Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Öffentlichkeit und Geheimhaltungsanordnung im Rechtsstreit über Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Im Rechtsstreit über Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung kann zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse des Krankenversicherers die Öffentlichkeit ausgeschlossen und die Geheimhaltung von Unterlagen über die technischen Berechnungsgrundlagen angeordnet werden (Anschluss an BGH, Urteil vom 9.12.2015 - IV ZR 272/15).

2) Eine Geheimhaltungsanordnung gemäß § 174 Abs. 3 GVG erstreckt sich nicht auf die im Verhandlungstermin nicht anwesende Partei. Dem im Verhandlungstermin anwesenden Prozessbevollmächtigten ist es auf Grund der Geheimhaltungsanordnung in diesem Fall untersagt, seinen Mandanten über den Inhalt der geheimzuhaltenden Schriftstücke zu informieren. Dies steht der Zulässigkeit einer Geheimhaltungsanordnung nicht entgegen.

3) Eine Geheimhaltungsanordnung muss die geheimzuhaltenden Tatsachen oder Schriftstücke hinreichend genau bezeichnen.

 

Normenkette

GVG §§ 172, 174; VVG § 203

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Beschluss vom 12.11.2019; Aktenzeichen 11 O 205/17)

 

Tenor

1) Auf die sofortigen Beschwerden des Klägers und der Klägervertreterin Rechtsanwältin Dr. K wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 12.11.2019 - 11 O 205/17 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Den in der Sitzung des Landgerichts Mannheim vom 12.11.2019 anwesend gewesenen Personen wird zur Pflicht gemacht, den Inhalt der in der nicht-öffentlichen Verhandlung übergebenen und im Schriftsatz der Beklagten vom 05.08.2019, Seite 10 bis 12 genannten Schriftstücke und die hierauf bezogene Erörterung während der nicht-öffentlichen Verhandlung am 12.11.2019 geheim zu halten, mit Ausnahme der im Schriftsatz der Beklagten vom 05.08.2019, Seiten 10 bis 12, als "nicht geheim" bezeichneten Teile.

2) Die weitergehenden sofortigen Beschwerden werden zurückgewiesen.

3) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4) Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Das Beschwerdeverfahren betrifft die Anordnung der Geheimhaltung gemäß §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 GVG.

Die Parteien sind durch einen privaten Krankenversicherungsvertrag verbunden. Der Kläger wendet sich in der Hauptsache mit Feststellungs- und auf Rückzahlung gerichteter Leistungsklage gegen verschiedene von der Beklagten vorgenommene Prämienerhöhungen. Er macht geltend, die Erhöhungen seien jeweils nicht ordnungsgemäß begründet worden, die von der Beklagten eingeschalteten Treuhänder seien nicht unabhängig gewesen, und es hätten auch die materiellen Voraussetzungen für die Prämienerhöhungen, welche die Beklagte darzulegen und zu beweisen habe, nicht vorgelegen. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, den ordnungsgemäß begründeten Prämienerhöhungen habe jeweils ein unabhängiger Treuhänder zugestimmt, und die Prämienerhöhungen seien auch materiell rechtmäßig gewesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16.10.2018 verschiedene Hinweise erteilt und der Beklagten aufgegeben, sämtliche Berechnungsunterlagen, die dem jeweiligen Treuhänder vor der Erteilung der Zustimmung zu bestimmten Beitragsanpassungen zur Verfügung gestellt wurden, einzureichen. Die Beklagte ist dem nachgekommen und hat ein Anlagenkonvolut von insgesamt 31 Schriftstücken eingereicht. Sie hat sich mit Schriftsätzen vom 6.12.2018 und vom 5.8.2019 bezüglich im Einzelnen bestimmt bezeichneter Teile des Konvoluts auf Geheimhaltungsbedürftigkeit berufen. Eine Einsichtnahme durch die Klägerseite könne erst erfolgen, wenn die Geheimhaltung sichergestellt sei. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, dass die Geheimhaltung zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse erforderlich sei, da die Unterlagen in verschiedenen, von der Beklagten näher bezeichneten Teilen bestimmte Informationen über das individuelle "Pricing" der Beklagten enthielten; wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 9 ff. des Schriftsatzes der Beklagten vom 5.8.2019 Bezug genommen. Die Klägerseite hat die Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht in Abrede gestellt.

Mit Beschluss vom 09.10.2019 hat das Landgericht den Parteien Vorschläge für eine Verschwiegenheitserklärung der Klägerseite gemacht und weiter ausgeführt:

"Für den Fall, dass sich die Parteien nicht auf diese Version verständigen können, erwägt die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2019 die Ausschließung der Öffentlichkeit gemäß § 172 Nr. 2 GVG sowie die Auferlegung einer Geheimhaltungsverpflichtung gemäß § 174 Abs. 3 GVG soweit sich die Verhandlung auf Umstände bezieht, die Grundlagen für die Prämienerhöhungsverlangen waren. Der Beklagten wird aufgegeben, die Unterlagen, die mit Schriftsatz vom 06.12.2018 bisher nur für das Gericht vorgelegt wurden, zur Aushändigung an den Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung bereitzuhalten".

Auf eine Verschwiegenheitserklärung konnten sich die Parteien nicht einigen.

In der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 12.11.2019, in welche...

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