Leitsatz (amtlich)

Es ist einem Rechtsanwalt, der den slowakischen Grad eines "JUDr." bzw. "Dr. práv." erwarb, nicht gestattet, im Geschäftsverkehr unter der Abkürzung "Dr." aufzutreten.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 15.07.2010; Aktenzeichen 4 O 1602/09)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 15.7.2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Halle wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verfolgt gegen den Beklagten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Beide Parteien sind Rechtsanwälte, wobei der Kläger im Ergebnis eines Promotionsverfahrens den Doktortitel erworben hat. Der Beklagte trat im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Mandaten und in der äußeren Darstellung seiner Kanzlei - zumindest bis ihm dies eine einstweilige Verfügung untersagte - ebenfalls als "Dr." auf. Die Parteien streiten darum, ob dies zu Recht geschah.

Im Juli 1986 schloss der Beklagte ein rechtswissenschaftliches Studium an der H. -Universität zu B. als Diplomjurist ab. Über den Internationalen Akademischen Austauschdienst (IAAD), der seine Dienstleistung in Fachzeitschriften bewirbt, erhielt der Beklagte Kontakt zur C. -Universität in B.. Hierüber verhält sich ein Schreiben des IAAD vom 20.2.2006 (Bd. I Bl. 73/74 d.A.). Dort ist ausgeführt, dass auf Grund des EU-Beitritts der Slowakischen Republik dort erworbene Titel und Grade, insbesondere der "Dr.", ohne Herkunftsbezeichnung geführt werden könnten. Zwischen dem Beklagten und der Universität wurde daraufhin ein Vertrag geschlossen, der zu der Verleihung des Doktorgrades führen sollte.

Der Beklagte verfasste eine schriftliche Arbeit zum Thema "Die rechtliche Stellung des Zwangsverwalters nach der Novellierung der Zwangsverwalterverordnung unter Einbeziehung verfassungsrechtlicher Wertungen zur Zwangsverwaltung nach § 150a ZVG". Im März 2007 war diese fertig gestellt. Der Beklagte verteidigte im Juni 2007 die Arbeit vor einem Prüfungsausschuss. Am 19.7.2007 verlieh die C. -Universität dem Beklagten den akademischen Grad eines "doktor práv", abgekürzt "JUDr." (Bd. I Bl. 75 d.A.).

Das slowakische Hochschulsystem ist entsprechend der Bologna-Klassifikation dreistufig aufgebaut. Der erste akademische Grad ist der "Bakalár". Absolventen eines Masterstudiengangs, die das Examen rigorosa bestanden und eine schriftliche Abschlussarbeit verteidigt haben, dürfen den Doktorgrad in der jeweiligen Studienrichtung führen (z.B. "JUDr."). Die durch ein Promotionsstudium von 3 Jahren erreichte dritte Stufe endet bei erfolgreichem Abschluss mit der Verleihung des Grades "PhDr.". Voraussetzung ist die Verteidigung einer eigenständigen Forschungsarbeit (Dissertation).

Erstmals mit Beschluss vom 5.7.2007 stellte die Kultusministerkonferenz im Zusammenhang mit der Führung akademischer Grade auf die Bologna-Klassifikation ab. In dem Beschluss heißt es unter Ziff. 2.:

"Inhaber von in einem wissenschaftlichen Promotionsverfahren erworbenen Doktorgraden, die in den in Ziff. 1. bezeichneten Staaten (wozu auch die Slowakei gehörte) oder Institutionen erworben wurden, können anstelle der im Herkunftsland zugelassenen oder nachweislich allgemein üblichen Abkürzungen gem. Ziff. 1. des Beschlusses vom 14.4.2000 wahlweise die Abkürzung "Dr." ohne fachlichen Zusatz und Herkunftsbezeichnung führen. Das gilt nicht für Doktorgrade, die ohne Promotionsstudien und -verfahren vergeben werden (sog. Berufsdoktorate) und Doktorgrade, die nach den rechtlichen Regelungen des Herkunftslandes nicht der Dritten Ebene der Bologna-Klassifikation der Studienabschlüsse zuzuordnen sind".

Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlins haben hierzu die Auffassung vertreten, dass Erwerber sog. kleiner Doktorgrade der Slowakischen Republik unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes auch weiterhin die Kurzform "Dr." ohne Zusätze führen dürften (Bd. I Bl. 77/78; 79 d.A.).

Dem Beschluss der Kultusminister folgten Änderungen der Rechtsgrundlagen. In Sachsen-Anhalt war dies die Verordnung zur Regelung der Führung ausländischer Hochschulgrade vom 4.9.2009 (GVBl. LSA S. 470), die am 29.9.2009 in Kraft trat und die Verordnung zur Regelung der Führung ausländischer Hochschulgrade vom 21.4.2005 (GVBl. LSA S. 236) ablöste.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte führe die Abkürzung "Dr." zu Unrecht, denn er habe keinen auf eine Promotion zurückgehenden Doktorgrad erworben. Damit verstoße der Beklagte mit dem Führen des Grades "Dr." gegen die Hochschulgesetze der Länder und das Wettbewerbsrecht. Die Abkürzung "Dr." sei keine in der Slowakischen Republik zugelassene Abkürzung und könne daher auch dort nicht allgemein üblich sein.

Der Kläger hat beantragt, es dem Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Or...

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