Entscheidungsstichwort (Thema)

Urteil zur Bestellung einer Dienstbarkeit. Wertminderung des Grundstücks als Wert des Rechtsbeschwerdegegenstands

 

Leitsatz (amtlich)

a) Der Wert des Beschwerdegegenstandes kann bei der Verurteilung zur Bestellung einer Dienstbarkeit nicht nach dem fiktiven Erbbauzins für die Ausübungsfläche bemessen werden.

b) Der Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst sich auch dann nach der vollen Wertminderung des dienenden Grundstücks, wenn die Verurteilung zur Bestellung einer Dienstbarkeit auf § 116 SachenRBerG beruht.

 

Normenkette

ZPO §§ 7, 9, 511 Abs. 2 Nr. 1; SachenRBerG § 116

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Beschluss vom 04.02.2003)

AG Bergen/Rügen

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Stralsund v. 4.2.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 1.533,88 Euro.

 

Gründe

I.

Die Beklagte ist vom AG verurteilt worden, zum Zwecke des Befahrens und Belieferns durch den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Kläger eine Grunddienstbarkeit zu bestellen. Das LG hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

Das Berufungsgericht bewertet den Beschwerdegegenstand mit 44,80 Euro, womit den Anforderungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, dem Überschreiten der Grenze von 600 Euro, nicht genügt sei. Die Beklagte habe den Wert des Beschwerdegegenstandes trotz Aufforderung nicht glaubhaft gemacht. Er sei daher nach freiem Ermessen zu schätzen. Das Interesse der Beklagten an der Abänderung der Entscheidung entspreche der Beschwer, die durch die Verurteilung zur Bestellung eines inhaltgleichen Notwegerechts begründet werde. Die maßgebliche Notwegrente bemesse sich nach den Vorschriften über die Überbaurente, ein angemessener Maßstab hierfür sei der Erbbauzins. Er belaufe sich für den von der Dienstbarkeit betroffenen Grundstücksteil von 128 qm bei einem Bodenwert von 2,50 Euro/qm und einem Zinsfuß von 4v. H. auf jährlich 12,80 Euro. Der Wert des Beschwerdegegenstandes belaufe sich auf das Dreieinhalbfache.

Dies hält der Rechtsbeschwerde nicht stand.

III.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1i. V. m. § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO unbeschadet des Umstandes, dass der Wert der geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro nicht übersteigt (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO; BGH, Beschl. v. 4.9.2002 - VIII ZB 23/02, BGHReport 2002, 1113 = NJW 2002, 3783; Beschl. v. 19.9.2002 - V ZB 31/02, BGHReport 2002, 1112 = MDR 2003, 46), statthaft. Sie ist auch sonst zulässig, denn die Beklagte legt dar (nachstehend zu 2), dass das Berufungsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat und was sie bei Gewährung des Gehörs vorgetragen hätte (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO; st. Rspr. des BGH, zuletzt Beschl. v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHReport 2003, 686 = MDR 2003, 822, für BGHZ bestimmt).

2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die Verwerfung der Berufung wegen fehlender Glaubhaftmachung, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, verletzt das Recht der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Das Berufungsgericht hat die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung mit der Begründung verfügt, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden. Zugleich hat es der Beklagten aufgegeben, binnen zwei Wochen den Wert des Beschwerdegegenstandes glaubhaft zu machen; eine Bezugnahme auf die Streitwertangabe (Kläger: 10.000 DM) bzw. die Streitwertfestsetzung genüge nicht, vielmehr sei die Beschwer aus der Sicht des dienenden Grundstücks zu beziffern. Die Verfügung hat das Berufungsgericht der Beklagten nur insoweit bekannt gegeben, als sie die Terminsaufhebung und den Hinweis auf Zulässigkeitsbedenken zum Inhalt hat. Die an die Beklagte gerichtete Auflage wurde nicht dieser, sondern den Klägern mitgeteilt. Das Berufungsgericht durfte danach nicht davon ausgehen, die Beklagte habe die Auflage nicht erfüllt. Die der Beklagten bruchstückhaft zugegangene Mitteilung, die lediglich nicht näher bezeichnete Bedenken zum Inhalt hatte, gab hierfür keine Grundlage.

b) Die Beklagte legt dar, bei Kenntnis der Auflage hätte sie vorgetragen, die Ausübungsfläche der Dienstbarkeit betrage mindestens 500 qm. Über die eigentliche Wegefläche, von der das Berufungsgericht ausgehe, hinaus werde die Fläche zwischen Garagen und Lagerhalle und der Wegespur sowie eine weitere, zum Wenden von Lkw erforderliche Fläche in Anspruch genommen. Die Ausübungsfläche werde jeder weiteren Nutzung entzogen. Ihr Wert liege als Gartenland bereits bei 1.533,88 Euro, der tatsächliche Wert liege darüber, denn sie sei in den Entwurf eines Bebauungsplanes einbezogen.

c) Die Darlegungen der Beklagten, von denen für die Rechtsbeschwerde auszugehen ist, sind entscheidungserheblich. Maßgeblich für den Wert des Beschwerdegegenstandes ist für die beklagte Seite, die sich gegen die Verurteilung zur Bestellung einer Dienstbarkeit wehrt, die Wertminderung, die ihr Grundstück durch die Belastung erleidet (§ 7, 2. Alt. ZPO; BGH BGHZ 23, 205; Urt. v. 18.5.1990 - V ZR 291/89; Beschl. v. 11.7.1994 - II ZB 13/93, MDR 1994, 1035). Die Beklagte braucht sich, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht auf eine fiktive Gegenleistung in Rentenform verweisen lassen, deren Kapitalisierung die Obergrenze des § 9 S. 1 ZPO, der dreieinhalbfache Jahresbetrag, entgegensteht. Das Berufungsgericht wird im Verfahren der Glaubhaftmachung (§ 511 Abs. 3 ZPO) zu klären haben, ob es die Angaben der Beklagten rechtfertigen, von einer Wertminderung ihres Grundstücks auszugehen, die 600 Euro übersteigt.

Hierbei wird das Berufungsgericht, entgegen der Auffassung des Thüringer OLG (OLG Jena OLG-NL 2001, 263) die Wertminderung nicht im Hinblick auf den Umstand begrenzen können, dass dem Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG, der Grundlage der Verurteilung durch das AG ist, Verhältnisse zu Grunde liegen, die nach der Rechtswirklichkeit in der DDR schon bestanden haben. Beim Streit zwischen Nutzer und Eigentümer um die Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG geht es gerade darum, ob ein aus der Zeit der DDR überkommenes Nutzungsverhältnis besteht, das in eine Dienstbarkeit übergeleitet werden kann. Der Wert der Dienstbarkeit für das herrschende Grundstück, bzw. die Wertminderung des dienenden Grundstücks nach § 7 ZPO ist in solchen Fällen ungekürzt anzusetzen. Entsprechend hat der Senat auch bei der Bewertung des Bereinigungsanspruchs auf Ankauf eines Grundstücks dessen Verkehrswert, nicht den geringeren Ankaufspreis, dem die Rechtsverhältnisse aus der Zeit der DDR (mit) zu Grunde liegen, als maßgeblich angesehen (BGH, Beschl. v. 15.4.1999 - V ZR 391/98, MDR 1999, 1022 = WM 1999, 1734; vgl. auch Beschl. v. 7.12.2000 - V ZR 335/99, MDR 2001, 292 = BGHReport 2001, 224 = WM 2001, 479).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1058749

BGHR 2004, 71

VIZ 2004, 134

ZfIR 2004, 85

MDR 2004, 296

NJ 2004, 321

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