Leitsatz (amtlich)

Der Schenkwert der Löschung eines dinglichen Wohnungsrechts kann nicht ohne Weiteres und ohne jeden Bezug zu den tatsächlichen Gegebenheiten in der mit der Löschung eingetretenen und bei Entstehung des Rückforderungsanspruchs noch vorhandenen Werterhöhung des Grundstücks gesehen werden.

 

Normenkette

BGB §§ 516, 528, 812, 818 Abs. 2, § 1061 S. 1, §§ 1090, 1093 Abs. 1; SGB XII § 93

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 20.07.2016; Aktenzeichen 8 O 473/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. Juli 2016 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.700 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Januar 2016 zu zahlen.

Im Übrigen bleiben Klage und Widerklage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils jeweils insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der andere Teil zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird beschränkt auf die Höhe des Schenkungsrückforderungsanspruchs zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger verlangt als Träger der Sozialhilfe aus übergeleitetem Recht von der Beklagten einen Ausgleich für die Bewilligung der unentgeltlichen Löschung eines dinglichen Wohnungsrechts durch deren Mutter, der er Leistungen gewährt hatte.

Die Mutter der Beklagten war ursprünglich (Mit-)Eigentümerin des Hausgrundstücks mit der postalischen Anschrift "T-Straße, C". Mit notarieller Urkunde vom 23. Januar 1995 übertrug sie dieses Grundstück der Beklagten. Diese bewilligte ihren Eltern auf dem Hausgrundstück unentgeltlich ein lebenslanges dingliches Wohnungsrecht oder Wohnrecht (im Folgenden: Wohnungsrecht), das im Grundbuch eingetragen wurde. Unter dem 16. Juni 2003 bewilligten die Mutter und der Vater der Beklagten die Löschung dieses dinglichen Wohnungsrechts (Anlage K 1, GA 8), so dass es im Grundbuch gelöscht wurde. Darüber hinaus verzichteten sie auch auf einen etwaigen schuldrechtlichen Anspruch hinsichtlich des Wohnungsrechts. Eine Gegenleistung für die Löschung und diesen Verzicht vereinbarten sie nicht. Die Beklagte vermietete die Wohnung an ihre Mutter, welche diese bisher aufgrund des Wohnungsrechts bewohnt hatte, zu einer monatlichen Miete von 340 EUR zuzüglich 60 EUR für Nebenkosten. Der Vater der Beklagten starb am 4. Mai 2010.

Die Mutter der Beklagten wurde pflegebedürftig und lebte seit August 2012 in einer Alten- und Pflegeeinrichtung. Für die dortigen Leistungen erhielt die Mutter der Beklagten seit dem 10. August 2012 bis zu ihrem Tod am 30. März 2015 vom Kläger Sozialleistungen nach dem SGB XII (Hilfe zur Pflege) in Höhe von insgesamt 22.248,37 EUR. Durch Bescheid vom 18. Juni 2013 leitete der Kläger die von ihm in diesem Verfahren geltend gemachten Ansprüche unter Hinweis auf § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf sich über. Zur Begründung machte er geltend, in der Bewilligung der Löschung des Wohnungsrechts durch die Mutter der Beklagten liege eine Schenkung, welche die Mutter gemäß § 528 BGB habe zurückfordern können. Wegen der Einzelheiten des Bescheides wird auf die Anlage K 3 (GA 10) verwiesen. Die Wohnung, in welcher die Mutter der Beklagten bis zu ihrem Umzug in das Alten- und Pflegeheim gewohnt hatte, stand zunächst leer, wurde von der Beklagten renoviert und von ihr ab September 2013 für eine monatliche (Kalt-)Miete von 360 EUR vermietet.

Der Kläger hat auch im Klageverfahren die Ansicht vertreten, bei der Löschung des dinglichen Wohnungsrechts handele es sich um eine Schenkung, welche die Mutter der Beklagten habe gemäß § 528 Abs. 1 BGB zurückfordern können. Dass eine Schenkung vorliege, ergebe sich daraus, dass das Wohnungsrecht einen Vermögenswert darstelle und zudem die Vermietung verhindere. Ebenso habe es Einfluss auf die Verwertbarkeit des Grundstücks. Der Wert dieser Schenkung betrage 69.931,20 EUR. Dieser Betrag ergebe sich aus der von der Beklagten von ihrer Mutter erlangten Nettomiete und der prognostizierten restlichen Mietdauer, welche anhand der statistischen Lebenserwartung der Mutter der Beklagten im Zeitpunkt der Schenkung zu ermitteln sei.

Er hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.248,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat sie beantragt,

den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin den erlittenen Schaden im Sinne von § 280 ff. BGB i.H.v. 1.880,20 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die...

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