Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung: Im Wege der Rückgewinnungshilfe ausgebrachter dinglicher Arrest

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem im Wege der Rückgewinnungshilfe ausgebrachten dinglichen Arrest nach § 111d StPO wirkt nur ein entstandenes Veräußerungsverbot auch (rückwirkend) zugunsten des Verletzten, der wegen eines Schadensersatzanspruchs die Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung gegen den Täter betreibt (§ 111g Abs. 3 Satz 1 und Satz 6 StPO). Das Veräußerungsverbot zugunsten des Verletzten ist dabei nicht insolvenzfest (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 InsO). Eine entsprechende Rückwirkung auf den Zeitpunkt des ausgebrachten Arrestes nach § 111d StPO gilt nicht für ein Pfändungspfandrecht, das der Geschädigte später durch Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung erwirbt (im Anschluss an BGH, Urt. 24.5.2007 - IX ZR 41/05). Der Geschädigte kann sich danach nicht auf eine solche Rückwirkung berufen, soweit es um die Frage der Insolvenzfestigkeit eines von ihm erworbenen Pfändungspfandrechts und der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit geht.(Rz. 40)

2. Insoweit ist eine Änderung der Rechtslage durch das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung von Straftaten (BGBl. I 2006, 2350) nicht eingetreten.(Rz. 52)

 

Normenkette

StPO §§ 111d, 111g Abs. 3 Sätze 1, 6; InsO § 80 Abs. 2 S. 1, § 131

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 18.04.2011; Aktenzeichen 7 O 1571/10)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 18.4.2011 verkündete Urteil des LG Osnabrück (AZ: 7 O 1571/10) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Vertrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt in ihrer Funktion als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Herrn H. D. (Insolvenzschuldner bzw. Schuldner) den Beklagten auf Zahlung eines im Wege einer Pfändung und Überweisung erlangten Geldbetrags von 175.700,45 EUR in Anspruch.

Der Beklagte zahlte im Jahr 2008 einen Betrag i.H.v. 200.000 EUR an den späteren Insolvenzschuldner, der diesen Geldbetrag gewinnbringend anlegen sollte. Dies geschah jedoch - wie auch in den Fällen anderer Anleger - nicht. Im Rahmen eines wegen gewerbsmäßigen Betruges gegen den Schuldner geführten Ermittlungsverfahrens ordnete das AG Würzburg durch Beschluss vom 23.4.2009 den dinglichen Arrest in das Vermögen des Schuldners an zur Sicherung der den Verletzten aus den Straftaten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche sowie zugunsten des Freistaats Bayern zur Sicherung eines evtl. Verfalls.

Im Wege der Rechtshilfe gelang es den Ermittlungsbehörden im September 2009 einen auf Schweizer Konten des Schuldners vorhandenen Geldbetrag i.H.v. 175.722,06 EUR sicherzustellen und beim AG Würzburg zu hinterlegen.

Am 20.10.2009 wurde der Schuldner vom LG Würzburg wegen Betruges in elf Fällen in Tateinheit mit Verstößen gegen das KWG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; der Beklagte gehörte ausweislich der Feststellungen des Strafurteils zu den Geschädigten. Zugleich mit dem Urteil ordnete das LG an, dass der zuvor vom AG Würzburg ausgebrachte dingliche Arrest i.H.v. 175.722,06 EUR für die Dauer von drei Jahren aufrechterhalten werde, es ordnete außerdem die Pfändung des Herausgabeanspruchs des Schuldners gegen die Hinterlegungsstelle an und hielt die Pfändung dieses Anspruchs für weitere drei Jahre aufrecht. Der Pfändungsbeschluss ging am 23.10.2009 bei der Hinterlegungsstelle ein.

Aufgrund eines am 1.10.2009 zwischen dem Schuldner und dem Beklagten geschlossenen und danach für vollstreckbar erklärten Anwaltsvergleichs ordnete das LG Osnabrück mit Beschluss vom 22.10.2009 zugunsten des Beklagten den dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen des Schuldners an. In Vollziehung dieses Arrests erließ der Rechtspfleger des LG Osnabrück am 27.10.2009 einen Pfändungsbeschluss, mit dem der Anspruch des Schuldners gegen die Landesjustizkasse Bamberg auf Auszahlung des hinterlegten Geldbetrages gepfändet wurde. Dieser Pfändungsbeschluss wurde der Landesjustizkasse Bamberg am 28.10.2009 zugestellt. Nachdem die Landesjustizkasse Bamberg den Auszahlungsanspruch als Drittschuldner anerkannt hatte, ließ das LG Würzburg mit Beschluss vom 16.11.2009 die Zwangsvollstreckung des Beklagten in den Anspruch des Schuldners gegen die Hinterlegungsstelle auf Auszahlung des hinterlegten Geldbetrages zu. Der bei der Hinterlegungsstelle vorhandene Geldbetrag i.H.v. 175.700,45 EUR wurde aufgrund eines am 21.11.2009 ergangenen Überweisungsbeschlusses des AG Bad Kissingen von der Landesjustizkasse Bamberg an den Beklagten überwiesen.

Auf Eigenantrag des Schuldners vom 27.1.2010 wurde mit Beschluss des AG Schweinfurt vom 16.3.2010 (Az. IN 51/10) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet; die ...

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