Leitsatz (amtlich)

Gutgläubiger Erwerb eines Kraftfahrzeugs: zur Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Gutgläubigkeit und der Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II

 

Normenkette

BGB §§ 932, 952, 985, 1006 Abs. 1 S. 1; HGB § 366

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 26.02.2021; Aktenzeichen 15 O 43/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.02.2021, Az. 15 O 43/20, abgeändert:

(1) Die Beklagte wird verurteilt, die Zulassungsbescheinigung Teil II zu dem Fahrzeug Mercedes Benz C43 AMG, FIN WDD205... an die Klägerin herauszugeben.

(2) Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 EUR, wenn nicht vor der Vollstreckung die Klägerin Sicherheit in Höhe von 15.000 EUR leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt die Herausgabe der sich in dem Besitz der Beklagten befindlichen Zulassungsbescheinigung Teil II eines Fahrzeugs, welches sie von der Leasingnehmerin der Beklagten übereignet und gutgläubig erworben zu haben behauptet. Die Beklagte verlangt widerklagend die Herausgabe dieses Fahrzeugs.

Die Klägerin, die Fahrzeuge in I. vertreibt, kaufte - vermittelt durch den Zeugen Ch. - am 22.03.2019 aufgrund einer Internetanzeige ohne vorherige Besichtigung das streitgegenständliche, im Eigentum der Beklagten stehende Fahrzeug von der vormals als Autohaus R. GmbH firmierenden P. C. Germany GmbH (nachfolgend: P. GmbH) für 30.800 EUR (Anlage K 1). Die genauen Umstände der Übereignung sind streitig, insbesondere ob sich der Zeuge Ch. eine (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen ließ.

Im Übrigen wird auf die tatbestandlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass sich das Fahrzeug zwischenzeitlich in Italien befindet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Klägerin zur Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II nach §§ 985, 952 Abs. 1 BGB (analog). Sie habe das Fahrzeug von der P. GmbH nicht gutgläubig erworben. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzung der Gutgläubigkeit i.S.d. § 932 Abs. 2 BGB bei dem Zeugen Ch., auf den es insoweit ankomme (§ 166 BGB), bei Übereignung des Fahrzeugs vorgelegen habe. Beim gutgläubigen Erwerb eines Fahrzeugs stelle es eine Mindestvoraussetzung dar, dass der Erwerber sich die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lasse. Hierfür trage der Erwerber trotz § 932 Abs. 2 BGB die Beweislast. Denn der Alteigentümer sei beim Erwerbsvorgang typischerweise nicht zugegen, wohingegen es dem Erwerber in der Regel leicht möglich sei, die Papiere vorzulegen und damit zu seinen Gunsten einen Anschein zu begründen, ihm seien sie beim Erwerb vorgelegt worden. Jedenfalls treffe den Erwerber bei nachgewiesenen Unstimmigkeiten des Erwerbsvorgangs eine sekundäre Darlegungslast.

Im Streitfall sei das Landgericht nicht überzeugt, dass der Zeuge Ch. gutgläubig i.S.d. § 932 Abs. 2, § 366 HGB gewesen sei. Zwar habe er glaubhaft angegeben, er habe sich die Papiere, darunter die Zulassungsbescheinigung Teil II, zeigen lassen und die Fahrgestellnummern verglichen. Auch habe er - insoweit in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag (Anlage K 1) - nachvollziehbar ausgeführt, dass im internationalen Handel bei Nettogeschäften regelmäßig die Zulassungsbescheinigung Teil II bis zum Erhalt der Gelangensbestätigung vom Verkäufer zurückgehalten werde. Auffällig sei jedoch, dass der Zeuge gegenüber der Polizei die angebliche Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II nicht erwähnt habe, sondern vielmehr angegeben habe, ihm sei gesagt worden, der Erhalt der Papiere verzögere sich, weil der Kaufpreis an den vorherigen Verkäufer noch nicht vollständig gezahlt worden sei. Dazuhin stelle es ein Verdachtsmoment dar, dass der Zeuge lediglich über eine Handynummer einer ihm namentlich nicht bekannten Frau verfügt haben will, ohne dass es eine Festnetznummer gegeben habe. Schließlich falle auf, dass der Zeuge angab, bei Übergabe eines Fahrzeugs nur Fotos zu machen, um dessen Zustand zu dokumentieren, nicht aber von den Papieren. Dem widerspreche es, wenn die Klägerin angebe, im Falle eines kurz zuvor von der P. GmbH erworbenen Mercedes E220 habe der Zeuge ein französisches Fahrzeugpapier (Anlage K 3) fotografiert.

Habe die Beklagte ihr Eigentum nach alledem nicht verloren, stehe ihr der widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gemäß § 985 BGB zu.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und mit einer Begründung versehenen, den Anforderungen der §§ 517, 519 ZPO entsprechenden Berufung. Die Beweiswürdigung des Landgerichts überzeuge nicht. Es sei bereits nicht klar, wie das Landgericht, das in Bezug auf die Umstände des Erwerbs an der eine...

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