Entscheidungsstichwort (Thema)

AGB-Kontrolle: Bindung des Erdgaspreises an Heizölpreis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine in einem Gaslieferungsvertrag enthaltene AGB-Klausel, welche den Arbeitspreis für Erdgas an die Preisentwicklung für Heizöl mittels einer mathematischen Formel bindet, deren einzige Variable ein bestimmter, den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zu entnehmender Preis für extra leichtes Heizöl ist, hält der Inhaltskontrolle stand.

2. Eine Preisänderungsklausel, die dem Gaslieferanten eine Preiserhöhung ohne die Benennung jedweder Voraussetzungen gestattet, ist auch dann unwirksam, wenn dem Kunden bei der Preiserhöhung ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt wird.

 

Normenkette

BGB § 305c Abs. 2, § 307; PrKG § 1 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 1 Nr. 3; UKlaG §§ 1, 3 Abs. 1, § 7

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 24.10.2007; Aktenzeichen 26 O 91/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.03.2010; Aktenzeichen VIII ZR 178/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.10.2007 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln - 26 O 91/06 - teilweise abgeändert,

soweit die Beklagte verurteilt worden ist, es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, als Erdgaslieferant im Zusammenhang mit Erdgaslieferverträgen mit Verbrauchern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die in der Urteilsformel zu Nr. I 1 lit. a und b aufgeführten Klauseln zu verwenden und sich bei der Abwicklung bestehender Vertragsverhältnisse auf diese Klauseln zu berufen, und die Klage insoweit abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger ¼ und die Beklagte ¾ zu tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungs- und Veröffentlichungsanspruchs zu Nr. I 2 und II des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Parteien können die Vollstreckung ihres jeweiligen Gegners wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der betreffende Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung Erfolg hat; im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKlaG: die Beklagte - ein Energieversorgungsunternehmen - beliefert ihre Kunden u.a. mit Erdgas. Die Parteien streiten - soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse - um die Wirksamkeit von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die den Arbeitspreis für Erdgas an die Preisentwicklung für Heizöl binden (nachfolgend: HEL-Klausel) sowie eine weitergehende Preisanpassungsbefugnis der Beklagten in Verbindung mit einem Sonderkündigungsrecht des Kunden vorsehen (nachfolgend: Preisänderungsklausel).

Die von der Beklagten bisher in Nr. 2 ihrer Anlage 41 - Bedingungen für die Erdgaslieferung zum Sonderpreis V (Vollversorgung Erdgas) - verwendete HEL-Klausel bestimmt, dass sich der Arbeitspreis (AP) für Erdgas nach der Formel "AP = 2,43+(0,092 × (HEL -19,92))+0,2024 in ct/kWh" errechnet; die Variable HEL ist definiert als ein bestimmter, den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zu entnehmender Preis für extra leichtes Heizöl ohne Umsatzsteuer in EUR/hl. Eine Klausel gleicher Struktur (mit je nach Verbrauchsmenge abweichenden bezifferten Elementen) ist in Nr. 1.1 der Anlage 47 - Preisanpassungsbestimmungen - zum Vertragstyp fairRegio Erdgas der Beklagten enthalten.

Der vom Kläger beanstandete Satz der Preisänderungsklausel in Nr. 2 der Anlage 46 - Regelungen zum Erdgasvertrag Privatkunden - zum Vertragstyp fairRegio Erdgas der Beklagten lautet: "ST ist auch außerhalb der in Anlage 47 beschriebenen Preisanpassungsbestimmungen berechtigt, die Preise zu ändern." Im weiteren Text heißt es, dass der Kunde über eine beabsichtigte Preiserhöhung mindestens 6 Wochen vor Inkrafttreten benachrichtigt werde und in diesem Fall das Recht habe, den Vertrag bis spätestens 2 Wochen vor Inkrafttreten der Preiserhöhung zum Monatsende zu kündigen. Auf dieses Recht werde die Beklagte den Kunden bei der Benachrichtigung hinweisen.

Auf die in Kopie vorgelegten Vertragsmuster (Bl. 34-45 d.A.) wird ergänzend Bezug genommen.

Das LG, auf dessen Urteil wegen aller weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Anträge, des Vorbringens der Parteien und der Beurteilung durch die Kammer verwiesen wird, hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es (bei Veröffentlichungsbefugnis des Klägers) zu unterlassen, als Erdgaslieferant im Zusammenhang mit Erdgaslieferverträgen mit Verbrauchern die vorbezeichneten Klauseln sowie zwei weitere - von der Beklagten im Berufungsrechtszug nicht mehr verteidigte - Preisanpassungsklauseln zu verwenden und sich bei der Abw...

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