Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindungsanspruch des vorletzten Gesellschafters

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Unternehmen nach dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters von dem verbleibenden Gesellschafter einer GbR allein zu dem Zwecke fortgeführt, einen einzelnen, zeitlich befristeten Auftrag abzuwickeln und zu Ende zu führen, so findet das Ertragswertverfahren bei der Bewertung des Unternehmens zur Ermittlung des Abfindungsanspruchs des Ausgeschiedenen keine Anwendung. Der Ausgeschiedene ist in diesem Fall unabhängig von der stichtagsbezogen zu ermittelnden Abfindung gem. § 740 BGB an dem noch schwebenden Geschäft zu beteiligen.

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Urteil vom 25.11.2003; Aktenzeichen 9 O 229/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.11.2003 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Hagen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.000 Euro nebst 5 % Zinsen seit dem 24.6.2003 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rechnungslegung bezüglich der vom Arbeitsamt I nach SGB III finanzierten und von der ... Verkehrsfachschule, ..., durchgeführten Schulungsmaßnahme (Maßn.-Nr. des Arbeitsamtes ... 355 2 02), betreffend die Umschulung nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung, Führerscheine C und CE, Gabelstaplerausbildung, GGVS, Praktikum, Maßnahmeziel: Gesellen-, Facharbeiter-, Gehilfenprüfung, Maßnahmedauer vom 4.3.2002 bis 8.12.2003.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und der Beklagte zu 3/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung hat im erkannten Umfang Erfolg.

I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausgleichung des geltend gemachten Teilbetrags gegen den Beklagten gem. § 739 BGB.

Allerdings folgt der Anspruch des Klägers nicht, wie das LG gemeint hat, aus einer entsprechenden Anwendung des § 155 HGB. Der mit dem angefochtenen Urteil gegebenen Begründung vermag der Senat nicht zu folgen. § 155 HGB gewährt keinen gesonderten Anspruch auf Vorabausgleichung eines negativen Kapitalkontos. Richtig ist nur, dass die Ausgleichung unmittelbar unter den Gesellschaftern zu erfolgen hat, dies allerdings erst nach der Schlussbilanz und Schlussverteilung durch die Liquidatoren (vgl. Ebenroth/Boujong, § 155 HGB Rz. 23). Im vorliegenden Fall verlangt der Kläger aber keinen Ausgleich nach Abschluss der Verteilung, sondern einen Vorabausgleich des negativen Kapitalkontos als ersten Schritt. Von einem derartigen Anspruch ist in § 155 HGB nicht die Rede. Vielmehr ändert diese Vorschrift nichts am Grundsatz der Gesamtabrechnung, der eine selbständige Geltendmachung einzelner Ansprüche nur ausnahmsweise zulässt (vgl. Ebenroth/Boujong, § 155 HGB Rz. 16 u. 24). Im Übrigen haben die Parteien am 18.12.2002 (Bl. 6 d.A.) ausdrücklich vereinbart, dass die Auseinandersetzung nach den Regeln des BGB durchgeführt werden sollte. Die dagegen vom LG vertretene Ansicht, die Regelungen des BGB seien nach der rechtlichen Anerkennung der Außengesellschaft auf diese weder zugeschnitten noch sinnvoll anwendbar, teilt der Senat nicht.

Der Anspruch des Klägers beruht aber auf § 739 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der ausscheidende Gesellschafter den übrigen Gesellschaftern für den Fehlbetrag im Verhältnis seines Anteils am Verlust aufzukommen. Nach der von den Parteien am 18.12.2002 getroffenen Vereinbarung ist der Beklagte als ausgeschiedener Gesellschafter i.S.d. §§ 738 ff. BGB zu behandeln. Für den Fall des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft kann vereinbart werden, dass der andere die "Gesellschaft fortsetzt", indem er das Gesellschaftsvermögen als Gesamtrechtsnachfolger übernimmt. Die Rechte des Ausgeschiedenen bestimmen sich dann nach §§ 738-740 BGB (vgl. BGH v. 6.12.1993 - II ZR 242/92, MDR 1994, 346 = ZIP 1994, 378). Die Parteien haben eine derartige Fortsetzung durch den Kläger vertraglich vereinbart. Nach dem unstreitigen Sachverhalt und dem ausdrücklichen Wortlaut des schriftlichen Vertrages vom 18.12.2002 sollte der Kläger nicht nur das Anlagevermögen übernehmen, sondern auch den Betrieb der zuvor gemeinschaftlich betriebenen Fahrschule allein fortsetzen. Wenngleich in der Vereinbarung vom 18.12.2002 von "Auflösung" die Rede ist, ergibt sich deshalb mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Parteien keine Auseinandersetzung i.S.d. §§ 730 ff. BGB gewollt haben.

§ 739 BGB gilt bei der Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch den verbliebenen Gesellschafter entsprechend. Der Zahlungsanspruch steht dann dem Übernehmer als Gesamtrechtsnachfolger zu (Ulmer, § 739 BGB Rz. 2), kann aber wegen des Grundsatzes der Gesamtabrechnung nicht separat vorab geltend gemacht werden. Eine Zahlungspflicht des ausgeschiedenen Gesellschafters besteht gem. § 739 BGB nur dann, wenn der auf ihn entfallende Fehlbetrag einschließlich sonstiger, der Gesellschaft noch geschuldeter Beträge nach dem Ergebnis der Schlussabrechnung höher ist als die ihm im Rahmen der...

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