Leitsatz (amtlich)

Nach § 44 Satz 2 StPO, der gem. § 116 Satz 2 BRAO für das anwaltsgerichtliche Verfahren entsprechend gilt, ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den §§ 35a, 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 StPO unterblieben ist. § 35a StPO schreibt vor, dass der Betroffene über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen bei Bekanntmachung der Entscheidung zu belehren ist. Zu belehren ist der Betroffene selbst dann, wenn er rechtskundig oder durch einen Anwalt verteidigt oder vertreten ist. Die Form der Belehrung hat klar, unmissverständlich und vollständig zu sein. Sie muss Angaben über die Möglichkeit der Anfechtung, die Art des Rechtsmittels, die dafür vorgesehene Frist und Form, den Beginn der Frist, das Gericht bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, und die Tatsache, dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist bei dem bezeichneten Gericht eingegangen sein muss enthalten. Das Unterlassen der Belehrung führt zur Anwendung des § 44 Satz 2 StPO, wobei die unvollständige Belehrung der unterlassenen Belehrung gleichsteht.

 

Verfahrensgang

AGH Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 03.05.2007; Aktenzeichen I AG 16/06)

 

Tenor

1. Dem Rechtsanwalt wird auf seinen Antrag vom 24.5.2007 Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Anwaltsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 3.5.2007 - I AG 16/06, bewilligt.

2. Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts vom 24.5.2007 gegen den Beschluss des Anwaltsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 3.5.2007 - I AG 16/06, wird zurückgewiesen.

3. Der Rechtsanwalt trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen.

4. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 250 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Rechtsanwalt wendet sich gegen die im anwaltsgerichtlichen Verfahren ergangene Kostenfestsetzung.

Mit Beschluss vom 26.3.2007 setzte das Anwaltsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (fortan: Anwaltsgericht) die entsprechenden Kosten auf 515 EUR fest und bestimmte hierzu, dass sich der Betrag - aus den im Einzelnen aufgeführten - Zustellungs- und Gerichtskosten sowie den Zeugenauslagen zusammensetzt. Dagegen legte der Rechtsanwalt unter dem 13.4.2007 Erinnerung ein und wandte sich vor allem gegen die Erstattungspflicht der festgesetzten Zeugenauslagen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 3.5.2007 wies das Anwaltsgericht die Erinnerung zurück und begründete dies damit, das Rechtsmittel sei sowohl unzulässig wie unbegründet. In der erteilten Rechtsmittelbelehrung heißt es:

"Gemäß § 199 Abs. 2 S. 3 BRAO kann gegen die Entscheidung des Anwaltsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt werden".

Dieser Beschluss wurde dem Rechtsanwalt am 10.5.2007 zugestellt. Dagegen gerichtet legte er unter dem 24.5.2007, eingegangen beim Anwaltsgericht am gleichen Tage, sofortige Beschwerde ein und stellte hilfsweise den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

Der Rechtsanwalt teilte mit, die Begründung der sofortigen Beschwerde bleibe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Zum Hilfsantrag auf Wiedereinsetzung führt er an, der Zurückweisungsbeschluss vom 4.5.2007 genüge nicht den an eine Rechtsmittelbelehrung zu stellenden Anforderungen.

II. Der gem. §§ 116 Satz 2 BRAO, 45 StPO zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ist begründet.

1. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 199 Abs. 2 Satz 3 BRAO) gegen die Festsetzung der Kosten des Verfahrens vor dem Anwaltsgericht nach § 199 BRAO beträgt gem. §§ 116 Satz 2 BRAO, 311 Abs. 2 StPO eine Woche. Diese Frist hat der Rechtsanwalt versäumt.

2. Indes war er an der Einhaltung der Frist ohne sein Verschulden gehindert, so dass ihm auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren ist.

a) Nach § 44 Satz 2 StPO, der gem. § 116 Satz 2 BRAO für das anwaltsgerichtliche Verfahren entsprechend gilt, ist eine Rechtsmittelfrist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den §§ 35a, 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 StPO unterblieben ist. § 35a StPO schreibt vor, dass der Betroffene über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen bei Bekanntmachung der Entscheidung zu belehren ist. Zu belehren ist der Betroffene auch selbst dann, wenn er rechtskundig oder durch einen Anwalt verteidigt oder vertreten ist (vgl. Meyer/Goßner, StPO, 49. Aufl., § 35a Rz. 4 m.w.N.). Die Form der Belehrung hat klar, unmissverständlich und vollständig zu sein (Meyer/Goßner, a.a.O., § 35a Rz. 7; BGHSt 24, 15, 25). Sie muss Angaben über die Möglichkeit der Anfechtung, die Art des Rechtsmittels, die dafür vorgesehene Frist und Form, den Beginn der Frist, das Gericht bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, und die Tatsache, dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist bei dem bezeichneten Gericht eingegang...

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