Leitsatz (amtlich)

Zwar verstößt die Unterbringung eines Gefangenen in einer 9,49 Quadratmeter großen Zelle mit einem Mitgefangenen gegen die Menschenwürde (BVerfG NJW 2000, 2699 [2701]); ein Schadensersatzanspruch gegen das Land scheitert jedoch, wenn gegen die Unterbringung nicht nach StVollzG vorgegangen worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Beschluss vom 10.06.2004; Aktenzeichen 7 O 74/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Halle v. 10.6.2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten der Beschwerde.

 

Gründe

Der Antragsteller verbüßte u.a. v. 15.1.2002 bis 29.4.2003 Strafhaft. Wegen der Haftbedingungen, die er für rechtswidrig hält, hat er Schmerzensgeld verlangt und für die darauf gerichtete Klage einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt.

Der Einzelrichter der 7. Zivilkammer des LG Halle hat durch Beschl. v. 10.6.2004 die Prozesskostenhilfe versagt mit der Begründung, die Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Gegen diese Entscheidung, die ihm am 17.6.2004 zugestellt worden ist, hat der Antragsteller am 12.7.2004 beim OLG sofortige Beschwerde eingelegt.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567, 569 ZPO); über sie hat der Einzelrichter des Senats zu entscheiden, da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist und eine Übertragung der Sache auf den Senat nach § 568 S. 2 ZPO nicht in Betracht kam; denn die vorgreiflichen Rechtsfragen sind bereits vom BVerfG entschieden worden. Die Abhilfeprüfung durch das LG war entbehrlich, da das Rechts-mittel beim OLG eingereicht worden ist und die angefochtene Entscheidung ersichtlich zutreffend ist, so dass eine sachgerechte Abhilfeprüfung zu keinem anderen Ergebnis gelangen könnte (OLG Frankfurt v. 24.5.2002 - 5 W 4/02, OLGReport Frankfurt 2002, 250 = MDR 2002, 1391; Schneider, MDR 2003, 253; Gehrlein, MDR 2003, 552).

Das Rechtsmittel ist sachlich nicht gerechtfertigt. Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung - wie das LG bereits zutreffend ausgeführt hat - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).

Die Voraussetzungen für einen Schmerzensgeldanspruch liegen nicht vor, und zwar weder nach dem bis zum 31.7.2002 anwendbaren § 847 a.F. BGB noch nach dem § 253 n.F. BGB, der ab dem 1.8.2002 anwendbar ist.

Beide Vorschriften setzen einen Haftungstatbestand voraus; dessen Voraussetzungen sind indessen im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Für die Zeit bis zum 21.1.2002 scheitert ein Anspruch bereits daran, dass der Antragsteller nicht im Bereich des Landes Sachsen-Anhalt inhaftiert war. Insoweit greift der Antragsteller den Beschluss des LG nicht an.

Für die weitere Zeit bis zum 30.1.2002 steht einem Anspruch entgegen, dass der Antragsteller zusammen mit anderen Inhaftierten in einer mehr als 30 qm großen Zelle untergebracht war, so dass selbst bei Belegung mit sechs Personen jedem Inhaftierten mehr als 5 qm zur Verfügung standen. Diese Haftbedingungen hat der Antragsteller weder in seinem Prozesskostenhilfeantrag noch in seiner sofortigen Beschwerde konkret angegriffen.

Konkretisiert hat der Antragsteller seine gemeinschaftliche Unterbringung mit einem Mitgefangenen ab 31.1.2002 in einer 9,49 qm großen Zelle ohne abgetrennten Sanitärbereich. Diese Unterbringung mag nach einfachem Recht zulässig gewesen sein (§ 18 i.V.m. § 201 Nr. 3 StVollzG), verstieß aber gleichwohl unter Beachtung der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG v. 27.2.2002 - 2 BvR 553/01, NJW 2002, 2699 [2701]) gegen die Menschenwürde und war daher rechtswidrig. Auch wenn die genannten Entscheidungen des BVerfG sich auf Haftbedingungen in den Altbundesländern beziehen, sind sie gleichwohl auch auf die Verhältnisse in den neuen Bundesländern anzuwenden, weil bei den Anforderungen, welche an die Beachtung der Menschenwürde zu stellen sind, nicht nach Alt- und Neubundesländern unterschieden werden darf.

Einem Schadensersatzanspruch steht jedoch der Umstand entgegen, dass der Antragsteller es unterlassen hat, den Schaden - nämlich die Unterbringung mit einem anderen Häftling in einer zu kleinen Zelle ohne abgetrennten Sanitärbereich - durch Gebrauch eines Rechtsmittels, nämlich durch einen entsprechenden Antrag nach dem StVollzG - abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Sein Vorbringen, er habe sich mehrfach gegen die Art der Unterbringung gewehrt, ist unsubstantiiert; ersichtlich ist der Antragsteller nicht in der Lage, eine auf sein Gesuch ergangene Entscheidung vorzuweisen.

Dass der Antragsteller keinen Rechtsbehelf geltend gemacht hat, steht auch einem Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 MRK entgegen. Es handelt sich bei Art. 5 Abs. 5 MRK um eine Haftung ohne Verschulden, und wenn schon ggü. der Verschuldenshaftung aus § 839 BGB der Einwand, sich nicht durch einen Rechtsbehelf gewehrt zu haben, durchgreift, muss dies erst recht ggü. der Haftung ohne Verschulden gelten.

Sonstig...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge