Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 16.03.2005; Aktenzeichen 2 BvR 315/05)

 

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 10.000,– EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Anträge,

  1. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin so zu behandeln, als ob ihr Fraktionsstatus im Kreistag des S. -T. -Kreises zukommt, das heißt, insbesondere die ihr zukommenden Partizipations- und Antragsrechte zu beachten,
  2. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts Neuwahlen für die in der Sitzung vom 5.11.2004 unter Top 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 11, 12.1, 14, 15, 16, 18, 24, 34, 35, 36 und 41 gefassten Beschlüsse zur Besetzung der zuvor gebildeten Ausschüsse sowie der weiteren Vertreterversammlung durchzuführen,

haben keinen Erfolg.

I.

Allerdings ist der Antrag zu 1) entgegen der Auffasung des Antragsgegners zulässig. Zwar trifft es zu, dass im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens unabhängig von der Form des Rechtsschutzes immer die Klage- bzw. Antragsbefugnis vorliegen muss. Diese kann hier indes nicht verneint werden. Nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung liegt die Klage- oder Antragsbefugnis jedenfalls immer dann vor, wenn das Vorliegen des geltend gemachten Anspruchs nicht ausgeschlossen werden kann. Davon muss hier ausgegangen werden. Im Übrigen muss es der Antragstellerin auch möglich sein, die Frage, ob ihr Fraktionsstatus zukommt oder nicht, gerichtlich klären zu lassen.

Der Antrag zu 1) hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil die Antragstellerin keine Fraktion im Sinne der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) ist und es somit bereits an dem erforderlichen Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO fehlt.

Zwar erfüllt die Antragstellerin die Anforderungen hinsichtlich der Mindeststärke einer Fraktion und mag auch die verfahrensrechtlich erforderlichen Schritte zur Gründung einer solchen Gemeinschaft vorgenommen haben. Sie genügt jedoch den darüber hinaus gehenden inhaltlichen Anforderungen an das Vorliegen einer Fraktion im kommunalverfassungsrechtlichen Sinne nicht.

Die KrO NRW enthält allerdings (wie auch die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen) keine ausdrückliche Definition des Begriffes der Fraktion. In der Literatur wird die kommunale Fraktion als „für die Dauer einer Wahlperiode gebildeter Zusammenschluss grundsätzlich gleichgesinnter Mandatsträger in der Regel derselben Partei für die formierte Mitwirkung an der Arbeit der Vertretungskörperschaft sowie zur gemeinsamen Durchsetzung politischer Zielsetzungen” definiert.

So Brockmann, Die Finanzierung kommunaler Fraktionen aus dem gemeindlichen Haushalt, NWVBl. 2004, 449 ff m. w. Nachweisen.

Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden Fraktionen als „Zusammenschlüsse politisch gleichgesinnter Mitglieder der Volksvertretung” bezeichnet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2003 –8 C 18/03–, NVwZ 2004, 621 f zu einer Stadtratsfraktion in NRW.

Darüber hinaus wird gerade in der Bündelung und Koordinierung der Meinungsvielfalt innerhalb einer Gruppe von Mandatsträgern, die grundsätzlich die gleiche politische Grundüberzeugung haben, der Sinn der Fraktionsbildung und die Rechtfertigung für die (teilweise) Finanzierung der Fraktionen aus Steuergeldern gesehen.

Vgl. dazu etwa OVG NRW, Urteil vom 30.03.2004 –15 A 2360/02–, NVwZ-RR 2004, 674 ff und OVG NRW, Urteil vom 08.19.2002 –15 A 4734/01–, NVwZ-RR 2003, 376 ff..

Bei grundsätzlich nicht übereinstimmenden Grundauffassungen kann auch nichts koordiniert werden.

Dass ein politischer Grundkonsens zu den Wesensmerkmalen einer Fraktion gehört, wird schließlich dadurch bestätigt, dass eine Abweichung in zentralen Fragen, auf die sich der politische Konsens bezieht, zu den Gründen gehört, die einen Fraktionsausschluss rechtfertigen.

Vgl. hierzu etwa VGH Kassel, Beschluss vom 05.01.1998 –8 TG 3361/97–, NVwZ 1999, 1369 ff..

Im Übrigen erscheint die gesetzliche Differenzierung zwischen Fraktionen, Gruppen und Einzelmandatsträgern allein vor dem Hintergrund der aufgezeigten Wesensmerkmale der Fraktion sinnvoll. Wäre lediglich das Erfordernis einer Mindestanzahl von Mitgliedern ausreichend, würden sich in allen Vertretungen die jeweils verbeibenden Einzelmandatsträger aus „technischen” Gründen zusammen schließen, um die gesetzlich gewährten Vorteile des Fraktionsstatus in Anspruch zu nehmen. Derartig willkürliche Verbindungen würden aber nicht dem Wählerwillen entsprechen. Ein Bürger, der die PDS wählt, kann nicht davon ausgehen, dass mit seiner Stimme durch das Eingehen einer „technischen” Fraktion letztlich ein Mandatsträger der NPD (u.a.) finanziell unterstützt wird.

An dem danach erforderlichen Konsens in politischen Grundsatzfragen fehlt es bei der Antragstellerin. Dies bedarf bei Mandatsträgern, die einerseits für die PDS und andererseits für die NPD gewählt worden sind, keiner weiteren Begründung und d...

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