Entscheidungsstichwort (Thema)

Direktanspruchsklausel in der Gruppen-Unfallversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Direktanspruchsklausel hat in der Gruppenunfallversicherung rechtliche Wirkungen im Zweifel nicht nur für die Invaliditätsleistung, sondern auch für die Todesfallleistung, wenn der Versicherungsvertrag beide Leistungsansprüche vorsieht.

2. Die Direktanspruchsklausel verleiht im Zweifel dem Versicherten das Recht, ein widerrufliches Bezugsrecht, welches der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer der Gruppenversicherung für die Todesfallleistung vereinbart hat, durch Erklärung gegenüber dem Versicherer zu ändern.

 

Normenkette

VVG §§ 44-45, 159, 185

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 28.05.2014; Aktenzeichen 2 O 300/13 D)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Konstanz vom 28.05.2014 - D 2 O 300/13 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, einzuwilligen, dass der bei der Hinterlegungsstelle des AG Villingen-Schwenningen unter Az. HL 76/12 hinterlegte Betrag von 104.258,50 EUR nebst den gesetzlichen Zinsen seit dem 01.08.2013 an die Klägerin ausgezahlt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist die Witwe des am 28.08.2012 verstorbenen Erblassers H. S.. Der Beklagte ist ein Adoptivsohn des Erblassers. Die Parteien streiten um die Frage, wem nach dem Tod des Erblassers die Todesfallleistung aus einer Unfallversicherung bei der G. Versicherung AG (im Folgenden abgekürzt: G.) zusteht.

Der Erblasser war bis zum Jahr 2010 Geschäftsführer der S. GmbH (im Folgenden abgekürzt: GmbH). Die GmbH unterhielt für den Erblasser und für weitere Mitarbeiter eine Gruppen-Unfallversicherung bei der G.. Die Versicherung sah Leistungen bei Invalidität zu Gunsten der Versicherten vor; außerdem war eine Todesfallleistung vereinbart, wobei die gesetzlichen Erben des jeweiligen Versicherten bezugsberechtigt sein sollten. Die Einzelheiten der für den Erblasser mit der G. vereinbarten Unfallversicherung ergeben sich aus dem Versicherungsschein vom 20.05.2010 (Anlage GKD 1). Die Todesfallleistung sollte 204.517,00 EUR betragen. Für die vereinbarte Invaliditätsleistung war - anders als für die Todesfallleistung - kein Bezugsberechtigter angegeben. Der Vertrag enthielt - für sämtliche Versicherten in der Gruppen-Unfallversicherung - zudem folgende Regelung:

Es gilt der Direktanspruch der versicherten Personen vereinbart:

1. Die versicherte Person kann Leistungen aus der Unfallversicherung ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers unmittelbar beim Versicherer geltend machen. Der Versicherer leistet direkt an die versicherte Person.

2. Der Versicherungsnehmer informiert jede versicherte Person über den im Rahmen dieses Vertrages bestehenden Versicherungsschutz und über diese Vereinbarung.

Mit Schreiben vom 13.07.2011 (Anlage K 2) an die G. erklärte der Erblasser, dass im Falle seines Todes seine Ehefrau (die Klägerin) Begünstigte des Versicherungsvertrages sein sollte. Die G. solle insoweit eine "Änderung... in dem Vertrag" vornehmen.

Nach dem Tod ihres Ehemannes am 28.08.2012 machte die Klägerin Leistungen aus der Unfallversicherung gegenüber der G. geltend. Bei der Versicherung bestanden Zweifel, ob der Tod des Erblassers durch einen Unfall im Sinne des Versicherungsvertrages eingetreten war. Zur Vermeidung einer Klärung der Todesursache durch eine Obduktion einigten sich die Klägerin und die G. am 31.08.2012 darauf, dass die Verpflichtungen der Versicherung gegenüber der Klägerin aus der Unfallversicherung durch Zahlung eines Betrages in Höhe von 104.258,50 EUR abgegolten sein sollten.

Der Beklagte ist alleiniger gesetzlicher Erbe nach dem Tod seines Adoptivvaters, da die Klägerin als Ehefrau bereits im Jahr 2003 einen notariell beurkundeten Erbverzicht erklärt hat. Als der Beklagte erfuhr, dass die Klägerin nach dem Tod des Erblassers Ansprüche gegen die G. geltend machte, wandte er sich an die Versicherung. Die Versicherungsleistung stehe nicht der Klägerin, sondern ihm als Erben zu. Im Versicherungsvertrag sei - ausweislich des Versicherungsscheins - eine Bezugsberechtigung des gesetzlichen Erben vereinbart. Der Erblasser sei im Jahr 2011 zu einer Änderung des Bezugsrechts nicht berechtigt gewesen. Ein solches Recht habe nur der GmbH als Versicherungsnehmerin zugestanden. Die GmbH habe jedoch gegenüber der G. weder eine Erklärung zur Änderung der Bezugsberechtigung abgegeben, noch der Erklärung des Erblassers zugestimmt. Von einem Änderungswillen des Erblassers im Jahr 2011 habe die GmbH nichts gewusst.

Auf Grund des Streits zwisch...

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