Leitsatz (amtlich)

1. Scheidet nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ein außenstehender Aktionär erst aus der beherrschten AG aus, nachdem er bereits Ausgleichszahlungen gemäß § 304 AktG erhalten hat, so findet eine Verrechnung der geleisteten Ausgleichszahlungen nur mit dem Verzinsungsanspruch aus § 305 Abs. 3 S. 3 AktG statt.

Eine Verrechnung mit der Barabfindung scheidet auch dann aus, wenn die geleisteten Ausgleichszahlungen höher sind als der Zinsanspruch.

2. Bei Auszahlung der Barabfindung nicht verrechnete Ausgleichszahlungen können gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt verrechnet werden, wenn – z.B. aufgrund einer höheren Festsetzung der Verzinsung im Spruchstellenverfahren – ein weiterer Verzinsungsanspruch entsteht.

 

Normenkette

AktG §§ 304-305

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 26.10.2000; Aktenzeichen 43 O 150/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.09.2002; Aktenzeichen II ZR 284/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.10.2000 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Essen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an den Kläger zu 1) 9.481,50 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 21.6.2000,

2. an den Kläger zu 2) 1.173,81 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes aus 967,49 DM seit dem 21.6.2000 und aus weiteren 206,32 DM seit dem 6.7.2000 und

3. an die Klägerin zu 3) 240,25 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 6.7.2000 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers zu 1) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 DM und die des Klägers zu 2) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 4.500 DM abzuwenden, falls nicht diese zuvor in jeweils gleicher Höhe Sicherheit leisten. Die Sicherheitsleistung kann auch durch unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erfolgen.

Das Urteil beschwert die Beklagte mit weniger als 60.000 DM.

Soweit die Beklagte zur Zahlung an die Kläger zu 1) und 2) verurteilt ist, wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger waren Aktionäre der R. AG in E. Diese hat mit der Beklagten als herrschendem Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gem. §§ 304 ff. AktG geschlossen, dessen Bestehen am 22.6.1999 in das Handelsregister eingetragen worden ist.

Nachdem die Kläger zunächst Ausgleichszahlungen gem. § 304 AktG i.H.v. 26 DM je Aktie erhalten haben, haben sie im Sommer 2000 von der Beklagten gem. § 305 AktG den Erwerb ihrer Aktien gegen die im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestimmte Abfindung von 550 DM je Aktie verlangt. Ein Spruchstellenverfahren nach § 306 AktG wegen der festgesetzten Höhe der Ausgleichszahlungen und der Abfindungen ist noch rechtshängig.

Die Beklagte hat die zu zahlenden Abfindungen in der Weise berechnet, dass sie den jeweiligen Abfindungsbetrag für die Zeit ab 22.6.1999 gem. § 305 Abs. 3 S. 3 AktG verzinst und dann die an die Kläger zuvor erbrachten Ausgleichszahlungen, die in allen Fällen höher als der errechnete Zinsbetrag lagen, in voller Höhe abgezogen hat.

Die Kläger sind der Ansicht, dass ihnen die ggü. den Zinsen höhere Ausgleichsleistung verbleiben müsse, und machen den jeweiligen Differenzbetrag mit der Klage geltend.

Die Beklagte vertritt demgegenüber den Standpunkt, dass ihre Abrechnungsmethode der Rechtslage entspreche und in Einklang mit der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur stehe.

Das LG hat sich dieser Auffassung angeschlossen und die Klage abgewiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die ihre erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung wiederholen und vertiefen.

Zwar seien Zinsen und gezahlter Ausgleich miteinander zu verrechnen; jedoch könne ein etwaiger Überschuss bei der Verrechnung nicht die Barabfindung gem. § 305 Abs. 1 AktG selbst kürzen. Die Verrechnung von Zinsen und Ausgleich könne nur jeweils bis zur Höhe des kleineren der beiden Beträge gehen.

Das bedeute, dass kraft Gesetzes die Abfindung sowie die Differenz zwischen Zinsen und erhaltenen Ausgleichen zur Auszahlung komme, wenn die Zinsen höher als die erhaltenen Ausgleichsbeträge seien, während es bei der Zahlung der Abfindung verbleibe, wenn der Zinsanspruch niedriger als die erhaltenen Ausgleichsbeträge sei. Die Verzinsung nach § 305 Abs. 3 S. 3 AktG sei lediglich die gesetzlich festgeschriebene Mindestvergütung für die Kapitalnutzung, bis die angemessene Abfindung feststehe und gewählt sei. Nur dieses Ergebnis entspreche auch der Zielsetzung des Gesetzgebers bei Einführung des Zinsanspruchs auf die Barabfindung im Jahre 1994, der die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre habe verbessern wollen. Die Auffassung des angefoc...

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