Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderlichkeit der Vorlage eines Erbscheins trotz Vorliegens eines öffentlichen Testaments. Grundbuchsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Grundbuchamt hat auch dann die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen, wenn im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit letztwilliger Verfügungen der Ehegatten in einem notariellen Testament die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nicht eingreift, jedoch Anhaltspunkte dafür, bestehen, daß die individuelle Auslegung des Testaments auf der Grundlage weiterer tatsächlicher Ermittlungen zur Annahme der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen führen kann.

2. Setzen die Ehegatten für ihren Nachlaß jeweils ihre gemeinsamen Kinder als Erben ein und verbinden sie diese Verfügungen mit einem beiderseitigen Erb- und Pflichtteilsverzicht, so kann sich daraus ein Anhaltspunkt für eine gewollte Wechselbezüglichkeit ergeben.

 

Normenkette

GBO § 35 Abs. 1; BGB § 2270

 

Beteiligte

1) Frau Ursula V

2) Frau Brigitte V

3) Frau Barbara V

4) Frau Anna

5) Herr Valentin P

6) Frau Astrid J

7) Herr Horst V

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Aktenzeichen 3 T 153/00)

AG Lemgo (Aktenzeichen 3 T 153/00)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Wertfestsetzung des Landgerichts abgeändert wird.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der ersten und der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

In dem vorgenannten Grundbuch ist als Eigentümer Herr Fritz V. eingetragen, der … 999 verstorben ist. Dieser war verheiratet mit Anna-Luise V. die … 1996 vorverstorben ist. Die Beteiligten zu 1), 2), 3) und 7) sind die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder, die Beteiligten zu 4), 5) und 6) sind Enkelkinder der Ehegatten.

Die Ehegatten errichteten am 01.03.1993 ein gemeinschaftliches notarielles Testament (UR-Nr. … Notar … in Bad Salzuflen). Darin setzte der Ehemann seine vier Kinder zu gleichen Teilen als Erben ein, die Beteiligte zu 2) jedoch lediglich als Vorerbin mit der Maßgabe, daß die Beteiligten zu 4) und 5) nach ihrem Tod als Nacherben berufen wurden (§ 1). Seiner Ehefrau wandte er als Vermächtnis sämtliche bewegliche Habe sowie einen lebenslänglichen Nießbrauch an den in seinem Eigentum stehenden Grundbesitzungen A. str. … und … in Bad Salzuflen zu (§ 2). Die Ehefrau setzte ihrerseits die vier gemeinsamen Kinder ebenfalls zu gleichen Teilen als ihre Erben ein (§ 6). Ferner erklärten beide Ehegatten (§§ 5 und 7), sie stimmten der letztwilligen Verfügung des jeweils anderen Ehegatten ausdrücklich zu; soweit hierin ein Erb- und Pflichtteilsverzicht liege, werde dieser erklärt und von dem anderen Ehegatten angenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Testaments wird auf das vom Amtsgericht am 28.01.1997 nach dem Tode der Ehefrau und am 01.12.1999 nach dem Tode des Ehemannes eröffnete Schriftstück Bezug genommen.

Nach dem Tode der Ehefrau errichtete der Ehemann am 28.01.1998 ein weiteres notarielles Testament (UR-Nr. … 1998 Notar … … Bad Salzuflen). Darin hob er die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 7) in dem Testament vom 01.03.1993 auf, setzte statt seiner auf den Erbanteil von ¼ die Beteiligten zu 4) bis 6) als Erben ein und beschwerte sie im Wege eines Vermächtnisses mit der Erfüllung des Pflichtteilanspruches des Beteiligten zu 7).

Mit notarieller Erklärung vom 11.05.1999 hat der Ehemann das Grundstück A. str. … in Bad Salzuflen in zwei Miteigentumsanteile aufgeteilt, die er mit dem Sondereigentum an zwei Wohnungen verbunden hat. Das im Grundbuch von Bad Salzuflen Blatt … eingetragene Wohnungseigentum hat er noch zu Lebzeiten an die Beteiligte zu 3) veräußert. Für das oben genannte Wohnungseigentum ist er weiterhin als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Die Beteiligte, zu i) hat am 09.03.2000 bei dem Grundbuchamt beantragt, die Eigentümereintragung in dem vorgenannten Grundbuch dahin zu berichtigen, daß sie und die Beteiligten zu 2) bis 6) Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft sind. Ihren Antrag hat sie unter Bezugnahme auf die vom Nachlaßgericht eröffneten letztwilligen Verfügungen auf die Erbeinsetzung ihres Vaters in dem gemeinschaftlichen Testament unter Berücksichtigung der Abänderung in dem Testament vom 28.01.1998 gestützt.

Bereits zuvor hatte der Beteiligte zu 7) durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht vom 09.12.1999 das Testament seines Vaters vom 28.01.1998 „angefochten” und geltend gemacht, dieses Testament sei unwirksam, weil es sich über die Bindungswirkung der wechselbezüglichen letztwilligen Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament vom 01.03.1993 hinwegsetze (12 VI 482/99 AG Lemgo). U.a. mit dieser Begründung tritt er im vorliegenden Verfahren auch dem Grundbuchberichtigungsantrag der Beteiligten zu 1) entgegen.

Das Grundbuchamt hat der Beteiligten zu 1) durch Zwischenverfügung vom 19.04.2000 aufgegeben, innerhalb einer Frist von 3 Monaten zum Nachweis der Erbfolge einen Erbschein vorzulegen. Zur Begründung ist ausgeführt, es bestünden tatsächliche Zweifel, ob die Verfügungen der Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Tes...

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