Leitsatz (amtlich)

Auch der Verkauf an einen auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Alteigentümer nach dem Flächenerwerbsprogramm des AusglLeistG darf von der Ortsansässigkeit des Berechtigten abhängig gemacht werden.

Behält der Erwerber entgegen der übernommenen Verpflichtung seinen bisherigen Wohnsitz in den alten Bundesländern bei, meldet seinen Hauptwohnsitz aber am Ort der Betriebsstätte an und erweckt hierdurch bereits vor Vertragsabschluss beim Veräußerer den Eindruck, schon ortsansässig geworden zu sein, kann der Getäuschte sowohl wegen des nicht begründeten Lebensmittelpunktes am Ort der Betriebsstätte als auch aufgrund falscher tatsächlicher Angaben vom vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrecht Gebrauch machen und die Rückgabe der landwirtschaftlichen Flächen verlangen.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 16.03.2004; Aktenzeichen 10 O 1737/03)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 16.3.2004 - 10 O 1737/03 (325) - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 630.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 600.000 Euro.

Die Streitwertentscheidung des LG vom 16.3.2004 wird abgeändert und der Streitwert für die erste Instanz auf 600.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Wegen der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Dem Beklagten bzw. seinen Rechtsvorgängern sind land- und forstwirtschaftliche Vermögenswerte durch Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Zuge der Bodenreform entzogen worden. Er wohnte bzw. wohnt möglicherweise immer noch mit seiner Ehefrau in W. Bis September 2003 war er in St. als Geschäftsführer tätig (Bd. I Bl. 3, 5, 83 f., 125, 126 d.A.). Am 29.7.1994 schlossen die Parteien einen Pachtvertrag über 270 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Bereits in diesem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte, bis zum 31.5.1996 seinen Wohnsitz in die Nähe der Betriebsstätte zu verlegen, ortsansässig zu werden (Bd. I Bl. 3, 82 d.A.). Der Beklagte meldete am 20.6.1996 seinen Hauptwohnsitz um und ließ seine Anschrift im Personalausweis ändern. Laut Meldebescheinigung und Personalausweiseintragung wohnte der Beklagte seither in D., E. 48 (Bd. I Bl. 83 d.A.; Anlage K 2 Bd. I Bl. 11 d.A.; Anlage K 3 Bd. I Bl. 12 d.A.). Die Meldebescheinigung übersandte der Beklagte unter Hinweis auf § 5 (Ortsansässigkeit) am 21.6.1996 an die Klägerin (Anlage K 15 Bd. I Bl. 121 d.A.).

Der Beklagte konnte als Berechtigter nach dem Flächenerwerbsprogramm des Gesetzes über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können vom 27.9.1994 (Ausgleichsleistungsgesetz - AusglLeistG) begünstigt, also deutlich unter dem Verkehrswert Grundstücke erwerben (Bd. I Bl. 3, 82 d.A.). Hiervon machte der Beklagte Gebrauch und stellte am 10.4.1997 einen dahingehenden Antrag, dem die in der Checkliste A (Anlage K 1 Bd. I Bl. 10 d.A.) wiedergegebenen Anlagen beigefügt waren (Bd. I Bl. 3 d.A.). Unter anderem reichte der Beklagte eine Kopie der Meldebestätigung vom 20.6.1996 (Anlage K 2 Bd. I Bl. 11 d.A.) und seines Personalausweises (Anlage K 3 Bd. I Bl. 12 d.A.) ein. Gleichzeitig gab der Beklagte folgende Verpflichtungserklärung vom 2.3.1997 ab:

"Hiermit erkläre ich, der Unterzeichnende, dass ich gem. § 2 Abs. 2 FlErwV meinen Hauptwohnsitz (Betriebssitz) vor Abschluss des Kaufvertrages, jedoch spätestens bis zum 30.9.1998 in die Nähe der Betriebsstätte verlegen und dort auf die Dauer von 20 Jahren beibehalten werde. Mir ist bekannt, dass der begünstigte Flächenerwerb rückabgewickelt werden kann, wenn ich den Wohnsitz (Betriebssitz) innerhalb von 20 Jahren nach Abschluss des Kaufvertrages außerhalb der Nähe der Betriebsstätte verlege ..." (Anlage K 4 Bd. I Bl. 13 d.A.).

Die vom Beklagten am 16.4.1997 unterzeichnete Checkliste A schließt folgendermaßen:

"Mir ist bekannt, dass ...

2. ich bei unrichtigen oder unvollständigen Angaben in diesem Antrag und seinen Anlagen wegen Betrugs oder Subventionsbetrugs gem. §§ 263 und 264 Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft werden kann ..." (Anlage K 1 Bd. I Bl. 10 d.A.).

Durch Bescheid vom 6.10.1997 stellte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen dem Grunde nach die Anspruchsberechtigung des Beklagten nach dem AusglLeistG fest (Anlage B 21 Bd. I Bl. 147-154 d.A.).

Die Verkaufsverhandlungen mit dem Beklagten führte auf Klägerseite die Zeugin Dr. J. Am 16.3.1998 fand im Hause der Klägerin ein persönliches Gespräch zwischen dem Beklagten und der Zeugin statt (Anlage K 13 Bd. I Bl. 118/119 d.A.; Anlage K 14 Bd. I Bl. 120 d.A.).

Nachdem dem Beklagten ...

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