Leitsatz (amtlich)

Die Gerichte sind nicht befugt, die Eltern zur Anbahnung eines Umgangs zu verpflichten, sich einer fachkundigen psychologisch-pädagogischen Beratung und Behandlung zu unterziehen.

 

Normenkette

BGB § 1684 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Pforzheim (Beschluss vom 04.09.2002; Aktenzeichen 4 b F 4/99)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des AG – FamG – Pforzheim vom 4.9.2002 – 4 b F 4/99 – insoweit aufgehoben, als der Mutter aufgegeben wird, zur Anbahnung eines regelmäßigen Umgangs zwischen dem Vater und L. eine fachkundige psychologisch-pädagogische Beratung und Behandlung bei der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern, P., wahrzunehmen.

2. Auslagen Verfahrensbeteiligter werden nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der mit der Mutter nicht verheiratete Vater begehrt die Regelung seines Umgangs mit L. Die Mutter stimmt einem betreuten Umgang zwischen Vater und Tochter zu. Von dem FamG eingeholte psychologische Sachverständigengutachten und die Verfahrenspflegerin halten den Umgang von Vater und Tochter für wünschenswert, betonen jedoch die angespannte Beziehung der Eltern. Weil die Realisierung eines Umgangs an der Unfähigkeit der Eltern scheitere, die zwischen ihnen bestehenden Spannungen zurückzustellen, und die Mutter kaum in der Lage sei, den Umgang von Vater und Tochter aktiv zu fördern, gab das FamG durch den angegriffenen Beschluss den Eltern auf, zur Anbahnung eines regelmäßigen Umgangs zwischen Vater und Tochter eine fachkundige psychologisch-pädagogische Beratung und Behandlung bei der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in P. wahrzunehmen: Die Wohlverhaltenspflicht nach § 1684 Abs. 2 S. 1 BGB verlange die aktive Förderung des Umgangs, die hier beinhalte, sich einer Therapie zu unterziehen, da nur auf diesem Wege die sinnvollen Voraussetzungen für einen Umgang und damit auch für eine gerichtliche Entscheidung über ihn geschaffen werden könnten. Dagegen richtet sich die „sofortige” Beschwerde der Mutter, die ihre Beteiligung an einer psychologischen Behandlung nicht für zumutbar hält, weil der von beiden Elternteilen gewünschte betreute Umgang allein aus in der Person des Vaters liegenden Gründen scheitere. Der Vater und die Verfahrenspflegerin haben Stellung genommen; das Jugendamt hatte Gelegenheit hierzu.

II. 1. Die Beschwerde der Mutter ist gem. §§ 621 Abs. 1 Nr. 2, 621 a Abs. 1 S. 1 ZPO, §§ 64 Abs. 3 S. 1 und 2, 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 FGG zulässig. Die angegriffene Entscheidung stellt eine Zwischenentscheidung dar, keine Endentscheidung i.S.d. § 621e Abs. 1 ZPO und auch keine einstweilige Anordnung nach § 621g ZPO. Dies ergibt sich aus der Ankündigung des FamG in dem ersichtlich ohne Zeitdruck erlassenen Beschluss, erst nach der Durchführung der psychologisch-pädagogischen Beratung und Behandlung über das Umgangsrecht des Vaters zu entscheiden; eine einstweilige Anordnung wäre im Übrigen nach §§ 621 g, 620c ZPO unanfechtbar. Die Zwischenentscheidung ist durch die Mutter anfechtbar, da sie in deren Rechte eingreift (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 19 Rz. 9). Von der Mutter wird ein bestimmtes Verhalten verlangt, nämlich die Teilnahme an einer psychologisch-pädagogischen Beratung und Behandlung, deren Erzwingung durch das FamG nicht ausgeschlossen werden kann.

2. Die Beschwerde ist begründet. Von der Beschwerdeführerin kann nicht verlangt werden, sich einer psychologisch-pädagogischen Beratung und Behandlung zu unterziehen. Ein Gericht ist nicht befugt, eine Sachverständigenintervention, sei es im Sinne einer Beratung, Behandlung oder Familientherapie, als selbständiges Verfahrensziel anzuordnen und zu versuchen, auf diese Weise auf die Verfahrensbeteiligten einzuwirken, um sie zu einem bestimmten Verhalten im Bezug auf ein Kind zu bewegen (BGH v. 27.10.1993 – XII ZB 88/92, MDR 1994, 382 = FamRZ 1994, 158 [160] zur Familientherapie; a.A. OLG Stuttgart v. 26.7.2000 – 17 UF 99/00, OLGReport Stuttgart 2001, 150 = FamRZ 2001, 932 m.w.N., jedoch ohne Auseinandersetzung mit der BGH-Rspr.). Die staatlichen Gerichte sind vielmehr gehalten, den Rechtssuchenden wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewähren. Dieser muss auch im Bereich der Sorge- und Umgangsregelungen eine verbindliche Sachentscheidung durch den Richter in angemessener Zeit ermöglichen (vgl. BverfG v. 6.5.1997 – 1 BvR 711/96, FamRZ 1997, 871 m.w.N.).

Diese höchstrichterliche Rspr. zu modifizieren, besteht auch im Hinblick auf den durch die Kindschaftsrechtsreform im Juli 1998 eingefügten § 1684 BGB kein Anlass. Diese Vorschrift normiert zwar in Abs. 2 S. 1 eine sog. Wohlverhaltenspflicht der Eltern, zu deren Erfüllung nach Abs. 3 S. 2 gerichtliche Anordnungen ergehen können. Die Pflicht selbst wurde jedoch durch die Kindschaftsrechtsreform nicht neu eingeführt; sie war – im wesentlichen wortgleich – früher bereits auf Grund von § 1634 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. geltendes Recht. Entscheidend ist hierbei, dass nach dem Wortlaut des § 1684 Abs. 2 ...

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