Entscheidungsstichwort (Thema)

Landesdisziplinarrecht. Disziplinarverfahren und Steuergeheimnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Disziplinarverfügung, die unter Verstoß gegen das Steuergeheimnis zustande gekommen ist, ist rechtswidrig und verletzt den Beamten in seinen Rechten, so dass sie aufzuheben ist.

2. Zur Bedeutung des Steuergeheimnisses in Disziplinarverfahren.

 

Normenkette

SDO § 56 Abs. 2 S. 2, § 32 Abs. 3; SDG § 85 Abs. 3; AO § 30 Abs. 4 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

OVG des Saarlandes (Urteil vom 12.11.2008; Aktenzeichen 6 A 157/08)

 

Tenor

I. Die in der Einstellungsverfügung des Beklagten vom 27.12.2006 enthaltene Disziplinarverfügung wird aufgehoben.

II. Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens trägt das beklagte Ministerium.

III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Das beklagte Ministerium darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die am … 1955 geborene Klägerin ist seit dem 02.11.1972 als Finanzbeamtin in der saarländischen Steuerverwaltung tätig.

Im Zuge von Durchsuchungsmaßnahmen am 16.05.2002 bei einer Saarbrücker Steuerberatungsgesellschaft entstand der Verdacht, dass sie in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis für dieses Steuerberaterbüro tätig geworden war, ohne die entsprechenden Einkünfte aus dieser Tätigkeit versteuert zu haben. Daraufhin wurde am 17.05.2002 ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung hinsichtlich der Jahre 1996 – 2000 gegen sie eingeleitet.

Mit Verfügung vom 23.05.2002 wurde auch ein Vorermittlungsverfahren gemäß §§ 27 ff. SDO wegen des Verdachts der unerlaubten Hilfe in Steuersachen in mehreren Fällen und einer damit verbundenen Steuerhinterziehung gegen sie eingeleitet; zugleich wurde dieses Verfahren wegen des laufenden Strafverfahrens ausgesetzt. Auf welchem konkreten Weg die Steuerfahndung den Dienstvorgesetzten der Klägerin informiert hatte, ist den vorgelegten Verwaltungsunterlagen nicht zu entnehmen.

Mit Schreiben vom 11.07.2002 teilte die Steuerfahndung dem beklagten Ministerium mit, dass ein Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin eingeleitet worden sei; zuvor hatte der ermittelnde Steuerfahnder in einem Aktenvermerk vom 05.07.2002 u.a. festgehalten, dass „die steuerlichen Auswirkungen” des Verhaltens der Klägerin „hinsichtlich der Steuerschuld als gering anzusehen” seien.

Unter dem 17.06.2003 erstellte der im Steuerstrafverfahren tätige Steuerfahnder seinen Schlussbericht. Dieser wurde am 02.07.2003 dem im Disziplinarverfahren tätigen Vorermittlungsführer übersandt und von dem Dienstvorgesetzten der Klägerin am 04.08.2003 zusammen mit der übrigen Disziplinarakte und der Anregung, ein förmliches Disziplinarverfahren gegen die Klägerin einzuleiten, an das beklagte Ministerium weitergeleitet. Eine Überprüfung der Zulässigkeit dieser Übermittlungen durch die jeweils zuständigen Amtswalter ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

Mit Schreiben vom 04.09.2003 wurde die Klägerin vom Beklagten darüber informiert, dass wegen der Schwere der Pflichtverletzungen, die sich aus dem Schlussbericht der Steuerfahndung ergäben, beabsichtigt sei, das förmliche Disziplinarverfahren gegen sie einzuleiten. Mit Schreiben vom 26.09.2003 nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hierzu Stellung, wobei er Verfahrensmängel rügte.

Mit Verfügung vom 27.11.2003 leitete das beklagte Ministerium der Finanzen sodann das förmliche Disziplinarverfahren gegen die Klägerin ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach dem Ergebnis der Ermittlungen stehe sie im Verdacht, ihre Dienstpflichten durch folgende Handlungen verletzt zu haben:

„1) Steuerverkürzung in erheblichem Umfang in den Jahren 1992 bis 2000:

  • durch Nichterklärung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aufgrund der Tätigkeit bei der Steuerberatung in den Jahren 1995 bis 1999,
  • durch Nichterklärung von Einkünften aus Gewerbebetrieb aus der Erstellung von Steuererklärungen in den Jahren 1991 bis 2000
  • durch Nichtversteuerung von Einnahmen aus Kapitalvermögen für die Jahre 1991 und 1992

(im Einzelnen wird auf den Schlussbericht der Steuerfahndungsstelle verwiesen)

2) unerlaubte Hilfe in Steuersachen in den Jahren 1991 bis 2000

3) Ausübung einer Nebentätigkeit ohne Genehmigung in den Jahren

1991 bis 2000”

Gleichzeitig wurde das Verfahren gemäß § 17 Abs. 2 SDO im Hinblick auf das bereits am 17.05.2002 gegen die Klägerin eingeleitete Steuerstrafverfahren ausgesetzt und angekündigt, zu gegebener Zeit würden ein Untersuchungsführer und ein Vertreter der Einleitungsbehörde bestellt.

Mit am 21.03.2006 beim Finanzamt A-Stadt eingegangenem Schreiben vom 14.03.2006 teilte die Staatsanwaltschaft A-Stadt mit, das Strafverfahren gegen die Klägerin sei nach Erfüllung einer Geldauflage (in Hö...

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