Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Fahrzeughersteller mit der Behauptung in Anspruch genommen, ein Fahrzeug einer Tochtergesellschaft weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf, kommt weder eine Haftung der Muttergesellschaft aufgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB, noch eine Haftung im Rahmen der Prospekthaftung in Betracht.

2. Die Muttergesellschaft haftet in einer solchen Konstellation auch nicht im Rahmen einer Konzernhaftung für einen möglicherwiese gegenüber der Tochtergesellschaft bestehenden Anspruch. Es haften nach dem so genannten Trennungsprinzip im Vertragskonzern für die Verbindlichkeiten der einzelnen Konzernglieder grundsätzlich nur diese, nicht dagegen die anderen Konzernunternehmen einschließlich der Muttergesellschaft.

 

Normenkette

AktG §§ 15, 309-310, 322; BGB § 311 Abs. 2-3, § 823 Abs. 2, § 826

 

Verfahrensgang

LG Ellwangen (Urteil vom 04.10.2018; Aktenzeichen 3 O 120/18)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 04.10.2018, Az. 3 O 120/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 50.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz unter Anrechnung einer im Termin zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des am 17.09.2012 als Gebrauchtwagen erworbenen streitgegenständlichen Fahrzeugs Audi A6 Avant 3,0 TDI 180 kW mit der Abgasnorm Euro 5, da das Fahrzeug mit einer von der Beklagten sowie der Audi AG entwickelten unzulässigen Abschalteinrichtung versehen worden sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, dass sich die Entwicklungsgeschichte der 3,0 l Motoren anhand des "Statement of Facts" rekonstruieren lasse, in welchem Audi und Porsche eingeräumt hätten, bei den 3,0 l-Fahrzeugen eine doppelte Abschalteinrichtung verbaut zu haben. Es würden über eine höhere Abgasrückführungs- [im Folgenden: AGR] Quote nur für den Rollenprüfstand die Stickstoffdioxidwerte gemindert und es finde eine Leistungsreduzierung statt, um den Verbrauch und damit die streitgegenständlichen CO2-Werte deutlich nach unten zu senken. Audi habe die Erklärung abgegeben, die illegalen Abschaltvorrichtungen von ... übernommen zu haben. Für den Fall, dass sich das Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand befunden habe, sei zudem entsprechend vermehrt Harnstoff eingespritzt worden, während bei normalen Straßenbedingungen dieser Modus ausgeschaltet geblieben sei.

Der Audi A6 TDI mit Euro 5 habe im Test des Bundesumweltministeriums die gesetzlichen Grenzwerte bis zum 11-fachen überschritten. Der streitgegenständliche Audi A6 3.0 TDI sei als Euro 5 Fahrzeug vom Bundesverkehrsministerium getestet worden und habe bis auf den Rollenprüfstand in allen Kategorien bis zum 5,5-fachen Wert die gesetzlichen Grenzwerte überschritten. Es gebe zudem bereits einen offiziellen Rückruf vom KBA unter anderem für den Audi A6 Baujahr 2008 bis 2015 mit der Beschreibung "Bedingt durch manipulierte Software werden die Abgasgrenzwerte im Feld nicht eingehalten".

Gegen führende Entwickler der 3.0 Aggregate bei Porsche und Audi seien inzwischen Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Die Beklagte habe in der Öffentlichkeit mit "Clean Diesel" und der besonderen Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs bei hoher Leistung geworben, was ihn, den Kläger, zum Kauf des Fahrzeugs motiviert habe.

Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung, da nach dem Vortrag der Beklagten eine unterschiedliche Emissionsbehandlung je nachdem erfolgt sei, ob sich das Fahrzeug im NEFZ im Modus 1 befand oder im Modus 0 für den Normalbetrieb.

Er habe einen Anspruch aufgrund einer Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss gegen die Beklagte, da diese gesamtschuldnerisch mit ihrem Tochterunternehmen gemäß §§ 15, 18, 322 Abs. 1 S. 2 AktG hafte und Audi durch das Ausstellen der Übereinstimmungsbescheinigung besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen habe. Außerdem hafte die Beklagte selbst aufgrund des Vertrauens, das er in sie als Herstellerin der durch das Tochterunternehmen verwendeten Motoren gesetzt habe.

Die Beklagte hafte weiterhin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, da sie ihn darüber getäuscht habe, dass sein Fahrzeug der Euro 5 Norm entsprochen habe und einen dementsprechend zugelassenen Ausstoß an Stickoxiden aufweise.

Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich darauf verwiesen, dass sie vorliegend nicht passivlegitimiert sei. Der Kläger rei...

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