Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarung über einen vorzeitigen Erbausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Eine bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes über die erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder mögliche Vereinbarung über einen vorzeitigen Erbausgleich konnte auch das volljährige nichteheliche Kind wirksam erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres abschließen.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 28.11.2002; Aktenzeichen 5 T 862/02)

AG Dülmen (Beschluss vom 07.08.2002; Aktenzeichen 5 VI 99/02)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Vorbescheid des AG Dülmen vom 7.8.2002 werden aufgehoben.

Das AG wird angewiesen, den am 19.12.2002 zugunsten der Beteiligten zu 1) erteilten Erbschein einzuziehen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.

Der Geschäftswert wir auf 125.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser war mit der am 15.3.1998 vorverstorbenen Frau … verheiratet. Die Beteiligte zu 1) ist das (einzige) eheliche Kind des Erblassers, die am 9.9.1969 geborene Beteiligte zu 2) dessen nichteheliche Tochter.

Am 2.7.1990 schlossen der Erblasser und die Beteiligte zu 2) „zur Regelung des vorzeitigen Erbausgleichs gem. § 1934c BGB” die nachfolgende notariell beurkundete Vereinbarung:

„Der Erschienene zu 1) [d.h. der Erblasser] hat an die Erschienene zu 2) [d.i. die Beteiligte zu 2)] zur Erfüllung des vorzeitigen Erbausgleichs bereits einen Betrag von 50.000 DM geleistet.

Die Erschienene zu 2) erklärt sich mit der Zahlung dieses Betrages als endgültige Erfüllung ihres vorzeitigen Erbausgleiches einverstanden.

Die Rechtswirkungen des vorzeitigen Erbausgleichs sind den Beteiligten bekannt.

Die Kosten dieser Verhandlung trägt der Erschienene zu 1).”

Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Beteiligte zu 1) zu notarieller Urkunde vom 25.6.2002 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als die alleinige Erbin nach ihrem Vater ausweist.

Das AG hat mit Beschluss vom 7.8.2002 angekündigt, den Erbschein antragsgemäß zu erteilen, wenn nicht binnen einer Frist von zwei Wochen gegen den Vorbescheid Beschwerde eingelegt werde. Hiergegen hat die Beteiligte zu 2) Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, die Vereinbarung vom 25.7.1990 sei unwirksam, weil sie seinerzeit noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet gehabt habe. Das LG hat die Beschwerde mit Beschluss vom 28.11.2002 zurückgewiesen.

Am 19.12.2002 hat das AG entspr. dem Antrag der Beteiligten zu 1) einen Erbschein erteilt.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 11.2.2003 hat die Beteiligte zu 2) gegen die Entscheidung des LG weitere Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte zu 1) ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft und in der rechten Form eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde. Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde wird nicht dadurch berührt, dass das AG auf die Entscheidung des LG hin mittlerweile der Beteiligten zu 1) einen Erbschein erteilt hat. Nach Erteilung eines Erbscheins wird der Vorbescheid als reine Zwischenentscheidung zwar gegenstandslos. Gleichwohl kann in einem solchen Fall das Rechtsmittel mit dem Ziel der Einziehung des erteilten Erbscheins (§ 2361 BGB) weitergeführt werden (vgl. Keidel/Winkler, FG, 15. Aufl., § 84 Rz. 2 m.w.N.).

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 546 ZPO.

Das LG hat im Kern ausgeführt, der notarielle Vertrag vom 2.7.1990 sei wirksam. Dabei könne es dahinstehen, ob ein Vertrag nach § 1934d BGB a.F. einvernehmlich außerhalb der dort genannten Altersgrenzen geschlossen werden könne. Jedenfalls sei der Vertrag als Erbverzichtsvertrag nach §§ 2346 ff. BGB wirksam.

Diesen Ausführungen folgt der Senat nicht. Bis zum 1.4.1998 war das nichteheliche Kind beim Tod seines Vaters nicht dessen Erbe, wenn es Miterbe neben den ehelichen Kindern des Vaters oder dessen Ehefrau wurde. In diesen Fällen hatte es lediglich einen Erbersatzanspruch gem. der durch Art. 1 Nr. 88 des Gesetzes über die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder vom 19.8.1969 (NEhelG; BGBl. I, 1243) mit Wirkung vom 1.7.1970 eingeführten Regelung in § 1934a BGB (das NEhelG hatte das bis dahin geltende Recht geändert, das dem „un”ehelichen Kind jeden Erb- und Pflichtteilsanspruch versagt hatte). Die Vorschrift des § 1934a BGB ist durch das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 16.12.1997 (BGBl. 1997 I, 2968) für die seit dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder beseitigt worden, die seitdem den ehelichen Kindern gleichgestellt sind. Nach Art. 227 Abs. 1 EGBGB sind aber die bis zum 1.4.1998 geltenden Vorschriften über das Erbrecht des nichtehelichen Kindes weiter anzuwenden, wenn (1.) der Erblasser vor diesem Stichtag gestorben ist oder (2.) über den Erbausgleich eine wirksame Vereinbarung getroffen oder der Erbausgleich durch rechtskräftiges Urteil zuerkannt worden ist. Die Beteiligte zu ...

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