziele gewährt werden (Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 119 Rz. 8; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 114 Rz. 65; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 119 Rz. 15; LG Bielefeld v. 17.9.1986 - 3 T 836/86, Rpfleger 1987, 210; LG Münster v. 30.6.1994 - 5 T 521/94, MDR 1994, 1254 = Rpfleger 1995, 36; LG Krefeld v. 30.11.1987 - 6 T 316/87, Rpfleger 1988, 156; a. A. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 119 Rz. 33 f.; Stöber, ZVG, 17. Aufl., Einleitung 4.52). Das Zwangsversteigerungsgesetz sieht eine Vielzahl von Möglichkeiten für eine Beteiligung des Schuldners am Verfahren vor, deren Erfolgsaussichten für den Einzelfall geprüft werden müssen. Von welchen der ihm eröffneten Möglichkeiten er Gebrauch machen möchte, hat der Schuldner hier nicht deutlich gemacht. Soweit er sich darauf beruft, er wolle eine Veräußerung des Grundbesitzes unter Wert verhindern, ist dies zu allgemein gehalten und lässt konkret beabsichtigte Abwehrmaßnahmen gegen die Art und Weise, wie das Zwangsversteigerungsverfahren durchgeführt wird, nicht erkennen. Das Beschwerdegericht hat zu Recht keinen Anhalt dafür gesehen, dass Rechtsverletzungen des Schuldners eingetreten sind oder künftig drohen. Es lässt sich daher derzeit nicht beurteilen, inwieweit der Schuldner mit Erfolg in den Ablauf des Zwangsversteigerungsverfahrens eingreifen könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1077169

DB 2004, 597

BGHR 2004, 194

FamRZ 2004, 177

NJW-RR 2004, 787

KTS 2004, 460

ZfIR 2004, 173

MDR 2004, 414

Rpfleger 2004, 174

RVGreport 2004, 120

ProzRB 2004, 87

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