Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckungsklausel, Gesamtrechtsnachfolge, Offenkundigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Gesamtrechtsnachfolger eines durch Verschmelzung erloschenen Vollstreckungsgläubigers hat auch bei vollständiger Namensgleichheit beider Rechtsträger Anspruch auf Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 727 Abs. 1 ZPO vorliegen.

2. Zur Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge bei Gericht.

 

Normenkette

ZPO § 727; UmwG § 20

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Beschluss vom 12.01.2012; Aktenzeichen 1 O 869/08)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Meiningen vom 12.1.2012 aufgehoben.

2. Die Rechtspflegerin des LG Meiningen wird angewiesen, über den Antrag vom 6.9.2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Klägerin die Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel für den Vollstreckungsbescheid vom 2.5.2008 und den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.11.2008.

Die Klägerin, die E. AG mit Sitz in E., Sch. Straße 30 war eingetragen im Handelsregister beim AG Jena unter der Nr. HRB 100 ... Sie erwirkte am 2.5.2008 einen Vollstreckungsbescheid des AG Aschersleben gegen den Antragsgegner. Seinen Einspruch hat der Antragsgegner im Termin des LG Meiningen vom 15.10.2008 zurückgenommen. Auf Antrag der Klägerin erließ das LG am 19.11.2008 einen Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Beklagten.

Die bei dem AG Jena unter der Nr.: HRB 100 ... eingetragen gewesene E. AG und die ... Beteiligungsgesellschaft mbH mit Sitz in M. (AG München HRB 144 ...) sind aufgrund eines Verschmelzungsvertrages vom 17.12.2007 sowie eines Beschlusses der Hauptversammlung vom 17.12.2007 und Beschluss der Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft vom 19.12.2007 mit der E ... Beteiligungsverwaltungs-AG mit Sitz in E., eingetragen im Handelsregister bei dem AG Jena unter der Nr. 502 ... verschmolzen. Dieses Unternehmen - die Antragstellerin - hat ihre Firma geändert und heißt nun ebenfalls E. AG. Die Verschmelzung und Firmenänderung wurde am 1.12.2008 im Handelsregister bei dem AG Jena eingetragen und am 4.12.2008 nach § 19 Abs. 3 UmwG bekannt gemacht. Eine Bekanntmachung durch den Vorstand im elektronischen Bundesanzeiger erfolgte am 16.12.2008.

Mit gleichlautenden Schreiben vom 26.9.2011 an die Präsidenten des OLG Jena und des LG Meiningen sowie die Direktorin des AG Meiningen und wohl an alle übrigen Vorstände der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit Thüringens erläuterte die Antragstellerin ihre Rechtsnachfolge nach der ehemaligen E. AG, wies auf erforderliche Titelumschreibungen hin und bat, den mit der Erteilung der Rechtsnachfolgeklauseln befassten Richtern und Rechtspflegern das Schreiben sowie die beigefügten Handelsregisterauszüge zur Kenntnis zu geben. Jedenfalls dem an den Präsidenten des OLG Jena gerichteten Schreiben (hier geführt unter dem Az.: 3740 E - 3/11) lagen beglaubigte Handelsregisterauszüge zu HRB 100 ... und HRB 502 ... bei. Die Vorstände der angesprochenen Gerichte haben diese Bitte, soweit ersichtlich, unterschiedlich behandelt.

Bereits mit Schreiben vom 6.9.2011 beantragte die Antragstellerin bei dem LG Meiningen die Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel für den Vollstreckungsbescheid vom 2.5.2008 und den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.11.2008, in der jeweils vermerkt werden sollte, dass die Rechtsnachfolge offenkundig sei. Nachdem die Rechtspflegerin zum Nachweis der Rechtsnachfolge beglaubigte Handelsregisterauszüge nachgefordert hatte, verwies die Antragstellerin auf das Schreiben vom 26.9.2011.

Mit Beschluss vom 12.1.2012 lehnte die Rechtspflegerin die Klauselerteilung für den Vollstreckungsbescheid ab. Zur Begründung hat sie ausgeführt, im Hinblick auf die Namensgleichheit zwischen ursprünglicher Klägerin und Antragstellerin bedürfe es keiner Rechtsnachfolgeklausel; dem Antrag fehle das Rechtschutzbedürfnis. Da es die Fa.E. AG nur einmal gebe, sei eine Verwechslung ausgeschlossen, Vollstreckungshindernisse seien bisher auch nicht aufgetreten. Im Übrigen sei die Rechtsnachfolge auch nicht offenkundig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das LG am 23.2.2012 nicht abgeholfen hat.

II. Die nach §§ 567, 793 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Nach den in Kopie bei den Akten befindlichen Handelsregisterauszügen (die die Antragstellerin nicht vorgelegt hat) ist die Klägerin durch Eintragung der Verschmelzung erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG); die Antragstellerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der Klägerin (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Bei der Klägerin und der Antragstellerin handelt es sich also um unterschiedliche juristische Personen, die nur den gleichen Namen, die gleiche Firma führen. Da der Kostenfestsetzungsbeschluss vor der Eintragung der Verschmelzung ergangen ist, hat die Antragstellerin nach § 727 Abs. 1 ZPO einen Ans...

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